PflegeWiki:Zirkumzision: Unterschied zwischen den Versionen
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− | === Nicht-religiöse Zirkumzision in der | + | === Nicht-religiöse Zirkumzision in der englischsprachigen Welt === |
==== Aufstieg der "prophylaktischen" Beschneidung im 19. Jahrhundert ==== | ==== Aufstieg der "prophylaktischen" Beschneidung im 19. Jahrhundert ==== | ||
Moses Maimonides nannte bereits im Mittelalter einen weiteren Grund für die Beschneidung: Die Geschlechtsorgane sollten so verletzt und geschwächt werden, dass sie zwar noch funktionieren, aber keine „überschüssige“ Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.<ref>{{REFbook | Moses Maimonides nannte bereits im Mittelalter einen weiteren Grund für die Beschneidung: Die Geschlechtsorgane sollten so verletzt und geschwächt werden, dass sie zwar noch funktionieren, aber keine „überschüssige“ Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.<ref>{{REFbook | ||
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=== Beschneidung mit Gomco-Klemme === | === Beschneidung mit Gomco-Klemme === | ||
− | Diese Operation dauert ca. 10-20 | + | Diese Operation dauert ca. 10-20 Minuten. Der Junge ist während der ganzen Zeit bei vollem Bewusstsein. Die aufgeschnittene Vorhaut wird hinter die Eichel zurückgezogen, so dass die Eichel vollständig frei liegt. Nun wird eine kleine Metallglocke über die Eichel gestülpt und die Vorhaut darüber wieder nach vorn gezogen und an der Spitze befestigt, damit sie nicht mehr nach hinten rutschen kann und straff über die Glocke gespannt bleibt. Dann wird ein Metallring über die Glocke geschoben. Jetzt befindet sich die Glocke unter der Vorhaut, während der Metallring den Penis von außen „festhält“. Die Klemme kann durch eine Stellschraube so angezogen werden, dass ihr Durchmesser kleiner wird und die Vorhaut mit hohem Druck auf die Oberfläche der Glocke gepresst wird. Diesen Zustand muss der Junge ca. 5 min. ertragen – danach ist die Blutversorgung der Vorhaut komplett unterbrochen. Schließlich wird die Vorhaut in Höhe des hinteren Eichelrandes mit einem Skalpell abgeschnitten und die Klemme sowie die Glocke danach entfernt. Mitunter ist nun noch ein weiterer Schnitt erforderlich, um den Rest des Vorhautbändchens an der Unterseite der Eichel zu entfernen. Beschneidung eines Säuglings bei vollem Bewusstsein:<ref name="Phimose-Info"/> |
− | ==== Beispiel: Gomco-Beschneidung ==== | + | ==== Beispiel: [[Gomco]]-Beschneidung ==== |
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File:Circumstraint-78px.gif|"[[Circumstraint]]" von Olympic (Neologismus aus circumcision (engl für Beschneidung) und constraint (engl. für Fesselung). Ein Fixierungsstuhl für ohne Vollnarkose durchgeführte Operationen an Babies und Kleinkindern. Häuptsächlich in den USA zur Beschneidung von Jungen im Säuglingsalter eingesetzt. | File:Circumstraint-78px.gif|"[[Circumstraint]]" von Olympic (Neologismus aus circumcision (engl für Beschneidung) und constraint (engl. für Fesselung). Ein Fixierungsstuhl für ohne Vollnarkose durchgeführte Operationen an Babies und Kleinkindern. Häuptsächlich in den USA zur Beschneidung von Jungen im Säuglingsalter eingesetzt. | ||
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− | === Plastibell === | + | === [[Plastibell]] === |
Hierbei wird ein zweiteiliger Plastikring angelegt. Dabei liegt ein Teil zwischen Eichel und Vorhaut, der andere Teil außerhalb, an der Basis der Vorhaut. Das zwischen beiden angelegten Teilen liegende Gewebe wird durch einen Faden abgebunden. Durch das Abbinden der Blutzufur fault die Vorhaut langsam mehrere Tage lang ab, ehe sie von selbst abfällt. Das Verfahren gilt heutzutage als veraltet, da es mit lang anhaltenden Schmerzen verbunden ist, und nicht vollständig unter ärztlicher Überwachung stattfindet, so dass dieser bei eventuellen Schwellungen nicht eingreifen kann: Ferner besteht aufgrund des Fremdkörpers ein erhöhtes Infektionsrisiko.<ref>{{REFjournal | Hierbei wird ein zweiteiliger Plastikring angelegt. Dabei liegt ein Teil zwischen Eichel und Vorhaut, der andere Teil außerhalb, an der Basis der Vorhaut. Das zwischen beiden angelegten Teilen liegende Gewebe wird durch einen Faden abgebunden. Durch das Abbinden der Blutzufur fault die Vorhaut langsam mehrere Tage lang ab, ehe sie von selbst abfällt. Das Verfahren gilt heutzutage als veraltet, da es mit lang anhaltenden Schmerzen verbunden ist, und nicht vollständig unter ärztlicher Überwachung stattfindet, so dass dieser bei eventuellen Schwellungen nicht eingreifen kann: Ferner besteht aufgrund des Fremdkörpers ein erhöhtes Infektionsrisiko.<ref>{{REFjournal | ||
|last=Kirkpatrick | |last=Kirkpatrick | ||
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Die Vorhaut ist ein spezialisiertes, empfindliches, und funktionales Organ. Die Vorhaut ist eine modifizierte Verlängerung der Schafthaut. Sie bedeckt die Eichel und erstreckt sich gewöhnlich über die Eichelspitze hinaus, bevor sie sich selbst einfaltet und gerade hinter der Corona (dem Eichelgranz) wieder ihren Anhaftungspunkt findet. Die Vorhaut ist folglich eine doppel-schichtiges Organ. | Die Vorhaut ist ein spezialisiertes, empfindliches, und funktionales Organ. Die Vorhaut ist eine modifizierte Verlängerung der Schafthaut. Sie bedeckt die Eichel und erstreckt sich gewöhnlich über die Eichelspitze hinaus, bevor sie sich selbst einfaltet und gerade hinter der Corona (dem Eichelgranz) wieder ihren Anhaftungspunkt findet. Die Vorhaut ist folglich eine doppel-schichtiges Organ. | ||
− | Ihre wahre Länge beträgt rund das zweifache ihrer Außenseite (das äußere Vorhautblatt) und macht mehr als 50% der gesamten Haut des Penis aus.<ref>{{REFconference | + | Ihre wahre Länge beträgt rund das zweifache ihrer Außenseite (das äußere Vorhautblatt) und macht mehr als 50 % der gesamten Haut des Penis aus.<ref>{{REFconference |
|last=Erickson | |last=Erickson | ||
|first=J.A. | |first=J.A. | ||
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Die doppelschichtige Vorhaut ermöglicht es der Schafthaut des Penis vor und zurück über den Penisschaft zu gleiten. Die Vorhaut kann normalerweise ganz oder beinahe ganz zurück bis zum Schaftanfang zurückgestreift und genauso über die Eichelspitze vorgestreift werden. Durch diesen großen Bewegungsspielraum wird der Penis und die Orgasmus auslösenden Nervenrezeptoren in der Vorhaut, dem Frenulum und der Eichel stimuliert. | Die doppelschichtige Vorhaut ermöglicht es der Schafthaut des Penis vor und zurück über den Penisschaft zu gleiten. Die Vorhaut kann normalerweise ganz oder beinahe ganz zurück bis zum Schaftanfang zurückgestreift und genauso über die Eichelspitze vorgestreift werden. Durch diesen großen Bewegungsspielraum wird der Penis und die Orgasmus auslösenden Nervenrezeptoren in der Vorhaut, dem Frenulum und der Eichel stimuliert. | ||
− | === Sexuelle Funktionen während des | + | === Sexuelle Funktionen während des Geschlechtsakts === |
Eine der Funktionen der Vorhaut ist es, die reibungslose und sanfte Bewegung zwischen den Schleimhäuten der Partner zu einfachen. Die Vorhaut ermöglicht es dem Penis reibungslos in die Vagina hinein und wider heraus zu gleiten, in seiner eigenen Hülle aus beweglicher Haut. Der weibliche Partner wird so eher durch den Druck der Bewegung, als wie nach der Zirkumzision, durch bloße Reibung stimuliert. | Eine der Funktionen der Vorhaut ist es, die reibungslose und sanfte Bewegung zwischen den Schleimhäuten der Partner zu einfachen. Die Vorhaut ermöglicht es dem Penis reibungslos in die Vagina hinein und wider heraus zu gleiten, in seiner eigenen Hülle aus beweglicher Haut. Der weibliche Partner wird so eher durch den Druck der Bewegung, als wie nach der Zirkumzision, durch bloße Reibung stimuliert. | ||
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=== Meidung von Seife und des vorzeitigen Zurückziehens der Vorhaut === | === Meidung von Seife und des vorzeitigen Zurückziehens der Vorhaut === | ||
− | Studien haben gezeigt, dass man keine Seife auf der Eichel oder dem inneren Vorhautblatt anwenden soll. Das gewaltsame Zurückziehen und Waschen der kindlichen Vorhaut | + | Studien haben gezeigt, dass man keine Seife auf der Eichel oder dem inneren Vorhautblatt anwenden soll. Das gewaltsame Zurückziehen und Waschen der kindlichen Vorhaut zerstört die nützliche bakterielle Flora, die den Penis vor schädlichen Keimen schützt, und kann zu Irritationen und Infektionen führen. Die beste Pflege für den Penis des Kindes ist, ihn in Ruhe zu lassen. Nach der Pubertät können Männer ihre Eichel und Vorhaut sanft mit warmen, klaren Wasser abspülen, nach ihrem eigenen, selbst-bestimmten Bedarf. |
== Verbreitung der Zirkumzision == | == Verbreitung der Zirkumzision == | ||
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Die Zirkumzision trennt darüber hinaus die Lymphgefäße auf, unterbricht die Lymphzirkulation und kann in seltenen Fällen ein Lymphödem zur Folge haben, ein äußerst schmerzhaftes, entstellendes Leiden, bei dem die verbleibende Penishaut mit eingeschlossener Lymphflüssigkeit anschwellt. | Die Zirkumzision trennt darüber hinaus die Lymphgefäße auf, unterbricht die Lymphzirkulation und kann in seltenen Fällen ein Lymphödem zur Folge haben, ein äußerst schmerzhaftes, entstellendes Leiden, bei dem die verbleibende Penishaut mit eingeschlossener Lymphflüssigkeit anschwellt. | ||
− | ==== Hygienische und | + | ==== Hygienische und gesundheitliche Nachteile ==== |
[[File:Gomco-Zirkumzision-12-400px.gif|400px|thumb|Die Beschneidungswunde ist groß. Sie umfasst nicht nur die zirkuläre Schnittstelle sondern die gesamte Eichel. Schädliche Keime können einfach durch die wunde Eichel, oder noch einfacher durch die Einschnittsstelle selbst in das geschädigte Gewebe und den Blutkreislauf eindringen.]] | [[File:Gomco-Zirkumzision-12-400px.gif|400px|thumb|Die Beschneidungswunde ist groß. Sie umfasst nicht nur die zirkuläre Schnittstelle sondern die gesamte Eichel. Schädliche Keime können einfach durch die wunde Eichel, oder noch einfacher durch die Einschnittsstelle selbst in das geschädigte Gewebe und den Blutkreislauf eindringen.]] | ||
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}}</ref> | }}</ref> | ||
− | === Psychische und | + | === Psychische und neurologische Schäden durch die Beschneidung === |
==== Psychische Schäden ==== | ==== Psychische Schäden ==== | ||
Die Beschneidung birgt ebenfalls ein Risiko für bewusste oder unbewusste Operationstraumata. So erklärt Menage, dass Behandlungen im Genitalbereich bei Kindern beiderlei Geschlechts zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS bzw. PTSD, im ICD-10 als F43.1 codiert) führen können. Entscheidende Faktoren für die Ausprägung einer PTBS sind nach Menage: | Die Beschneidung birgt ebenfalls ein Risiko für bewusste oder unbewusste Operationstraumata. So erklärt Menage, dass Behandlungen im Genitalbereich bei Kindern beiderlei Geschlechts zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS bzw. PTSD, im ICD-10 als F43.1 codiert) führen können. Entscheidende Faktoren für die Ausprägung einer PTBS sind nach Menage: | ||
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→ Hauptartikel: Komplikationen der Beschneidung | → Hauptartikel: Komplikationen der Beschneidung | ||
− | Die Zirkumzision ist mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet.<ref>Gee | + | Die Zirkumzision ist mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Gee | ||
+ | |first=W.F. | ||
+ | |last2=Ansell | ||
+ | |first2=J.S. | ||
+ | |title=Neonatal circumcision: a ten-year overview: with comparison of the Gomco clamp and the Plastibell device | ||
+ | |journal=Pediatrics | ||
+ | |date=1976 | ||
+ | |volume=58 | ||
+ | |pages=824-827 | ||
+ | |pubmedID=16429216 | ||
+ | }}</ref> Diese Komplikationen umfassen unkontrollierbare Blutungen und tödliche Infektionen.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Kaplan | ||
+ | |first=G.W. | ||
+ | |title=Complications of circumcision | ||
+ | |journal=Urol Clin N Amer | ||
+ | |date=1983 | ||
+ | |volume=10 | ||
+ | |pages=543-549 | ||
+ | }}</ref> Für die Rate der perioperativen und postoperativen Komplikationen der Zirkumzision werden in der Literatur Werte zwischen 1 aus 50 bis 1 aus 10 Beschneidungem (2-10 %) angegeben.<ref name="Williams1993"/> Es gibt viele veröffentliche Fallberichte von Gangrän (Wundbrand) infolge von Zirkumzisionen.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Sussman | ||
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+ | |title=Fournier's syndrome. Report of three cases and review of the literature | ||
+ | |journal=Am J Dis Child | ||
+ | |date=1978 | ||
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+ | |pages=1189-1191 | ||
+ | }}</ref> Krankheitserregende Bakterien wie Staphylokokken, Proteus, Pseudomonas, coliforme Bakterien können Infektionen verursachen, die zum Tode führen können.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Kirkpatrick | ||
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+ | |title=Neonatal septicemia after circumcision | ||
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+ | |pages=767-768 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Scurlock | ||
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+ | |title=Neonatal meningitis and circumcision | ||
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+ | |date=1977 | ||
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+ | }}</ref> Diese Organismen dringen in die Beschneidungswunde nur deshalb ein, weil diese ihnen ein leichtes Eindringen ermöglicht, und nicht etwa, weil das Kind besonders infektionsgefährdet wäre. | ||
− | In der medizinischen Literatur sind zahlreiche Fälle von Säuglingen und Kindern beschrieben, denen während ihrer Zirkumzision die Eichel ganz oder teilweise abgeschnitten wurde.<ref>Gluckman | + | In der medizinischen Literatur sind zahlreiche Fälle von Säuglingen und Kindern beschrieben, denen während ihrer Zirkumzision die Eichel ganz oder teilweise abgeschnitten wurde.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Gluckman | ||
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+ | |title=Newborn penile glans amputation during circumcision and successful reattachment | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Strimling | ||
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+ | |title=Partial amputation of glans penis during Mogen clamp circumcision | ||
+ | |journal=Pediatrics | ||
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+ | }}</ref><ref name="Sherman1996">{{REFjournal | ||
+ | |last=Sherman | ||
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+ | |first4=K.I. | ||
+ | |title=Circumcision: successful glanular reconstruction and survival following traumatic amputation | ||
+ | |journal=J Urol | ||
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+ | }}</ref> | ||
− | Anderen Kindern wurde der Penis durch den zwecks Blutstillung verwendeten Elektrokauter weggebrannt.<ref name="Sherman1996"/><ref>Pearlman | + | Anderen Kindern wurde der Penis durch den zwecks Blutstillung verwendeten Elektrokauter weggebrannt.<ref name="Sherman1996"/><ref>{{REFjournal |
+ | |last=Pearlman | ||
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+ | |title=Reconstruction following iatrogenic burn of the penis | ||
+ | |journal=J Pediatr Surg | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Pearlman | ||
+ | |first=C.K. | ||
+ | |title=Caution advised on electrocautery circumcisions | ||
+ | |journal=Urology | ||
+ | |date=1982 | ||
+ | |volume=19 | ||
+ | |page=453 | ||
+ | }}</ref> 1989 wurden in der September-Ausgabe des Journal of Urology 4 solcher Fälle veröffentlicht.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Gearhart | ||
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+ | |last2=Rock | ||
+ | |first2=J.A. | ||
+ | |title=Total Ablation of The Penis After Circumcision With Electrocautery: A Method Of Management and Long-term Followup | ||
+ | |journal=Journal of Urology | ||
+ | |location=Baltimore | ||
+ | |volume=142 | ||
+ | |issue=3 | ||
+ | |date=1989-09 | ||
+ | |pages=799-801 | ||
+ | }}</ref> Der Artikel beschrieb die Sexumwandlungsoperation als "feminisierende Genitoplastik". Diese wurde an diesen Babys mit dem Ziel durchgeführt, sie in Mädchen umzuoperieren. Das Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine vom März 1997 beschrieb das Entsetzen, welches ein junge Person überkam, als sie erfahren musste, dass "sie" als Junge geboren wurde, aber ein Beschneider seinen Penis im Säuglingsalter während einer medizinisch unnötigen, falsch-indizierten therapeutischen Beschneidung wegbrannte.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Diamond | ||
+ | |first=M. | ||
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+ | |title=Sex reassignment at birth. Long-term review and clinical implications | ||
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+ | }}</ref> Später wurde die Identität dieser Person bekannt: Bruce Reimer. Viele ähnliche Fälle sind dokumentiert.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Money | ||
+ | |first=John | ||
+ | |title=Ablatio Penis: Normal Male Infant Sex-Reassigned As A Girl | ||
+ | |journal=Archives of Sexual Behavior | ||
+ | |location=New York | ||
+ | |volume=4 | ||
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+ | |date=1975-01 | ||
+ | |pages=65-71 | ||
+ | }}</ref> | ||
− | Die Zirkumzision hat eine geschätzte Todesrate von 1 aus | + | Die Zirkumzision hat eine geschätzte Todesrate von 1 aus 20.000.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Thompson | ||
+ | |first=R.S. | ||
+ | |title=Routine circumcision in the newborn: an opposing view | ||
+ | |journal=J Fam Pract | ||
+ | |date=1990 | ||
+ | |volume=31 | ||
+ | |issue=2 | ||
+ | |pages=189-196 | ||
+ | }}</ref> | ||
== Hygienische und gesundheitlich-präventive Motive == | == Hygienische und gesundheitlich-präventive Motive == | ||
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=== Übertragung von Geschlechtskrankheiten === | === Übertragung von Geschlechtskrankheiten === | ||
− | Die Zirkumzision verhindert weder die Ansteckung noch die Übertragung | + | Die Zirkumzision verhindert weder die Ansteckung noch die Übertragung sexuell übertragbarer Erkrankungen. |
− | Die USA hat sowohl den größten Prozentsatz an sexuell aktiven | + | Die USA hat sowohl den größten Prozentsatz an sexuell aktiven beschnittenen Männern in der westlichen Welt als auch die höchsten Raten sämtlicher sexuell übertragbarer Erkrankungen, einschließlich AIDS. Zahlreiche Studien belegen, dass beschnittene Männer ein signifikant höheres Risiko haben, an sexuell übertragbaren Krankheiten zu erkanken.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Hooykaas | ||
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+ | |etal=yes | ||
+ | |title=The importance of ethnicity as a risk factor for STDs and sexual behaviour among heterosexuals | ||
+ | |journal=Genitourin Med | ||
+ | |date=1991 | ||
+ | |volume=67 | ||
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+ | |pages=378-383 | ||
+ | }}</ref><ref name="Laumann1997"/> Beschnittene Männer in den USA weisen höhere Raten an sexuell übertragenen Krankheiten auf als nicht-beschnittene Männer.<ref name="Laumann1997"/> Michael ''et al.'' stellte fest, dass die überwiegend beschnittene Männer in den USA eine größere Variabilität hinsichtlich ihres sexuellen Verhaltens aufzeigten, seltener Kondome benutzten und häufiger an sexuell übertragenen Krankheiten litten als die überwiegend nicht-beschnittene männliche Bevölkerung des Vereinten Königreichs.<ref name="Michael1998"/> | ||
− | Die Vorhaut schützt auf vielfätige Weise gegen Krankheiten und Infektionen<ref name="Fleiss1998">Fleiss | + | Die Vorhaut schützt auf vielfätige Weise gegen Krankheiten und Infektionen<ref name="Fleiss1998">{{REFjournal |
+ | |last=Fleiss | ||
+ | |first=P.M. | ||
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+ | |first3=R.S. | ||
+ | |title=Immunological functions of the human prepuce | ||
+ | |journal=Sex Transm Inf | ||
+ | |date=1998 | ||
+ | |volume=74 | ||
+ | |pages=364-367 | ||
+ | }}</ref> Diese Schutzmechanismen liefern eine mögliche Erklärung dafür, warum chirurgisch veränderte, beschnittene Männer eine größere Häufigkeit an so vielen unterschiedlichen Geschlechtskrankheiten aufweisen. Ausgetrocknete Schleimhäute sind eher anfällig für Infektionen als natürliche, feuchte Schleimhäute. Aus diesem Gründe neigen viele Menschen im Winter bei trockener Heizungsluft an einer Erkältung zu erkranken. | ||
− | Die Vorhaut hält die Eichel des Penis auf natürliche Weise feucht, und hält so den optimale Gesuindheitszustand aufrecht um Infektionen abzuwehren. Die subpräputiale Flüssigkeit enthält unter anderen Lysosyme, Enzyme, welche die Zellwände sämtlicher Bakterien angreift und zerstören.<ref>Parkash S | + | Die Vorhaut hält die Eichel des Penis auf natürliche Weise feucht, und hält so den optimale Gesuindheitszustand aufrecht um Infektionen abzuwehren. Die subpräputiale Flüssigkeit enthält unter anderen Lysosyme, Enzyme, welche die Zellwände sämtlicher Bakterien angreift und zerstören.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Parkash | ||
+ | |first=S. | ||
+ | |last2=Jeyakumar | ||
+ | |first2=S. | ||
+ | |last3=Subramanyan | ||
+ | |first3=K. | ||
+ | |etal=yes | ||
+ | |title=Human subpreputial collection: its nature and formation | ||
+ | |journal=Journal of Urology | ||
+ | |date=1973 | ||
+ | |volume=110 | ||
+ | |pages=211-212 | ||
+ | }}</ref><ref name="Fleiss1998"/> | ||
− | Tanne et al. führen an, dass in den USA | + | Tanne ''et al.'' führen an, dass in den USA – trotz der höchsten Beschneidungsrate in der westlichen Welt – eine "Epidemie" von Geschlechtskrankheiten einschließlich Herpes, HPV-Infektionen, Hepatitis B, und HIV Infektionen herrscht.<ref name="Tanne1998"/> Die Häufigkeit von sexuell übertragbaren Krankheiten in den USA ist mit die höchste in der industrialisierten Welt. Einen möglichen Erklärungsversuch bietet die hohe Häufigkeit der Zirkumzision. Die Daten des National Health and Social Life Survey deuten an, dass 1992 von 1.511 untersuchten Männern im Alter zwischen 18 und 59 Jahren 77 Prozent der in den USA geborenen Männern beschnitten waren.<ref name="Laumann1997"/> |
==== Natürlicher Schutz ==== | ==== Natürlicher Schutz ==== | ||
− | Neuere Studien deuten darauf, dass der natürliche Penis einen gewissen Schutz gegen Infektionen mit vielen Geschlechtskrankheiten bietet<ref name="Smith1987"/><ref>Hooykaas C | + | Neuere Studien deuten darauf, dass der natürliche Penis einen gewissen Schutz gegen Infektionen mit vielen Geschlechtskrankheiten bietet<ref name="Smith1987"/><ref>{{REFjournal |
+ | |last=Hooykaas | ||
+ | |first=C. | ||
+ | |last2=van der Velde | ||
+ | |first2=F.W. | ||
+ | |last3=van der Linden | ||
+ | |first3=M.M. | ||
+ | |etal=yes | ||
+ | |title=The importance of ethnicity as a risk factor for STDs and sexual behaviour among heterosexuals | ||
+ | |journal=Genitourin Med | ||
+ | |date=1991 | ||
+ | |volume=67 | ||
+ | |issue=5 | ||
+ | |pages=378-383 | ||
+ | }}</ref><ref name="Cook1993"/><ref name="Cook1994"/><ref name="Donovan1994GenitourinMed"/><ref name="Donovan1994"/><ref name="Tanne1998"/><ref name="Michael1998"/> | ||
− | Auch zeigen Studien, dass beschnittene Männer ein erhöhtes Risiko haben an Uretritis (Harnleiterentzündungen), | + | Auch zeigen Studien, dass beschnittene Männer ein erhöhtes Risiko haben, an Uretritis (Harnleiterentzündungen), Gonorrhoe,<ref name="Storms1996">{{REFjournal |
+ | |last=Storms | ||
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+ | |title=AAFP Fact Sheet on neonatal circumcision: a need for updating | ||
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+ | }}</ref> Syphilis,<ref name="Laumann1997"/><ref name="Storms1996"/> Genitalwarzen,<ref name="Cook1993"/> und Chlamydia-Infektionen<ref name="Laumann1997"/> zu erkranken. Wenn Genitalwarzen beim nicht-beschnittenen Mann auftreten, dann überwiegend an der Penisspitze - also der Region, die durch die Vorhaut am wenigsten geschützt ist.<ref name="Cook1993"/> | ||
=== Übertragung von HIV === | === Übertragung von HIV === | ||
− | Neue Forschungsarbeiten aus Afrika | + | Neue Forschungsarbeiten aus Afrika unter der Leitung der Beschneidungsbefürworter [[Robert C. Bailey]] und [[Ronald H. Gray]] behaupten, Beweise zu liefern, dass die Beschneidung von Männern gegen HIV-Infektionen und AIDS schütze.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Gray | ||
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+ | |title=Male circumcision for HIV prevention in men in Rakai, Uganda: a randomised trial | ||
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+ | }}</ref> Unvoreingenommenheit der Studien infragestellt. | ||
− | Von den Verantwortlichen der Studien wird ein um 60% reduziertes Risiko für HIV-Infektion angepriesen. Die absolute Risikoreduktion laut den Befunden ihrer Studien, beträgt lediglich 1,3%. Da jedoch bereits während der Durchführung der Teststudien so viele Manipulationen und Maßnahmen, welche die Studienbefunde verfälschen, durchgeführt wurden, ist selbst dieser geringe Wert von 1,3 % fragwürdig. Studienteilnehmer, die beschnitten wurden, hatten eine Komplikationsrate von bis zu 3%. Ob diejenigen Teilnehmer der Studie, die beschnitten wurden, ihr restliches | + | Von den Verantwortlichen der Studien wird ein um 60 % reduziertes Risiko für HIV-Infektion angepriesen. Die absolute Risikoreduktion laut den Befunden ihrer Studien, beträgt lediglich 1,3 %. Da jedoch bereits während der Durchführung der Teststudien so viele Manipulationen und Maßnahmen, welche die Studienbefunde verfälschen, durchgeführt wurden, ist selbst dieser geringe Wert von 1,3 % fragwürdig. Studienteilnehmer, die beschnitten wurden, hatten eine Komplikationsrate von bis zu 3 %. Ob diejenigen Teilnehmer der Studie, die beschnitten wurden, ihr restliches Leben ein vermindertes Risiko für HIV-Infektionen haben, ist fragwürdig. Von Kritikern werden eine Reihe Kritikpunkte an den Studien angeführt. |
==== Bioethische Einwände ==== | ==== Bioethische Einwände ==== | ||
− | Vorausgesetzt | + | Vorausgesetzt, die Annahme die Studienbefunde von Gray ''et al.'' und Bailey ''et al.'' wären glaubhaft, gibt es vorrangige ethische Gründe, warum die Beschneidung von Männern als HIV-Prophylaxe unangebracht ist: |
− | * Die Beschneidung stellt keine angemessene Maßnahme dar, da sie selbst die normale Erscheinung und Funktion des Körpers schädigt.<ref>Taves D. The intromission function of the foreskin | + | * Die Beschneidung stellt keine angemessene Maßnahme dar, da sie selbst die normale Erscheinung und Funktion des Körpers schädigt.<ref>{{REFjournal |
− | * Eine Maßnahme, die weit weniger invasiv ist, der Gebrauch von Kondomen, ist bewiesenermaßen weit effektiver.<ref>Agot K | + | |last=Taves |
− | * Die Beschneidung von Männern vermindert nicht<ref>Castilho | + | |first=D. |
− | * Die männliche Beschneidung in einem realen | + | |title=The intromission function of the foreskin |
+ | |journal=Med Hypotheses | ||
+ | |date=2002 | ||
+ | |volume=59 | ||
+ | |issue=2 | ||
+ | |page=180 | ||
+ | }}</ref> | ||
+ | * Eine Maßnahme, die weit weniger invasiv ist, der Gebrauch von Kondomen, ist bewiesenermaßen weit effektiver.<ref>{{REFconference | ||
+ | |last=Agot | ||
+ | |first=K. | ||
+ | |co-authors=Ndinya-Achola, J.O. / Kreiss, J.K. / Weiss, N.S. | ||
+ | |title=HIV-1 prevalence in circumcised versus uncircumcised Luo men from African instituted churches in rural Kenya. | ||
+ | |place=XIV World AIDS Conference | ||
+ | |date=2002 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Wainberg | ||
+ | |first=M.A. | ||
+ | |title=The cutting edge on circumcision: reducing the risk | ||
+ | |journal=Parkhurst Exchange | ||
+ | |date=2001-01 | ||
+ | }}</ref> | ||
+ | * Die Beschneidung von Männern vermindert nicht<ref>{{REFconference | ||
+ | |last=Castilho | ||
+ | |first=E.A. | ||
+ | |co-authors=Boshi-Pinto, C. / Guimaraes, M.D.G. | ||
+ | |title=Male circumcision and HIV heterosexual transmission | ||
+ | |place=XIV World AIDS Conference | ||
+ | |date=2002 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Guimaraes | ||
+ | |first=M.D. | ||
+ | |last2=Vlahov | ||
+ | |first2=D. | ||
+ | |last3=Castilho | ||
+ | |first3=E.A. | ||
+ | |title=Postcoital vaginal bleeding as a risk factor for transmission of the human immunodeficiency virus in a heterosexual partner study in Brazil | ||
+ | |publisher=Rio de Janeiro Heterosexual Study Group | ||
+ | |journal=Arch Intern Med. | ||
+ | |date=1997 | ||
+ | |volume=157 | ||
+ | |issue=12 | ||
+ | |pages=1362-1368 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFconference | ||
+ | |last=Guimaraes | ||
+ | |first=M | ||
+ | |co-authors=Castilho, E. / Ramos-Filho, C. ''et al.'' | ||
+ | |title=Heterosexual transmission of HIV-1: a multicenter study in Rio de Janeiro, Brazil | ||
+ | |place=VII Intl Conf on AIDS | ||
+ | |date=1991 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFconference | ||
+ | |last=Changedia | ||
+ | |first=S.M. | ||
+ | |co-authors=Gilada, I.S. | ||
+ | |title=Role of male circumcision in HIV transmission insignificant in Conjugal relationship | ||
+ | |place=XIV World AIDS Conference | ||
+ | |date=2002 | ||
+ | }}</ref> und erhöht vielleicht das Risiko der Übertragung von Mann zu Frau.<ref>{{REFnews | ||
+ | |title=Circumcision protects men from AIDS but might increase risk to women, early results suggest | ||
+ | |publisher=International Herald Tribune | ||
+ | |date=2007-03-06 | ||
+ | }}</ref> | ||
+ | * Die männliche Beschneidung in einem realen afrikanischen Setting ist ein Vektor für die Verbreitung des Virus und kann die Pandemie sogar noch verschlimmern.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Brewer | ||
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+ | |etal=yes | ||
+ | |title=Mounting anomalies in the epidemiology of HIV in Africa: cry the beloved paradigm | ||
+ | |journal=Int J STD AIDS | ||
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+ | |pages=144-147 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Gisselquist | ||
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+ | |title=Let it be sexual: how health care transmission of HIV was ignored. | ||
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+ | |title=Running on empty: sexual co-factors are insufficient to fuel Africa's turbocharged HIV epidemic | ||
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+ | |last=Gisselquist | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Gisselquist | ||
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+ | |title=Non-sexual transmission of HIV has been overlooked in developing countries | ||
+ | |journal=Br Med J. | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Nyindo | ||
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+ | |title=Complementary factors contributing to the rapid spread of HIV-I in sub-Saharan Africa: a review | ||
+ | |journal=East Afr Med J. | ||
+ | |date=2005 | ||
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+ | |pages=40-46 | ||
+ | }}</ref> | ||
==== Einwände bezüglich der Anwendbarkeit ==== | ==== Einwände bezüglich der Anwendbarkeit ==== | ||
− | Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Befunde der Studien, selbst wenn sie richtig wären, nicht in eine nennenswerte Reduktion der HIV-Infektionen in der realen Welt | + | Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Befunde der Studien, selbst wenn sie richtig wären, nicht in eine nennenswerte Reduktion der HIV-Infektionen in der realen Welt umsetzen lassen: |
− | * Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Belege über die Beziehung zwischen Zirkumzision und HIV in Afrika sind widersprüchlich und zeigen insgesamt keine Reduktion des HIV-Infektionsrisikos durch die die Beschneidung.<ref>Garenne M. Male circumcision and HIV control in Africa | + | * Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Belege über die Beziehung zwischen Zirkumzision und HIV in Afrika sind widersprüchlich und zeigen insgesamt keine Reduktion des HIV-Infektionsrisikos durch die die Beschneidung.<ref>{{REFjournal |
− | * Die USA ist die einzige Industrienation, in der noch die Mehrheit der männlichen Neugeborenen aus nicht-religiösen Gründen beschnitten werden | + | |last=Garenne |
− | * Generell weisen Länder mit einer hohen Beschneidungsrate eine besonders | + | |first=M. |
− | * Eine | + | |title=Male circumcision and HIV control in Africa |
+ | |journal=PLoS Med | ||
+ | |date=2006 | ||
+ | |volume=3 | ||
+ | |issue=1 | ||
+ | |page=e78 | ||
+ | }}</ref> | ||
+ | * Die USA ist die einzige Industrienation, in der noch die Mehrheit der männlichen Neugeborenen aus nicht-religiösen Gründen beschnitten werden und die höchste Rate an sexuell aktiven beschnittenen Männern hat, aber gleichzeitig die Industrienation mit der höchsten HIV-Rate.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |first=G.W. | ||
+ | |last=Dowsett | ||
+ | |first2=M. | ||
+ | |last2=Couch | ||
+ | |title= | ||
+ | |journal=Reproductive Health Matters | ||
+ | |date=2007 | ||
+ | |volume=15 | ||
+ | |issue=29 | ||
+ | |pages=33-44 | ||
+ | }}</ref> | ||
+ | * Generell weisen Länder mit einer hohen Beschneidungsrate eine besonders hohe Häufigkeit an HIV-Infektionen auf, insbesondere im Vergleich mit europäischen Ländern, die eine geringe Beschneidungsrate haben. | ||
+ | * Eine britische Studie über homosexuelle Männer stellte eine höhere Rate an HIV-Infektionen bei beschnittenen Männern fest.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Reid | ||
+ | |first=D. | ||
+ | |last2=Weatherburn | ||
+ | |first2=P. | ||
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+ | |title=Know the score | ||
+ | |journal=Findings from the National Gay Men’s Sex Survey 2001 | ||
+ | |date=2001 | ||
+ | }}</ref> | ||
* Eine Zunahme der HIV-Übertragung von Mann zu Frau infolge der männlichen Beschneidung könnte die angebliche Schutzwirkung aufheben. | * Eine Zunahme der HIV-Übertragung von Mann zu Frau infolge der männlichen Beschneidung könnte die angebliche Schutzwirkung aufheben. | ||
* Beschneidungen in Afrika werden fast immer unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt. Medizinische Instrumente und rituelle Instrumente können selbst zur Verbreitung des HI-Virus beitragen, sodass die Propagierung der männlichen Beschneidung in Afrika das HIV-Problem noch verschlimmern kann. | * Beschneidungen in Afrika werden fast immer unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt. Medizinische Instrumente und rituelle Instrumente können selbst zur Verbreitung des HI-Virus beitragen, sodass die Propagierung der männlichen Beschneidung in Afrika das HIV-Problem noch verschlimmern kann. | ||
==== Kritik an der Durchführung der Teststudien ==== | ==== Kritik an der Durchführung der Teststudien ==== | ||
− | Die afrikanischen HIV-Studien unterschreiten sämtliche wissenschaftliche Mindeststandards für einen Nachweis einer medizinischen Wirksamkeit. Da es sich bei den Studien nicht um Blindstudien handelte, sind diese anfällig für die Voreingenommenheit der Forscher, den sorgannenten "Researcher Bias". Es ist bekannt, dass die Verantwortlichen der | + | Die afrikanischen HIV-Studien unterschreiten sämtliche wissenschaftliche Mindeststandards für einen Nachweis einer medizinischen Wirksamkeit. Da es sich bei den Studien nicht um Blindstudien handelte, sind diese anfällig für die Voreingenommenheit der Forscher, den sorgannenten "Researcher Bias". Es ist bekannt, dass die Verantwortlichen der afrikanischen HIV-Studien voreingenommen waren, da sie bereits vorher Artikel veröffentlichten, in denen sie Beschneidung zur Prävention von HIV-Infektion in Afrika befürworteten. |
− | Für die Studien wurden Männer rekrutiert, die "beschnitten werden wollten", da die Teilnehmer glaubten, die Beschneidung schütze sie vor HIV-Infektionen. Diejenigen der Testpersonen, die beschnitten wurden, hatten weniger Geschlechtsverkehr als die unbeschnittenen Testpersonen, da alleine die beschnittenen Testpersonen dazu ermahnt wurden, Enthaltsamkeit zu üben und ganze | + | Für die Studien wurden Männer rekrutiert, die "beschnitten werden wollten", da die Teilnehmer glaubten, die Beschneidung schütze sie vor HIV-Infektionen. Diejenigen der Testpersonen, die beschnitten wurden, hatten weniger Geschlechtsverkehr als die unbeschnittenen Testpersonen, da alleine die beschnittenen Testpersonen dazu ermahnt wurden, Enthaltsamkeit zu üben und ganze sechs Wochen lang gänzlich auf Geschlechtsverkehr zu verzichten. Die Anzahl der Studienteilnehmer, die vor Beginn der Nachuntersuchung verloren gingen, übersteigt bei weitem die Zahl der Teilnehmer, die sich mit dem HI-Virus infizierten. Diese Tatsache wirft ernsthafte Zweifel bezüglich der Beweiskraft der Studien auf.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Green | ||
+ | |first=L.W. | ||
+ | |etal=yes | ||
+ | |title=Male circumcision is not the HIV 'vaccine' we have been waiting for! | ||
+ | |journal=Future HIV Ther. | ||
+ | |date=2008 | ||
+ | |volume=2 | ||
+ | |issue=3 | ||
+ | |pages=193-199 | ||
+ | }}</ref> | ||
− | Die Studien wurden vorzeitig abgebrochen. Forschungsergebnisse beweisen, dass solche Studien, die vorzeitig abgebrochen wurden, konsequent die Vorteile der Behandlung überbewerten.<ref>Montori | + | Die Studien wurden vorzeitig abgebrochen. Forschungsergebnisse beweisen, dass solche Studien, die vorzeitig abgebrochen wurden, konsequent die Vorteile der Behandlung überbewerten.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Montori | ||
+ | |first=V.M. | ||
+ | |last2=Devereaux | ||
+ | |first2=P.J. | ||
+ | |last3=Adhikari | ||
+ | |first3=N.K.J. | ||
+ | |etal=yes | ||
+ | |title=Randomized trials stopped early for benefit: a systematic review | ||
+ | |journal=JAMA | ||
+ | |date=2005 | ||
+ | |volume=294 | ||
+ | |pages=2203-2209 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Ioannidis | ||
+ | |first=J.P. | ||
+ | |title=Contradicted and initially stronger effects in highly cited clinical research | ||
+ | |journal=JAMA | ||
+ | |date=2005 | ||
+ | |volume=294 | ||
+ | |pages=218-228 | ||
+ | }}</ref> In zwei dokumentierten Fällen empfahl ein Datenüberwachungskomitee, die Studien vorzeitig zu beenden, da keine Möglichkeit bestünde, dass sich die Abhandlung noch als ineffektiv erweisen könnte. Aber die Studien wurden trotzdem zu Ende geführt.<ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Wheatley | ||
+ | |first=K. | ||
+ | |last2=Clayton | ||
+ | |first2=D. | ||
+ | |title=Be skeptical about unexpected large apparent treatment effects: the case of an MRC AML12 randomization | ||
+ | |journal=Control Clin Trials | ||
+ | |date=2003 | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Slutsky | ||
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+ | |first2=J.V. | ||
+ | |title=Data safety and monitoring boards | ||
+ | |journal=N Engl J Med | ||
+ | |date=2004 | ||
+ | |volume=350 | ||
+ | |pages=1143-1147 | ||
+ | }}</ref> Das Ergebnis dieser Studien war, dass die Behandlung nicht effektiv war. Es ist daher anzunehmen, dass Befunde von Studien, die vorzeitig abgebrochen wurden, nur das vorherrschende Vorurteil der Forscher(gemeinschaft) widerspiegeln. | ||
− | Die Studien wurden von einer massiven Medien- | + | Die Studien wurden von einer massiven Medien-Kampagne begleitet, die diese Schlussfolgerung nahelegt. Verstärkend kommt hinzu, dass die Verantwortlichen der Studien die Verminderung des relativen Risikos von "60 %" betonen, während die tatsächlichen Ergebnisse der fragwürdigen Studie lediglich eine absolute Reduzierung des Risikos um nur 1,3 % belegen, welches unwesentlich ist. |
=== Gebärmutterhalskrebs === | === Gebärmutterhalskrebs === | ||
− | Die These, die Beschneidung senke das Risiko an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist wiederholt widerlegt worden.<ref name="VanHowe2007">Van Howe | + | Die These, die Beschneidung senke das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist wiederholt widerlegt worden.<ref name="VanHowe2007">{{REFjournal |
+ | |last=Van Howe | ||
+ | |first=R.S. | ||
+ | |title=Human papillomavirus and circumcision: A meta-analysis | ||
+ | |journal=J Infect | ||
+ | |volume=54 | ||
+ | |date=2007 | ||
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+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Stern | ||
+ | |first=P. | ||
+ | |last2=Neely | ||
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+ | |title=Cancer of the cervix in reference to circumcision and marital history | ||
+ | |journal=J Am Med Womens Assoc | ||
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+ | }}</ref><ref name="Terris1973"/><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Sumithran | ||
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+ | }}</ref> | ||
Weibliche Partner von beschnittenen Männern weisen keine niedrigere Rate an Gebärmutterhalskrebs auf.<ref name="Terris1973"/> Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2007 fand nach der Auswertung der verfügbaren Literatur keine Unterstützung für die These, dass die Zirkumzision das Risiko für HPV-Infektionen reduziert.<ref name="VanHowe2007"/> | Weibliche Partner von beschnittenen Männern weisen keine niedrigere Rate an Gebärmutterhalskrebs auf.<ref name="Terris1973"/> Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2007 fand nach der Auswertung der verfügbaren Literatur keine Unterstützung für die These, dass die Zirkumzision das Risiko für HPV-Infektionen reduziert.<ref name="VanHowe2007"/> | ||
=== Peniskrebs === | === Peniskrebs === | ||
− | Die Behauptung, die Beschneidung senke das Risiko an Peniskrebs zu erkranken, gilt als widerlegt. Peniskrebs betrifft weniger als 1 aus | + | Die Behauptung, die Beschneidung senke das Risiko, an Peniskrebs zu erkranken, gilt als widerlegt. Peniskrebs betrifft weniger als 1 aus 100.000 Männern und ist daher eine der seltensten Krebserkrankungen überhaupt. Peniskrebs betrifft fast ausschließlich Männer im Greisenalter mit schlechter Intimhygiene. Folglich müssten mehr als 100.000 Jungen beschnitten werden, um einen einzigen Fall von Peniskrebs zu vermeiden. Die Konsequenz ist, dass in den USA jährlich mehr Babys und Jungen an den Folgen der Beschneidung sterben als an Peniskrebs.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Gellis | ||
+ | |first=S.S. | ||
+ | |title=Circumcision | ||
+ | |journal=Am J Dis Child | ||
+ | |date=1978 | ||
+ | |volume=132 | ||
+ | |pages=1168-1169 | ||
+ | }}</ref> | ||
Die Peniskrebsrate in den USA ist höher als in Dänemark, wo die Zirkumzision, mit Ausnahme unter den Immigranten aus dem Mittleren Osten, sehr selten angewandt wird.<ref name="Frisch1995"/> | Die Peniskrebsrate in den USA ist höher als in Dänemark, wo die Zirkumzision, mit Ausnahme unter den Immigranten aus dem Mittleren Osten, sehr selten angewandt wird.<ref name="Frisch1995"/> | ||
=== Harnwegsinfekte === | === Harnwegsinfekte === | ||
− | Die Behauptung, die Beschneidung senke die Wahrscheinlichkeit an Harnwegsinfektionen zu erkranken ist widerlegt.<ref name="Mueller1997">Mueller | + | Die Behauptung, die Beschneidung senke die Wahrscheinlichkeit, an Harnwegsinfektionen zu erkranken, ist widerlegt.<ref name="Mueller1997">{{REFjournal |
+ | |last=Mueller | ||
+ | |first=E.R. | ||
+ | |last2=Steinhardt | ||
+ | |first2=G. | ||
+ | |last3=Naseer | ||
+ | |first3=S. | ||
+ | |title=The incidence of genitourinary abnormalities in circumcised and uncircumcised boys presenting with an initial urinary tract infection by 6 months of age | ||
+ | |journal=Pediatrics | ||
+ | |date=1997-09 | ||
+ | |volume=100 | ||
+ | |page=580 (Ergänzung) | ||
+ | }}</ref><ref name="Chessare1992">{{REFjournal | ||
+ | |last=Chessare | ||
+ | |first=J.B. | ||
+ | |title=Circumcision: Is the Risk of Urinary Tract Infection Really the Pivotal Issue? | ||
+ | |journal=Clinical Pediatrics | ||
+ | |date=1992 | ||
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+ | }}</ref><ref name="Kayaba1996">{{REFjournal | ||
+ | |last=Kayaba | ||
+ | |first=H. | ||
+ | |first2=H. | ||
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+ | |last3=Kitajima | ||
+ | |first3=S. | ||
+ | |etal=yes | ||
+ | |title=Analysis of shape and retractability of the prepuce in 603 Japanese boys | ||
+ | |journal=J Urol | ||
+ | |date=1996 | ||
+ | |volume=156 | ||
+ | |issue=5 | ||
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+ | }}</ref> | ||
− | Harnwegsinfekte sind eine schmerzhafte aber leicht behandelbare Erkrankung. Harnwegsinfekte können meist innerhalb weniger Tage durch Einnahme von Antibiotika therapiert werden.<ref>Ginsburg | + | Harnwegsinfekte sind eine schmerzhafte, aber leicht behandelbare Erkrankung. Harnwegsinfekte können meist innerhalb weniger Tage durch Einnahme von Antibiotika therapiert werden.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Ginsburg | ||
+ | |first=C.M. | ||
+ | |last2=McCracken | ||
+ | |first2=G.H. | ||
+ | |title=Urinary tract infections in young infants | ||
+ | |journal=Pediatrics | ||
+ | |date=1982 | ||
+ | |volume=69 | ||
+ | |pages=409-412 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=McCracken | ||
+ | |first=G.H. | ||
+ | |title=Options in antimicrobial management of urinary tract infections in infants and children | ||
+ | |journal=Pediatr Infect Dis J | ||
+ | |volume=8 | ||
+ | |issue=8 | ||
+ | |date=1989-08 | ||
+ | |pages=552-555 | ||
+ | }}</ref> Das ist bei weitem kürzer als die Wundheilungszeit nach einer Beschneidung, welche in der Regel mehrere Wochen beträgt. Selbst wenn die Behauptung, die Beschneidung mindere das Risiko, an Harnwegsinfekten zu erkranken, stimmte, bedeutete das, dass ein relativ harmloses Leiden mit einer Operation vorbeugend behandelt werden soll, die weit risikoreicher, schmerzhafter und gefährlicher ist als die Krankheit selbst. Von den 603 japanischen Jungen zwischen 0 und 15 Jahren, die von Dr. Hiroyuki Kayaba in einer Studie über die natürliche Entwicklung der Vorhaut untersucht wurden, hatte kein einziger jemals einen Harnwegsinfekt, weder zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Studie noch laut Krankenberichten davor.<ref name="Kayaba1996"/> | ||
− | E. R. Mueller et al. kamen in ihrer US-amerikanischen Studie zu dem Schluss: | + | E.R. Mueller ''et al.'' kamen in ihrer US-amerikanischen Studie zu dem Schluss: |
+ | <blockquote>"Ungeachtet des Beschneidungszustands haben Jungen, welche eine Harnwegsinfektion im Alter von 6 Monaten oder früher aufweisen, mit Wahrscheinlichkeit eine zugrundeliegende Anomalität des Harn- und Geschlechtsapparates. Unter den restlichen Patienten mit normaler zugrundeliegender Anatomie und Harnwegsinfektionen fanden wir genauso viele beschnittene Kinder wie solche, die ihre Vorhaut behalten hatten."<ref name="Mueller1997"/></blockquote> | ||
− | + | Eine Risiko-Nutzen-Analyse von über 36.000 Fällen bezüglich des Risikos, an Harnwegsinfektionen zu erkranken, kam zu dem Ergebnis, dass selbst wenn davon ausgegangen werde, dass keine Säuglinge Komplikationen in Folge der Beschneidung hätten, keine Beschneidung durchzuführen den größten gesundheitlichen Nutzen habe.<ref name="Chessare1992"/> Harnwegsinfekte bei Männern sind selten. Aufgrund der geringen Basiswahrscheinlichkeit ist eine Beschneidung zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen selbst unter der Voraussetzung, die Behauptungen über die "Vorbeugung von Harntraktinfektionen durch Beschneidung" würden stimmen, nicht als notwendig anzusehen.<ref>{{REFjournal | |
− | + | |last=Malone | |
− | Eine Risiko-Nutzen-Analyse von über | + | |first=P. |
+ | |last2=Steinbrecher | ||
+ | |first2=H. | ||
+ | |title=Medical aspects of male circumcision | ||
+ | |journal=BMJ | ||
+ | |date=2007 | ||
+ | |volume=335 | ||
+ | |pages=1206-1209 | ||
+ | |DOI=10.1136/bmj.39385.382708.AD | ||
+ | }}</ref> | ||
== Einfluss auf die Sexualität == | == Einfluss auf die Sexualität == | ||
=== Allgemein === | === Allgemein === | ||
− | Die Vorhaut, nicht die Eichel, ist der empfindsamste Teil des Penis.<ref name="Sorrells2007"/> Im Durchschnitt enthält sie über | + | Die Vorhaut, nicht die Eichel, ist der empfindsamste Teil des Penis.<ref name="Sorrells2007"/> Im Durchschnitt enthält sie über 73 Meter Nervenfasern und über [[20.000 Nervenenden]]. Die Vorhaut ist damit sensibler als die Lippen oder die Fingerspitzen.<ref name="McGrath2001">{{REFbook |
+ | |last=McGrath | ||
+ | |first=K. | ||
+ | |chapter=The frenular delta: a new preputial structure | ||
+ | |editor=Denniston, G.C. / Hodges, F.M. / Milos, M.F. | ||
+ | |title=Understanding Circumcision: A Multi-Disciplinary Approach to a Multi-Dimensional Problem | ||
+ | |location=New York | ||
+ | |publisher=Kluwer/Plenum | ||
+ | |year=2001 | ||
+ | |pages=199-206 | ||
+ | }}</ref> | ||
− | Nach der Beschneidung werden die verbliebenen circa | + | Nach der Beschneidung werden die verbliebenen circa 4.000 Nervenenden der nun permanent entblößten Eichel von einer lebenslang wachsenden Hornhaut bedeckt. Die Sensibilität der Eichel wird somit mit zunehmendem Alter geringer. Für viele Männer spielt die Vorhaut aufgrund ihrer Erogenität eine bedeutende Rolle in ihrem Sexualleben (so ist beispielsweise oft durch ihre alleinige Stimulation ein Orgasmus möglich).<ref>What Intact Men Say (englisch)</ref> Auch eine Beschädigung oder Entfernung des Frenulums im Zuge der Beschneidung kann kritisch betrachtet werden. Wie die Vorhaut besitzt dieser Teil des Penis eine größere Nervendichte als die Eichel<ref name="McGrath2001"/> und ist daher ebenfalls empfindsamer als diese.<ref name="McGrath2001"/><ref>{{REFbook |
+ | |last=Crooks | ||
+ | |first=R. | ||
+ | |last2=Baur | ||
+ | |first2=K. | ||
+ | |title=Our Sexuality | ||
+ | |edition=5 | ||
+ | |location=Redwood City | ||
+ | |publisher=The Benjamin/Cummings Publishing Co. | ||
+ | |year=1993 | ||
+ | |pages=129 | ||
+ | }}</ref> Das Frenulum kann auch bei einigen sexuellen Praktiken wie zum Beispiel Fellatio eine bedeutende Rolle spielen. Dies gilt freilich auch für den besonders dicht mit Nervenenden durchsetzten äußeren Rand der Vorhaut, das sogennante gefurchte Band, das sich am Übergangsbereich von der Haut der äußeren Vorhaut zur Schleimhaut der inneren Vorhaut befindet.<ref name="Taylor 1996"/> | ||
− | Eine US-Studie aus dem Jahre 1999, in der Frauen befragt wurden, die über Erfahrungen sowohl mit beschnittenen als auch unbeschnittenen Sexualpartnern verfügten, zegte | + | Eine US-Studie aus dem Jahre 1999, in der Frauen befragt wurden, die über Erfahrungen sowohl mit beschnittenen als auch unbeschnittenen Sexualpartnern verfügten, zegte, dass die Teilnehmerinnen mehrheitlich Vaginalverkehr mit einem intakten (unbeschnittenen) Penis bevorzugten.<ref name="OHara1999">{{REFjournal |
+ | |last=O'Hara | ||
+ | |first=K. | ||
+ | |last2=O'Hara | ||
+ | |first2=J. | ||
+ | |title=The effect of male circumcision on the sexual enjoyment of the female partner | ||
+ | |journal=BJU Int | ||
+ | |date=1999 | ||
+ | |volume=83 | ||
+ | |issue=Ergänzung 1 | ||
+ | |pages=79-84 | ||
+ | }}</ref> Die Testteilnehmerinnen merkten ferner an, dass ihre intakten männlichen Sexualparter den Geschlechtsverkehr mehr zu genießen schienen als ihre beschnitteten Sexualpartner.<ref name="OHara1999"/> | ||
− | === Neue | + | === Neue europäische Studienergebnisse 2011 === |
Eine umfangreiche dänische Studie, die die sexuellen Auswirkungen der Beschneidung untersuchte, stellte fest, dass die Beschneidung eine Vielzahl sexueller Probleme sowohl für Männer als auch für deren Partnerinnen verursacht. | Eine umfangreiche dänische Studie, die die sexuellen Auswirkungen der Beschneidung untersuchte, stellte fest, dass die Beschneidung eine Vielzahl sexueller Probleme sowohl für Männer als auch für deren Partnerinnen verursacht. | ||
− | Die Studie, bei der über | + | Die Studie, bei der über 5.000 Männer und Frauen untersucht wurden, fand heraus, dass die Beschneidung mit häufigen Orgasmus-Schwierigkeiten bei Männern und einer Vielzahl sexueller Schwierigkeiten bei Frauen vergesellschaftet ist, insbesondere Orgasmus-Schwierigkeiten, Schwierigkeiten mit der Penetration, schmerzhafter Geschlechtsverkehr und ein "Gefühl der unvollständigen Erfüllung der sexuellen Bedürfnisse".<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Frisch | ||
+ | |first=M. | ||
+ | |last2=Lindholm | ||
+ | |first2=M. | ||
+ | |last3=Grønbæk | ||
+ | |first3=M. | ||
+ | |title=Male circumcision and sexual function in men and women: a survey-based, cross-sectional study in Denmark | ||
+ | |journal=Int J Epidemiol. | ||
+ | |date=2011 | ||
+ | |pubmedID=21672947 | ||
+ | }}</ref> | ||
=== Masturbation === | === Masturbation === | ||
− | Die Masturbation ist auch nach einer Beschneidung noch möglich. Abhängig von Art und Umfang der | + | Die Masturbation ist auch nach einer Beschneidung noch möglich. Abhängig von Art und Umfang der Beschneidung kann die Masturbation jedoch erschwert werden. Intakte Männer stimulieren sich während der Masturbation häufig durch das Vor- und Zurückschieben der Vorhaut. Diese Möglichkeit der Stimulation bietet sich beschnittenen Männern, je nachdem, wie viel Haut bei der Beschneidung entfernt wurde, jedoch nur noch eingeschränkt. Besonders bei den radikalen Beschneidungsvarianten kann die direkte Stimulation der trockenen Eichel mit der Hand mitunter als unangenehm bis schmerzhaft empfunden werden. Studien zufolge empfinden Männer, die im erwachsenen Alter beschnitten wurden, die Masturbation nach erfolgter Operation mehrheitlich als weniger vergnüglich und lustvoll.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Kim | ||
+ | |first=D. | ||
+ | |title=Pang The effect of male circumcision on sexuality | ||
+ | |journal=BJU Int | ||
+ | |date=2007 | ||
+ | |volume=99 | ||
+ | |issue=3 | ||
+ | |pages=619-622 | ||
+ | |DOI=10.1111/j.1464-410X.2006.06646.x | ||
+ | }}</ref> | ||
=== Geschichte der Beschneidung zur Verringerung des sexuellen Vergnügens und der Masturbation === | === Geschichte der Beschneidung zur Verringerung des sexuellen Vergnügens und der Masturbation === | ||
− | Von Beschneidungsbefürwortern wird die Behauptung vertreten, dass | + | Von Beschneidungsbefürwortern wird die Behauptung vertreten, dass sich die Beschneidung nicht auf die Sexualität auswirke. Die Behauptung, die Beschneidung wirke sich nicht negativ auf die Sexualität aus, ist jedoch relativ neu. Die routinemäßige Beschneidung von Kindern und Säuglingen in der angelsächsischen Welt wurde aus genau diesem Grund eingeführt: als Strafe oder zur Vorbeugung der Masturbation und zur allgemeinen Verminderung der sexuellen Lustempfindung von Jungen und Männern. Die Tatsache, dass die Zirkumzision sehr wohl einen negative Auswirkung auf die Sexualität haben kann, wurde in den medizinischen Literatur bereits 1900 hervorgehoben: |
− | <blockquote>"Schließlich scheint die Zirkumzision die Macht der sexuellen Beherrschung zu erhöhen. Der einzige physiologische Vorteil, den die Vorhaut vielleicht verleiht, ist, dass sie den Penis in einem Zustand erhält, in dem er empfindlicher gegenüber intensiveren Empfindungen ist, als es andernfalls der Fall wäre. Sie steigert vielleicht die Lust beim Geschlechtsverkehr und den Trieb dafür. Aber das sind Vorteile, welche im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft gut entbehrt werden können. Wenn durch ihren Verlust eine Zunahme der sexuellen Beherrschung resultiert, sollte man dankbar sein."<ref>Our London Letter | + | <blockquote>"Schließlich scheint die Zirkumzision die Macht der sexuellen Beherrschung zu erhöhen. Der einzige physiologische Vorteil, den die Vorhaut vielleicht verleiht, ist, dass sie den Penis in einem Zustand erhält, in dem er empfindlicher gegenüber intensiveren Empfindungen ist, als es andernfalls der Fall wäre. Sie steigert vielleicht die Lust beim Geschlechtsverkehr und den Trieb dafür. Aber das sind Vorteile, welche im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft gut entbehrt werden können. Wenn durch ihren Verlust eine Zunahme der sexuellen Beherrschung resultiert, sollte man dankbar sein."<ref>{{REFjournal |
+ | |title=Our London Letter | ||
+ | |journal=Medical World | ||
+ | |date=1900 | ||
+ | |volume=77 | ||
+ | |pages=707-708 | ||
+ | }}</ref></blockquote> | ||
Im gleichen Jahr wurde in der Lancet folgendes veröffentlicht: | Im gleichen Jahr wurde in der Lancet folgendes veröffentlicht: | ||
− | <blockquote>"Es wurde als Argument gegen die universelle Übernahme der Zirkumzisionen vorgebracht, dass die Entfernung der schützenden Bedeckung der Eichel dazu neigt die Sensibilität dieses überaus empfindlichen Struktur abzustumpfen, und dabei das sexuelle Verlangen und die lustbringenden Wirkung des Koitus zu verringern. Zugegeben, das ist | + | <blockquote>"Es wurde als Argument gegen die universelle Übernahme der Zirkumzisionen vorgebracht, dass die Entfernung der schützenden Bedeckung der Eichel dazu neigt, die Sensibilität dieses überaus empfindlichen Struktur abzustumpfen, und dabei das sexuelle Verlangen und die lustbringenden Wirkung des Koitus zu verringern. Zugegeben, das ist wahr, aber meine Antwort ist, was auch immer der Fall in längst vergangenen Tagen gewesen sein mag, Sinnlichkeit braucht in unserer Zeit weder Peitsche noch Sporen, sondern wäre um einiges besser durch einen etwas unsichtigeren Gebrauch der Zügel und des Overcheck."<ref>{{REFjournal |
+ | |first=E. Harding | ||
+ | |last=Freeland | ||
+ | |author-link=E. Harding Freeland | ||
+ | |title=Circumcision as a Preventive of Syphilis and Other Disorders | ||
+ | |journal=The Lancet | ||
+ | |volume=2 | ||
+ | |date=1900-12-29 | ||
+ | |pages=1869-1871 | ||
+ | }}</ref></blockquote> | ||
Im darauffolgenden Jahr bemerkte der Arzt Ernest G. Mark im American Practioner and News: | Im darauffolgenden Jahr bemerkte der Arzt Ernest G. Mark im American Practioner and News: | ||
− | <blockquote>"Ein weiterer Vorteil der Zirkumzisionen ist die verringerte Anfälligkeit zur Masturbation. Eine lange Vorhaut ist reizend per se, da diese mehr Manipulation des Geschlechtsteils während des Bades notwendig macht. Das verleitet das Kind dazu mit diesen Teilen zu hantieren, und in aller Regel | + | <blockquote>"Ein weiterer Vorteil der Zirkumzisionen ist die verringerte Anfälligkeit zur Masturbation. Eine lange Vorhaut ist reizend per se, da diese mehr Manipulation des Geschlechtsteils während des Bades notwendig macht. Das verleitet das Kind dazu, mit diesen Teilen zu hantieren, und in aller Regel werden lustvolle Empfindungen durch diese extrem empfindliche Schleimhaut ausgelöst, was zur Manipulation und Masturbation führt. Die Entblößung der Eichel infolge der Zirkumzision verringert die Empfindlichkeit des Organs. Es obliegt daher dem Arzt, dem Familienberater in Fragen der Hygiene und der Medizin, ihre Akzeptanz voranzutreiben."<ref>{{REFjournal |
+ | |first=Ernest G. | ||
+ | |last=Mark | ||
+ | |title=Circumcision | ||
+ | |journal=American Practitioner and News | ||
+ | |volume=31 | ||
+ | |date=1901 | ||
+ | |pages=121-126 | ||
+ | }}</ref></blockquote> | ||
Im Jahr 1915 riet L.W. Wuesthoff in der Medical World: | Im Jahr 1915 riet L.W. Wuesthoff in der Medical World: | ||
− | <blockquote>"Die Zirkumzision reduziert nicht nur die Irritabilität des Penis, sondern auch die sogenannte Leidenschaft, auf die so viele verheiratete Männer so extrem stolz sind, zum Nachteil ihrer Frauen und ihres Ehelebens. Viele Vergewaltigungen durch Jugendliche könnten vermieden werden, auch viele Trennungen und Scheidungen, und viele unglücklichen Ehen verbessert werden, wenn diese widernatürliche Leidenschaft durch eine rechtzeitige Zirkumzision beseitigt würde."<ref>L. W. Wuesthoff | + | <blockquote>"Die Zirkumzision reduziert nicht nur die Irritabilität des Penis, sondern auch die sogenannte Leidenschaft, auf die so viele verheiratete Männer so extrem stolz sind, zum Nachteil ihrer Frauen und ihres Ehelebens. Viele Vergewaltigungen durch Jugendliche könnten vermieden werden, auch viele Trennungen und Scheidungen, und viele unglücklichen Ehen verbessert werden, wenn diese widernatürliche Leidenschaft durch eine rechtzeitige Zirkumzision beseitigt würde."<ref>{{REFjournal |
+ | |first=L.W. | ||
+ | |last=Wuesthoff | ||
+ | |title=Benefits of Circumcision | ||
+ | |journal=Medical World | ||
+ | |volume=33 | ||
+ | |date=1915 | ||
+ | |page=434 | ||
+ | }}</ref></blockquote> | ||
− | Sogar noch im Jahr 1935 schrieb R. W. Cockshut: | + | Sogar noch im Jahr 1935 schrieb R.W. Cockshut: |
− | <blockquote>"Ich empfehle, dass alle männlichen Kinder beschnitten werden. Das ist "wider die Natur" aber das ist genau der Grund, warum es getan werden sollte. Die Natur sieht vor, dass der adoleszente Junge so oft und so proskuitiv wie möglich kopuliert und aus diesem Grund bedeckt sie seine Eichel, sodass sie immer fähig ist Reize zu empfangen. Die Zivilisation dagegen gebietet Keuschheit, und die Eichel des Beschnittenen nimmt schnell eine lederartige Textur an, die weniger empfindlich als Haut ist."<ref>R. W. Cockshut | + | <blockquote>"Ich empfehle, dass alle männlichen Kinder beschnitten werden. Das ist "wider die Natur", aber das ist genau der Grund, warum es getan werden sollte. Die Natur sieht vor, dass der adoleszente Junge so oft und so proskuitiv wie möglich kopuliert und aus diesem Grund bedeckt sie seine Eichel, sodass sie immer fähig ist, Reize zu empfangen. Die Zivilisation dagegen gebietet Keuschheit, und die Eichel des Beschnittenen nimmt schnell eine lederartige Textur an, die weniger empfindlich als Haut ist."<ref>{{REFjournal |
+ | |first=R.W. | ||
+ | |last=Cockshut | ||
+ | |title=Circumcision | ||
+ | |journal=British Medical Journal | ||
+ | |volume=2 | ||
+ | |date=1935 | ||
+ | |page=764 | ||
+ | }}</ref></blockquote> | ||
== Kritik an der Beschneidung männlicher Minderjähriger == | == Kritik an der Beschneidung männlicher Minderjähriger == | ||
+ | Die Beschneidung von Jungen ist weiter verbreitet als die Beschneidung von Mädchen. In keiner Kultur findet eine weibliche Beschneidung (die je nach Art der Beschneidung auch als Verstümmelung bezeichnet wird) statt, in der nicht auch die Jungen diesem Ritual unterworfen sind. In vielen Kulturen, welche die männliche Beschneidung praktizieren, gelten der Eingriff und das damit verbundene Ritual als Eintritt in das Erwachsenendasein und zur Heiratsfähigkeit. Die Beschneidung von Jungen stellt objektiv eine körperliche Verletzung dar, die ohne Betäubung starke Schmerzen verursacht und in Ausnahmefällen dauerhafte Schäden oder gar den Tod nach sich ziehen kann.<ref>OLG Frankfurt a.M.: Beschluss vom 21. August 2007, Az. 4 W 12/07, S. 8 der anonymisierten Originalentscheidung</ref> In Ländern der Dritten Welt, etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien wird die Beschneidung jedoch in den seltensten Fällen mit Betäubung und sterilisierten chirurgischen Instrumenten vorgenommen. | ||
− | + | 2008 wurde als gemeinsame internationale Kampagne der beschneidungskritischen Gruppen [[NORM-UK]] (National Organization of Restoring Men) und [[FORWARD]] (Foundation for Women's Health, Research and Development), die sich jahrelang getrennt nach Geschlechtern gegen Beschneidung Minderjähriger engagierten, die gemeinsame Initiative "[[Genital Autonomy]]" gestartet, die sich gegen jede Art der Genitalbeschneidung von Jungen oder Mädchen richtet, die nicht medizinisch erforderlich ist.<ref>Genders Unite for Genital Autonomy - It's a Personal Choice; London, 3. September 2008 (englisch)</ref></ref> | |
− | |||
− | 2008 wurde | ||
== Vergleich zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung == | == Vergleich zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung == | ||
− | + | Die Beschneidung weiblicher Genitalien oder auch Weibliche Genitalverstümmelung wird nach westlichem Verständnis üblicherweise im Kontrast zur Zirkumzision gesehen und klar von dieser unterschieden. Während die Beschneidung des Mannes als kleine, ungefährliche Routineoperation mit vernachlässigbaren Risiken und gesundheitlichen wie sexuellen Vorteilen gesehen wird, wird die Beschneidung der Frau als riskanter sowie Gesundheit und Sexualität einschränkender Eingriff gewertet.<ref name="Darby2007">{{REFjournal | |
− | Die Beschneidung weiblicher Genitalien oder auch Weibliche Genitalverstümmelung wird nach westlichem Verständnis üblicherweise im Kontrast zur Zirkumzision gesehen und klar von dieser unterschieden. Während die Beschneidung des Mannes als kleine, ungefährliche Routineoperation mit vernachlässigbaren Risiken und gesundheitlichen wie sexuellen Vorteilen gesehen wird | + | |last=Darby |
+ | |first=R. | ||
+ | |last2=Svoboda | ||
+ | |first2=J.S. | ||
+ | |title=A Rose by any other Name: Rethinking the Similarities and Differences between Male and Female Genital Cutting | ||
+ | |journal=Med Anthropol Q | ||
+ | |date=2007 | ||
+ | |volume=21 | ||
+ | |pages=301-323 | ||
+ | }}</ref> Beide Sichtweisen werden zunehmend kritisiert und somit eine klare Abgrenzung beider Eingriffe in Frage gestellt. Entsprechend wird die unterschiedliche politische Positionierung gegenüber beiden Eingriffen kritisiert: Während die männliche Beschneidung in den meisten westlichen Ländern toleriert und mitunter empfohlen wird, findet eine Kriminalisierung der weiblichen Variante statt. Die unterschiedliche Bewertung wird als Ausdruck einer Doppelmoral und westlich-neokolonialen Haltung kritisiert.<ref name="Darby2007"/><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Tzu-Ying | ||
+ | |first=Teresa Lii | ||
+ | |date=2009 | ||
+ | |title=Cultural and Medical Interplay in Shaping Contemporary Views on Circumcision | ||
+ | |journal=Tuftscope Interdiciplinary Journal of Health Ethics and Policy | ||
+ | |volume=8 | ||
+ | |issue=2 | ||
+ | }}</ref> | ||
== Rechtslage in Deutschland == | == Rechtslage in Deutschland == | ||
+ | Gemäß der herrschenden Meinung deutscher Juristen stellt die Zirkumzision ohne zwingende medizinische Notwendigkeit auch bei ausdrücklicher schriftlicher Einwilligung der Eltern eine vorsätzliche Körperverletzung dar.<ref name="Putzke2008">{{REFbook | ||
+ | |last=Putzke | ||
+ | |first=Holm | ||
+ | |chapter=Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben. Zugleich ein Beitrag über die Grenzen der Einwilligung in Fällen der Personensorge | ||
+ | |title=Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008 | ||
+ | |location=Tübingen | ||
+ | |year=2008 | ||
+ | |pages=669-709 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Stehr | ||
+ | |first=Maximilian | ||
+ | |author-link=Maximilian Stehr | ||
+ | |last2=Putzke | ||
+ | |first2=Holm | ||
+ | |author2-link=Holm Putzke | ||
+ | |last3=Dietz | ||
+ | |first3=Hans-Georg | ||
+ | |title=Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Jungen: strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung | ||
+ | |journal=Deutsches Ärzteblatt | ||
+ | |date=2008 | ||
+ | |pages=1778-1780 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Putzke | ||
+ | |first=Holm | ||
+ | |author-link=Holm Putzke | ||
+ | |title=Rechtliche Grenzen der Zirkumzision bei Minderjährigen. Zur Frage der Strafbarkeit des Operateurs nach § 223 des Strafgesetzbuches | ||
+ | |journal=Medizinrecht (MedR) | ||
+ | |date=2008 | ||
+ | .|pages=268-272 | ||
+ | }}</ref> | ||
− | + | Die Beschneidung als Körperverletzung nach § 223 StGB ist auch dann strafbar, wenn die Personensorgeberechtigten der Beschneidung zugestimmt haben. Denn diese Einwilligung ist unwirksam, da der Eingriff nach der deutschen Rechtsordnung nicht dem „Wohl des Kindes“ § 1627 Satz 1 BGB entspricht, den Personensorgeberechtigten also die Verfügungsgewalt über das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit fehlt.<ref name="Putzke2008"/><ref>{{REFjournal | |
− | + | |last=Jerouschek | |
− | + | |first=Günter | |
+ | |title=Beschneidung und das deutsche Recht. Historische, medizinische, psychologische und juristische Aspekte | ||
+ | |journal=Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) | ||
+ | |date=2008 | ||
+ | |pages=313-319 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Herzberg | ||
+ | |first=Rolf Dietrich | ||
+ | |author-link=Rolf Dietrich Herzberg | ||
+ | |title=Rechtliche Probleme der rituellen Beschneidung | ||
+ | |journal=Juristenzeitung (JZ) | ||
+ | |date=2009 | ||
+ | |pages=332-339 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFjournal | ||
+ | |last=Herzberg | ||
+ | |first=Rolf Dietrich | ||
+ | |author-link=Rolf Dietrich Herzberg | ||
+ | |title=Religionsfreiheit und Kindeswohl. Wann ist die Körperverletzung durch Zirkumzision gerechtfertigt? | ||
+ | |journal=ZIS | ||
+ | |date=2010 | ||
+ | |pages=471ff | ||
+ | }}</ref> | ||
− | Dementsprechend entschied das Landgericht Köln im Mai 2012 in einem vielbeachteten Urteil, dass auch die Beschneidung eines minderjährigen Jungen aus religiösen Gründen den Straftatbestand der Körperverletzung erfülle. | + | Dementsprechend entschied das Landgericht Köln im Mai 2012 in einem vielbeachteten [[Kölner Beschneidungsurteil|Urteil]], dass auch die Beschneidung eines minderjährigen Jungen aus religiösen Gründen den Straftatbestand der Körperverletzung erfülle.<ref>Köln, Urt. vom 07.05.2012 - 151 Ns 169/11</ref> Nachdem daraufhin eine [[Beschneidungsdebatte|breite Diskussion]] der Zirkumzision aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, erfolgte eine gesetzliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die die Zirkumzision Minderjähriger explizit legalisieren soll.<ref>{{REFnews |
+ | |last=Anonym | ||
+ | |title=Bundestag billigt Gesetz zur Beschneidung | ||
+ | |publisher=F.A.Z. | ||
+ | |date=2020-12-12 | ||
+ | }}</ref><ref name="BVKJ2012">{{REFdocument | ||
+ | |title=Stellungnahme zum Beschneidungs-Gesetz | ||
+ | |publisher=Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte | ||
+ | |date=2012 | ||
+ | }}</ref> Seitens Kinderärzteverbänden, Kinderrechtsorganisationen, Humanistenverbänden, Frauenrechtsverbänden und Verbänden von Missbrauchsopfern wurde diese gesetzliche Regelung scharf kritisiert.<ref name="BVKJ2012"/><ref>{{REFdocument | ||
+ | |title=Beschneidungsgesetz hebelt Kinderrechte aus - Gesetzgeberischer Schnellschuss mit schweren handwerklichen Mängeln | ||
+ | |publisher=Deutsche Kinderhilfe, Berlin | ||
+ | |date=2012-12-12 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFdocument | ||
+ | |title=TERRE de FEMMES gegen Jungenbeschneidung | ||
+ | |publisher=Terre de Femmes e.V. | ||
+ | |contribution=Dossier zum Thema | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFdocument | ||
+ | |title=Ein schwarzer Tag für Kinderrechte. Pressemitteilung | ||
+ | |publisher=Terre des Femmes und MOGiS e.V. | ||
+ | |date=2012-12-12 | ||
+ | }}</ref></ref><ref>{{REFdocument | ||
+ | |title=Kinderrechtskampagne gegen Zwangsbeschneidung gestartet | ||
+ | |contribution=Sonder-Newsletter | ||
+ | |publisher=Giordano-Bruno-Stiftung | ||
+ | |date=2012-08-22 | ||
+ | }}</ref><ref>{{REFweb | ||
+ | |url=http://www.pro-kinderrechte.de | ||
+ | |title=Webseite zur Zirkumzision und dem Beschneidungsgesetz | ||
+ | |publisher=Giordano-Bruno-Stiftung | ||
+ | }}</ref> Eine breite Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnte die gesetzliche Regelung zur Zirkumzision Minderjähriger ebenfalls ab ab.<ref>{{REFnews | ||
+ | |last=Anonym | ||
+ | |title=Mehrheit der Deutschen gegen Beschneidungsgesetz | ||
+ | |publisher=Spiegel Online | ||
+ | |date=2012-12</ref> | ||
== Situation in anderen Ländern == | == Situation in anderen Ländern == | ||
=== Großbritannien === | === Großbritannien === | ||
− | In Großbritannien erschien 1949 im British Medical Journal die Abhandlung The Fate of the Foreskin von Douglas Gairdner, die zum ersten Mal die Funktionen der Vorhaut beschrieb und die routinemäßige Beschneidung als überflüssig und nachteilig darstellte. Auch das 1948 gegründete staatliche Gesundheitssystem, der National Health Service, übernahm keine Kosten für routinemäßige Zirkumzisionen. In der Folge sanken die Raten der routinemäßigen Beschneidung in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit drastisch von ursprünglich rund 30% in den 1930ern und noch circa 20% Ende der 1940er Jahre auf heute unter 0,5 %. Allerdings gelten Gairdners Werte über die Entwicklung der Zurückziehbarkeit der Vorhaut heute als widerlegt.<ref>Denniston | + | In Großbritannien erschien 1949 im British Medical Journal die Abhandlung "The Fate of the Foreskin" von [[Douglas Gairdner]], die zum ersten Mal die Funktionen der Vorhaut beschrieb und die routinemäßige Beschneidung als überflüssig und nachteilig darstellte. Auch das 1948 gegründete staatliche Gesundheitssystem, der National Health Service, übernahm keine Kosten für routinemäßige Zirkumzisionen. In der Folge sanken die Raten der routinemäßigen Beschneidung in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit drastisch von ursprünglich rund 30 % in den 1930ern und noch circa 20 % Ende der 1940er Jahre auf heute unter 0,5 %. Allerdings gelten Gairdners Werte über die Entwicklung der Zurückziehbarkeit der Vorhaut heute als widerlegt.<ref>{{REFjournal |
+ | |last=Denniston | ||
+ | |first=G.C. | ||
+ | |author-link=George C. Denniston | ||
+ | |title=Gairdner was wrong | ||
+ | |journal=Can Fam Physician | ||
+ | |date=2010 | ||
+ | |volume=56 | ||
+ | |issue=10 | ||
+ | |pages=986-987 | ||
+ | }}</ref> | ||
1996 ist in den Richtlinien der British Medical Association unter „Beschneidung männlicher Neugeborener“ zu lesen: | 1996 ist in den Richtlinien der British Medical Association unter „Beschneidung männlicher Neugeborener“ zu lesen: | ||
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<blockquote>„Aus therapeutischen Gründen zu beschneiden, obwohl die medizinische Forschung bewiesen hat, dass andere Methoden zumindest genauso effektiv und weniger invasiv sind, wäre unethisch und unangemessen.“</blockquote> | <blockquote>„Aus therapeutischen Gründen zu beschneiden, obwohl die medizinische Forschung bewiesen hat, dass andere Methoden zumindest genauso effektiv und weniger invasiv sind, wäre unethisch und unangemessen.“</blockquote> | ||
− | <blockquote>„In der Vergangenheit | + | <blockquote>„In der Vergangenheit wurde die Zirkumzision von Jungen als entweder medizinisch oder sozial vorteilhaft angesehen, oder zumindest als neutral. Die allgemeine Ansicht war, das dem Kind kein signifikanter Schaden zugefügt werde und deshalb die Beschneidung mit angemessener Zustimmung durchgeführt werden könnte. Die medizinischen Vorteile, die ehemals vorgebracht wurden, wurden nie auf überzeugende Weise nachgewiesen, und es ist nun weithin anerkannt, einschließlich von der BMA, dass dieses chirurgische Verfahren medizinische und psychologischen Risiken mit sich bringt. Es ist essentiell, dass Ärzte männliche Zirkumzisionen ausschließlich in Fällen durchführen, wo es nachgewiesenermaßen im besten Interesse des Kindes ist. Die Verantwortung, nachzuweisen, dass nicht-therapeutische Zirkumzision im besonderen Interesse des Kindes ist, fällt an die Eltern. Die BMA vertritt die Auffassung, dass das Beweismaterial bezüglich gesundheitlicher Vorteile der nicht-therapeutischen Zirkumzision unzureichend ist, um alleine eine Rechtfertigung für diesen Eingriff darzustellen.“</blockquote> |
=== Schweden === | === Schweden === | ||
Zeile 1.079: | Zeile 1.828: | ||
=== Niederlande === | === Niederlande === | ||
− | In den Niederlanden, erklärte 2010 die Royal Dutch Medical Association (KNMG) (dt. etwa Königlich Niederländischer Ärzteverband), dass die nicht-therapeutische Beschneidung von Jungen | + | In den Niederlanden, erklärte 2010 die Royal Dutch Medical Association (KNMG) (dt. etwa Königlich Niederländischer Ärzteverband), dass die nicht-therapeutische Beschneidung von Jungen das "Recht des Kindes auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit verletzt". Sie riefen Ärzte dazu auf, Sorgeberechtigten, die den Eingriff verlangten, über die medizinischen und psychologischen Risiken des Eingriffs und das Fehlen von medizinischen Vorteilen zu informieren. Sie erklärten ferner, dass es gute Gründe für ein Verbot der männlichen Beschneidung gebe, wie bereits für die Beschneidung weiblicher Genitalien besteht.<ref>{{REFdocument |
+ | |title=Non-therapeutic circumcision of male minors | ||
+ | |location=Utrecht | ||
+ | |publisher=Royal Dutch Medical Association | ||
+ | |date=2010 | ||
+ | }}</ref> | ||
− | * Es gibt keine überzeugenden Beweise, dass die Zirkumzision | + | * Es gibt keine überzeugenden Beweise, dass die Zirkumzision nutzbringend oder notwendig sei, was die Hygiene oder Prävention von Krankheiten betrifft. |
− | * Teilweise in Anbetracht der Komplikationen, welche während oder nach der Zirkumzision entstehen können, ist die Zirkumzision nicht zu rechtfertigen, außer aus medizinischen oder therapeutischen Gründen. Insofern, dass medizinische Vorteile bestehen, so wie ein | + | * Teilweise in Anbetracht der Komplikationen, welche während oder nach der Zirkumzision entstehen können, ist die Zirkumzision nicht zu rechtfertigen, außer aus medizinischen oder therapeutischen Gründen. Insofern, dass medizinische Vorteile bestehen, so wie ein behauptetes reduziertes Risiko der HIV-Infektion, ist es vernünftig, die Zirkumzision auf ein Alter zu verschieben, in dem ein solches Risiko relevant ist und der Junge/Mann sich selbst für diesen Eingriff entscheiden oder geeignete Alternativen wählen kann. |
− | * Im Gegensatz | + | * Im Gegensatz zu dem, was gemeinhin angenommen wird, bringt die Zirkumzision das Risiko von medizinischen und psychologischen Komplikationen mit sich. |
− | * Die häufigsten Komplikationen sind Blutungen, Infektionen, Meatusstenosen | + | * Die häufigsten Komplikationen sind Blutungen, Infektionen, Meatusstenosen und Herzattacken. Partielle oder komplette Penisamputationen als Folge von Komplikationen der Zirkumzisionen wurden auch dokumentiert, genauso wie psychologische Probleme infolge der Zirkumzision. |
− | * Die nicht therapeutische Zirkumzision von männlichen Minderjährigen steht im Gegensatz zum Grundsatz, dass Minderjährige nur medizinischen Behandlungen unterzogen werden dürfen, wenn Krankheiten oder | + | * Die nicht-therapeutische Zirkumzision von männlichen Minderjährigen steht im Gegensatz zum Grundsatz, dass Minderjährige nur medizinischen Behandlungen unterzogen werden dürfen, wenn Krankheiten oder Anomalien vorhanden sind, oder wenn überzeugend nachgewiesen werden kann, das der medizinische Eingriff im Interesse des Kindes ist, wie im Falle von Schutzimpfungen. |
* Die nicht-therapeutische Zirkumzision verletzt das Recht männlicher Minderjähriger auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. | * Die nicht-therapeutische Zirkumzision verletzt das Recht männlicher Minderjähriger auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. | ||
− | * Die KNMG ruft die Ärzte dazu auf, die Eltern/ Sorgeberechtigten, die erwägen ihre minderjährigen Kinder ohne medizinische Begründung beschneiden zu lassen, explizit über das Risiko für Komplikationen und das Fehlen von überzeugenden medizinischen Vorteilen zu informieren. Die Tatsache, dass die Beschneidung ein medizinisch | + | * Die KNMG ruft die Ärzte dazu auf, die Eltern/Sorgeberechtigten, die erwägen, ihre minderjährigen Kinder ohne medizinische Begründung beschneiden zu lassen, explizit über das Risiko für Komplikationen und das Fehlen von überzeugenden medizinischen Vorteilen zu informieren. Die Tatsache, dass die Beschneidung ein medizinisch nicht notwendiger Eingriff mit einem realen Risiko von Komplikationen ist, macht die Qualität dieser Beratung besonders wichtig. Der Arzt muss die informierte Zustimmung in den medizinischen Unterlagen vermerken. |
* Die KNMG respektiert die tiefen religiösen, symbolischen und kulturellen Gefühle, welche die Praktik der nicht-therapeutischen Zirkumzision umgeben. | * Die KNMG respektiert die tiefen religiösen, symbolischen und kulturellen Gefühle, welche die Praktik der nicht-therapeutischen Zirkumzision umgeben. | ||
− | * Die KNMG ruft zu einem Dialog zwischen Ärzteorganisationen, Experten und religiösen Gruppen auf um das Problem der nicht-therapeutischen Zirkumzision auf die Agenda zu setzen und es schließlich so stark wie möglich einzuschränken | + | * Die KNMG ruft zu einem Dialog zwischen Ärzteorganisationen, Experten und religiösen Gruppen auf, um das Problem der nicht-therapeutischen Zirkumzision auf die Agenda zu setzen und es schließlich so stark wie möglich einzuschränken. |
* Es gibt gute Gründe für ein rechtliches Verbot der nicht-therapeutischen Zirkumzision von männlichen Minderjährigen, wie es bereits für die weibliche Genitalverstümmelung existiert. | * Es gibt gute Gründe für ein rechtliches Verbot der nicht-therapeutischen Zirkumzision von männlichen Minderjährigen, wie es bereits für die weibliche Genitalverstümmelung existiert. | ||
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− | * Neugeborenenbeschneidung (Beschneidung mit einer Gomco- | + | * Neugeborenenbeschneidung (Beschneidung mit einer Gomco-Klemme) |
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Version vom 23. März 2020, 10:55 Uhr
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Zirkumzision
Eine operative Entfernung der Vorhaut nennt man umgangssprachlich Beschneidung, der Fachterminus lautet Zirkumzision (neue Schreibung) oder auch Circumcision. Die Gründe zur Zirkumzision sind neben medizinischen Indikationen häufig kultureller Natur.
Die Zirkumzision ist eine kontrovers diskutierte Operation. Es herrscht innerhalb der Ärzteschaft wachsender Konsens darüber, dass die Zirkumzision negative Auswirkungen auf das sexuelle Lustempfinden und die sexuelle Funktion hat,[1] durch medizinische Mythen ohne medizinwissenschaftliche Grundlage gerechtfertigt wird,[2] und mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet ist.[2][3]
Inhaltsverzeichnis
- 1 Geschichte
- 2 Säuglingsbeschneidung
- 3 Operationstechnik
- 4 Indikation
- 5 Die Vorhaut
- 6 Zurückstreifen der Vorhaut
- 7 Industrielle Bedeutung der Zirkumzision
- 8 Verluste durch die Zirkumzision
- 9 Pflege der Vorhaut
- 10 Verbreitung der Zirkumzision
- 11 Nachteile der Zirkumzision
- 12 Risiken und Komplikationen
- 13 Hygienische und gesundheitlich-präventive Motive
- 14 Einfluss auf die Sexualität
- 15 Kritik an der Beschneidung männlicher Minderjähriger
- 16 Vergleich zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung
- 17 Rechtslage in Deutschland
- 18 Situation in anderen Ländern
- 19 Weblinks
- 20 Hinweise
- 21 Einzelnachweise
Geschichte
Unterschiedlichste Hypothesen wurden über den Ursprung der Zirkumzision aufgestellt. So entstand die Beschneidung unterschiedlichen Annahmen zufolge ursprünglich als ein religiöses Opfer zur Sicherung der Fruchtbarkeit, als Inkarnationsritus, als Versuch, die Männlichkeit zu betonen, oder als Mittel zur Demütigung von besiegten Feinden und Sklaven,[4] oder als Hygienemaßnahme.[4] Der australische Medizinhistoriker Robert Darby beschreibt diese Theorien als "widersprüchlich" und erklärt:
"Die einzige Übereinkunft unter den Vertretern der verschiedenen Theorien besteht darin, dass die Förderung der Gesundheit nichts damit zu tun hat."[4]
Immerman et al. behaupten, dass die Zirkumzision das sexuelle Vergnügen bei pubertierenden Jungen verringert, was einen Wettbewerbsvorteil für Stämme dargestellt habe, die die Zirkumzision praktizierten, was zur Ausbreitung der Zirkumzision geführt habe.[5] Wilson glaubt, dass die Zirkumzision eine Hingabe an eine Gruppe repräsentiere, und vielleicht einen evolutionären Zweck erfülle, indem sie außerehelichen Geschlechtsverkehr verringerte.[6]
Westliche Länder haben keine Beschneidungstradition. In der Antike brachte die Ausdehnung des römischen Reiches Westler in Berührung mit Völkern aus dem Mittleren Osten, von denen einige ihrer Kinder sich durch Zirkumzision oder andere Genitaloperation kennzeichneten. Um diese Kinder zu beschützen, erließen die Römer Verbote gegen die Zirkumzision.[7] Über die Jahrhunderte erließ die Katholische Kirche mehrere ähnliche Gesetze.[8][9]
In der Geschichte der Medizin wurde keiner medizinischen Prozedur die Heilung oder Vorbeugung einer größeren Anzahl Krankheiten zugeschrieben. Noch in den 1970er Jahren priesen führende amerikanische Lehrbücher der Urologie die Routine-Beschneidung als eine legitime Präventionsmaßnahme gegen Selbstbefriedigung an.[10]
Nicht-religiöse Zirkumzision in der englischsprachigen Welt
Aufstieg der "prophylaktischen" Beschneidung im 19. Jahrhundert
Moses Maimonides nannte bereits im Mittelalter einen weiteren Grund für die Beschneidung: Die Geschlechtsorgane sollten so verletzt und geschwächt werden, dass sie zwar noch funktionieren, aber keine „überschüssige“ Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.[11]
Diese sexualfeindliche Begründung für die Beschneidung wurde im 18. Jahrhundert in Europa wiederentdeckt. So empfahl der Schweizer Arzt Simon-Auguste Tissot die Beschneidung von Jungen wie auch von Mädchen als Kur gegen Masturbation, die er als Ursache für „jugendliche Rebellion“ und Krankheiten wie Epilepsie, „Erweichung von Körper und Geist“, Hysterie und Neurosen ansah. Zu einer allgemeinen Einführung der Beschneidung in Europa kam es dennoch nicht, stattdessen wurden, neben der Methode der Infibulation, aus heutiger Sicht merkwürdige Apparaturen und Vorrichtungen zur Verhinderung der Masturbation propagiert.
In den angelsächsischen Ländern jedoch führte diese Sexualfeindlichkeit und besonders die weit verbreitete Masturbationshysterie letztlich dazu, dass sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts und verstärkt am Ende des 19.Jahrhunderts die Praxis der nicht-medizinischen Zirkumzision von Jungen und männlichen Säuglingen zunehmende Verbreitung fand.
Genauer war die Vorbeugung und Eindämmung der Masturbation unter Jungen, die im in der viktorianischen Gesellschaft als schädlich angesehen wurde, die Hauptmotivation für die Einführung und Verbreitung der Zirkumzision. So propagierten führende Mediziner, dass Jungen als Vorbeugungsmaßnahme gegen die Masturbation oder als Strafe dafür beschnitten werden sollten.[12][13] Von England aus, wo die routinemäßige Zirkumzision bis zu ihrem Niedergang nach dem Zweiten Weltkrieg nur auf die britische Oberschicht begrenzt blieb, wurde die Praxis der Routine-Zirkumzision in Vereinigten Staaten, Australien, Neuseeland und die englischsprachigen Bevölkerungsteile Kanadas und Südafrikas exportiert. In diesen eher egalitär ausgerichteten Gesellschaften Kanadas, der USA, und Australiens mit ihren, im Vergleich zu Großbritannien, schwach ausgeprägten Klassenbewusstsein verbreitete sich die Beschneidungspraktik auch jenseits der Oberklasse.
Universelle Verbreitung hatte die routinemäßige Zirkumzision in den 1940ern und 1950ern in den USA, aber auch Australien, den englischsprachigen Provinzen Kanadas und ganz Neuseeland erreicht. Diese Institutionalisierung glich einer beinahe schon Pflichtbeschneidung, bei der Eltern zum Eingriff gedrängt oder die männlichen Neugeboren gleich ohne Einverständnis der Eltern automatisch beschnitten wurden. Krankenhäuser führten die Routine-Zirkumzision ein, ohne dass in der Öffentlichkeit jemals eine Debatte darüber geführt wurde. Trotz der hohen Beschneidungsraten in den USA war die Routine-Zirkumzision jahrzehntelang nie Thema einer öffentlichen Debatte. Erst in den 1970er Jahren zwang eine Reihe von gerichtlichen Klagen Krankenhäuser dazu, eine schriftliche elterliche Einwilligung einzuholen, um diese medizinisch unbegründete, aber finanziell lukrative Operation durchführen zu können.
Kritiker der Beschneidung merken an, dass die heutigen Gründe, welche von Beschneidungsbefürwortern angeführt werden, den aktuellen Ängsten und Befürchtungen angepasst seien. So erinnere die teilweise fanatische Anpreisung der Zirkumzision als fragwürdiges Mittel im Kampf gegen HIV und AIDS verdächtig an die Befürwortung der Zirkumzision als Prophylaxe von Syphilis, dem "AIDS des 19 Jahrhunderts". Da heute gängige Vorwände, wie die Behauptungen, dass die Zirkumzision Krebs und Geschlechtskrankheiten vorbeugen könnte, entkräftet wurden, würden Beschneidungsbefürworter heute versuchen, neue Vorwände zu finden. Es bleibt jedoch eine medizinhistorische Tatsache, dass das Bestreben zur Zirkumzision anderer zuerst da war und die sich stetig wandelnden "Gründe" erst später nachgeliefert wurden.
Obwohl es schwierig ist, historische Beschneidungsraten zu bestimmen, geht eine Schätzung davon aus, dass 1932 in den USA 32 % aller männlichen Neugeborenen beschnitten wurden.[14] Laumann et al. gaben an, dass sich die Beschneidungsraten für in den USA geborene Männer näherungsweise auf 70 %, 80 %, 85 %, und 77 %, für die jeweiligen Geburtenjahrgänge 1945, 1955, 1965, und 1971 beläuft.[14]
Eine Studie aus dem Jahr 1987 fand heraus, dass die Hauptgründe dafür, warum sich US-amerikanische Eltern für die Zirkumzision ihrer Söhne entschieden, soziale Bedenken wie etwa "Bedenken über die Einstellungen seiner Altersgenossen und das zukünftige Selbstbild ihres Sohnes" waren, und keine medizinische oder gesundheitliche Motive.[15] Nach einem Bericht der Agency for Healthcare Research and Quality lag die nationale Säuglingsbeschneidungsrate für 2005 bei noch 56 %.[16]
Niedergang der Beschneidung
1948 nahm der britische National Health Service die routinemäßige Beschneidung nicht in die Liste der abgedeckten Leistungen auf, und seitdem müssen medizinisch nicht-indizierte Zirkumzisionen von den Eltern privat bezahlt werden. Unter Männern (im Alter von 15 Jahren oder älter), die weder Muslime noch Juden sind, beträgt der Anteil der Beschnittenen, laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation, 6 %. Wenn die Daten der Bevölkerungsteile aus der Karibik, Schwarzafrika, Indien und Pakistans der zweiten National Survey of Sexual Attitudes and Lifestyles (Nationale Studie der sexuellen Einstellungen und Lebensweisen) mit den Daten der Hauptstudie kombiniert werden, ergibt sich eine mit zunehmenden Alter abnehmende Beschneidungsrate, wobei 11,7 % der 16 bis 19 Jährigen und 19,6 % der 40- bis 44-Jährigen beschnitten sind.[17] Es lassen sich eindeutige ethnische Unterschiede festmachen:
„Mit der Ausnahme der Schwarzen aus der Karibik gaben Männer aller ethnischer Minderheiten im Vergleich zu Männern, die sich selbst als "Weiße" definierten, mit signifikant größerer Wahrscheinlichkeit an, beschnitten zu sein“.
Die Zirkumzisionsrate in Australien ist seit den 1970er Jahren stark rückläufig, was zu einem altersbestimmten Abfall in der Verbreitung der Zirkumzision geführt hat. Laut einer Studie aus den Jahren 2000 bis 2001 waren 32 % aller 16- bis 19-Jährigen, 50 % aller 20- bis 29-Jährigen und 64 % aller 30- bis 39-Jährigen beschnitten.[18]
Laut dem Canadian Institute for Health Information wurden im Jahr 1996/97 noch rund 20 Prozent der kanadischen männlichen Neugeborenen beschnitten. Bis zum Jahr 2005 fiel dieser Wert auf 9,2 Prozent, wobei starke Unterschiede hinsichtlich der Beschneidungsrate zwischen den einzelnen Provinzen bestehen.[19][20]
Bis auf wenige Ausnahmen werden in den USA Beschneidungen bei Säuglingen ohne jedwede Form der Anästhesie durchgeführt.
Säuglingsbeschneidung
Die Säuglingsbeschneidung ist eine vor allem in den USA verbreitete „prophylaktische“ und radikale Beschneidung der Vorhaut bei männlichen Säuglingen, die meist kurz nach der Geburt gewöhnlich in der ersten Lebenswoche erfolgt. Medizinische Gründe, die eine vorsorgliche Beschneidung rechtfertigen, bestehen nicht. Der ursprüngliche Anlass für diese Praxis bestand in einer Bestrafung und Erschwerung der damals als gesundheitsschädlich erachteten Masturbation.
Der Säugling wird mit weit gespreizten Beinen rücklings auf eine spezielle Unterlage gelegt und mit Klettbändern an Armen und Oberschenkeln auf eine Fixierungsvorrichtung gefesselt, damit er sich nicht bewegen kann. Zuerst muss die bei kleinen Jungen verklebte Vorhaut von der Eichel abgetrennt werden, wobei die empfindliche Eicheloberfläche erheblich verletzt werden kann. Scharten und Kerben in der Eicheloberfläche sind dann die Folge. Fast alle männlichen Babys haben eine natürliche Vorhautverengung. Daher lässt sich ihre Vorhaut auch nach Lösen der Verklebung nicht zurückziehen und die Vorhaut muss mit einem Skalpell oder einer Schere längs bis zum hinteren Eichelrand aufgeschnitten werden. Zuletzt wird die Vorhaut vollständig nach hinten gezogen und mittels spezieller Beschneidungsinstrumente abgeklemmt und abgeschnitten.[21]
Die erst wenige Tage alten Jungen werden bei der Zirkumzision meist nur unzureichend, in der übergroßen Mehrheit der Säuglingsbeschneidungen gar nicht betäubt. Die Beschneidung ist für den Säugling sehr schmerzhaft: So sind erhöhte Pulsraten und Serumcortisolspiegel als Stressparameter infolge der Neugeborenenzirkumzision messbar.[22][23] Auch hat der Schmerz der Beschneidung messbare langfriste Auswirkungen auf das Verhalten der betroffenen Kinder. Noch mindestens 6 Monate nach dem Eingriff können stärker als gewöhnlich Verhaltensauffälligkeiten der Kinder beobachtet werden, wenn diese z.B. eine Injektion erhalten.[24] Ferner haben routinemäßig beschnittene Knaben eine geringere Schmerzhemmschwelle als Mädchen oder intakte (nichtbeschnittene) Jungen.[24]
Operationstechnik
Für die Zirkumzision existieren unterschiedliche chirurgische Methoden. Bei der verbreitetsten Methode durchtrennt der Chirurg die Vorhaut zirkulär mit einem Skalpell. Bis auf wenige Ausnahmen, werden in den USA Beschneidungen bei Säuglingen- ohne jedwede Form der Anästhesie durchgeführt.
Beschneidung mit Gomco-Klemme
Diese Operation dauert ca. 10-20 Minuten. Der Junge ist während der ganzen Zeit bei vollem Bewusstsein. Die aufgeschnittene Vorhaut wird hinter die Eichel zurückgezogen, so dass die Eichel vollständig frei liegt. Nun wird eine kleine Metallglocke über die Eichel gestülpt und die Vorhaut darüber wieder nach vorn gezogen und an der Spitze befestigt, damit sie nicht mehr nach hinten rutschen kann und straff über die Glocke gespannt bleibt. Dann wird ein Metallring über die Glocke geschoben. Jetzt befindet sich die Glocke unter der Vorhaut, während der Metallring den Penis von außen „festhält“. Die Klemme kann durch eine Stellschraube so angezogen werden, dass ihr Durchmesser kleiner wird und die Vorhaut mit hohem Druck auf die Oberfläche der Glocke gepresst wird. Diesen Zustand muss der Junge ca. 5 min. ertragen – danach ist die Blutversorgung der Vorhaut komplett unterbrochen. Schließlich wird die Vorhaut in Höhe des hinteren Eichelrandes mit einem Skalpell abgeschnitten und die Klemme sowie die Glocke danach entfernt. Mitunter ist nun noch ein weiterer Schnitt erforderlich, um den Rest des Vorhautbändchens an der Unterseite der Eichel zu entfernen. Beschneidung eines Säuglings bei vollem Bewusstsein:[21]
Beispiel: Gomco-Beschneidung
"Circumstraint" von Olympic (Neologismus aus circumcision (engl für Beschneidung) und constraint (engl. für Fesselung). Ein Fixierungsstuhl für ohne Vollnarkose durchgeführte Operationen an Babies und Kleinkindern. Häuptsächlich in den USA zur Beschneidung von Jungen im Säuglingsalter eingesetzt.
Bei Säuglingen und kleinen Jungen ist die Vorhaut fest mit der Eichel verklebt. Eine geschlossene Gefäßklemme wird zwischen die Eichel und die Vorhaut gerammt. Mit der Gefäßklemme wird zwischen der Vorhaut und der Eichel rings um die Eichel herum gestochert, um diese Vorhaut von der Eichel abzureißen.
Plastibell
Hierbei wird ein zweiteiliger Plastikring angelegt. Dabei liegt ein Teil zwischen Eichel und Vorhaut, der andere Teil außerhalb, an der Basis der Vorhaut. Das zwischen beiden angelegten Teilen liegende Gewebe wird durch einen Faden abgebunden. Durch das Abbinden der Blutzufur fault die Vorhaut langsam mehrere Tage lang ab, ehe sie von selbst abfällt. Das Verfahren gilt heutzutage als veraltet, da es mit lang anhaltenden Schmerzen verbunden ist, und nicht vollständig unter ärztlicher Überwachung stattfindet, so dass dieser bei eventuellen Schwellungen nicht eingreifen kann: Ferner besteht aufgrund des Fremdkörpers ein erhöhtes Infektionsrisiko.[25]
Freihand-Beschneidung
Die in Europa am häufigsten durchgeführte Technik ist die Freihand-Zirkumzision. Diese besteht in der freihändigen zirkulären Durchtrennung der Haut an zwei vorher markierten Stellen. Auch diese Markierung dient der Festlegung, wie viel Haut abgetragen wird. Danach wird die zwischen den beiden ringförmigen Schnitten liegende Haut abgetragen; die flankierenden Ränder werden zueinander geführt. Danach werden die Wundränder miteinander vernäht. Die Wunde, die nicht nur die zirkuläre Schnittstelle und Naht, sondern auch die gesamte Eichel umfasst, heilt in der Regel innerhalb von zwei Wochen ab.
Indikation
Früher wurden narbige Phimosen infolge Balanitis Xerotica Obliterans (BXO) oder auch "Lichen sclerosus et atrophicus"-Befall als absolute Indikation zur Zirkumzision angesehen. Allerdings kann auch diese Hauterkrankung heute konservativ mittels Corticosteroid-haltiger Salben (wie etwa Salbe mit Clobetasolpropionat) therapiert werden.[26]
Bei Säuglingen und Kindern ist eine verengte und mit der Eichel verklebte Vorhaut der Normalbefund, die Vorhaut erweitert und löst sich von der Eichel bei vielen Jungen erst in der Pubertät, sodass die Vorhaut vorher nicht zurückgezogen werden kann und sollte -- ein Schutzzustand, der als physiologische Phimose bezeichnet wird.[27] Es ist zu erwarten, dass nur 44 % der 10-jährigen, 85 % der 16-jährigen und 98-99 % der 18-jährigen Jungen eine vollständig zurückziehbare Vorhaut haben.[27] Eine Behandlung dieser natürlichen nicht-zurückziehbaren Vorhaut (physiologische Phimose) ist, solange sie frei von Krankheitssymptomen bleibt, nicht nötig. Solange keine Krankheitssymptome wie etwa Schmerzen beim Wasserlassen, ständig wiederkehrende Entzündungen, oder Vernarbungen der Vorhautspitze auftreten, ist eine Phimose grundsätzlich als physiologisch anzusehen und bedarf folglich keiner Behandlung. Auch bei Erwachsenen, die die Vorhaut nicht vollständig zurückziehen können, besteht nur Handlungsbedarf, wenn Schmerzen bei der Penetration auftreten, oder die Penishygiene massiv beeinträchtigt ist. Ansonsten ist die präventive Beschneidung bei Kindern und Neugeborenen sehr umstritten und wird von allen ärztlichen Fachorganisationen weltweit als rein kosmetische beziehungsweise kulturelle Angelegenheit betrachtet.[28]
Die Vorhaut
Allgemein
Information über die Vorhaut selbst fehlt in der Diskussion über die Zirkumzision fast gänzlich. Sowohl in Ländern in der Zirkumzision die Norm darstellt, als auch in Ländern, in denen relativ selten Zirkumzisionen durchgeführt werden, besteht oft eine gewaltige Unwissenheit über die Vorhaut, ihrer Strukturen und ihre vielfältige Rolle beim menschlichen Geschlechtsverkehr. Unwissenheit, und falsche Information sind eher die Regel als die Ausnahme sowohl in der amerikanischen als auch der deutschsprachigen medizinischen Literatur und Praxis.
Die Vorhaut ist ein spezialisiertes, empfindliches, und funktionales Organ. Die Vorhaut ist eine modifizierte Verlängerung der Schafthaut. Sie bedeckt die Eichel und erstreckt sich gewöhnlich über die Eichelspitze hinaus, bevor sie sich selbst einfaltet und gerade hinter der Corona (dem Eichelgranz) wieder ihren Anhaftungspunkt findet. Die Vorhaut ist folglich eine doppel-schichtiges Organ.
Ihre wahre Länge beträgt rund das zweifache ihrer Außenseite (das äußere Vorhautblatt) und macht mehr als 50 % der gesamten Haut des Penis aus.[29][30]
Die Vorhaut enthält eine hohe Konzentration an Blutgefäßen und Nervenenden. Sie ist mit dem peripenilen Muskelblatt, einer glatte Muskelschicht aus länglichen Muskelfasern, verbunden. Diese Muskelfasern sind gewirbelt und bilden so eine Art Schließmuskel, der dem Harntrakt optimalen Schutz vor Schutzstoffen und Keimen jeglicher Art bietet.
Die glatte Schleimhaut
Ähnlich der Unterseite der Augenlieder oder des Mundraums ist die Innenseite der Vorhaut von einer Schleimhaut bedeckt. Diese ist in zwei verschiedene Bereiche unterteilt: Die glatte Schleimhaut und die gefurchte Schleimhaut. Die glatte Schleimhaut, die auch als gefurchtes Band bezeichnet wird, liegt auf der Eichel des Penis auf und enthält ektopische Talgdrüsen, welche natürliche Emmolientien (weichmachende und feuchthaltende Sekrete), natürliche Gleitmittel, antivirale und antibakterielle Enzyme sowie Antikörper produziert.
Das gefurchte Band
An die glatte Schleimhaut angrenzend und gerade hinter der gefurchten Schleimhaut, liegt das gefurchte Band. Diese hochempfindliche, dicht mit spezialisierten Nervenenden durchsetzte Struktur besteht aus eng-gefalteten konzentrischen Bändern, ähnlich den elastischen Gummibändern einer Socke. Diese dehnbaren Falten ermöglichen es dem äußeren Vorhautende sich auszudehnen und zurückzugleiten. Dieses gefurchte Band verleiht der Vorhaut ihr charakteristisches sich verjüngendes Ende.
Das Frenulum
Auf der Unterseite der Eichel erstreckt sich die Verbindungsstelle der Vorhaut bis hin zum Meatus (Hahnröhrenöffnung) und bildet ein Bändchen, das sogenannte Frenulum. Es ist identisch mit dem Frenulum der Zunge, welches die Zunge mit der Mundunterseite verbindet. Das Frenulum der Vorhaut hält die Vorhaut auf ihrem Platz vor der Eichelspitze und sorgt zusammen mit den glatten Muskelfasern dafür, dass die Vorhaut leicht wieder zurück auf ihrer gewöhnliche Position vor der Eichel zurückgestreift werden kann.
Zurückstreifen der Vorhaut
Bei der Geburt ist die Vorhaut mit der Eichel verklebt, ähnlich wie ein Fingernagel mit einem Finger verklebt ist. Im Laufe von Jahren löst sich die Vorhaut von der Eichel und der Vorhautöffnung weitet sich. Dieser Ablösungsprozess findet immer in einem von Kind zu Kind unterschiedlichen Zeitraum statt, kann bei manchen Jungen aber bis weit in die Pubertät hinein andauern. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben, gibt es kein bestimmtes Alter, ab dem sich die Vorhaut von der Eichel gelöst haben und die Vorhaut zurückziehbar sein muss.
Selbst wenn sich Vorhaut schon in der frühen Kindheit von der Eichel löst, kann sich die Vorhautöffnung häufig nur soweit ausdehnen um das Wasserlassen zu ermöglichen. Dieser zweifache Schutzmechanismus-die Verklebung und die Verengung- dient dem Schutz der empfindlichen Eichel vor Umwelteinflüssen, Ausscheidungen (Windeln), eindringenden Keimen, und Verletzung usw.
Der Penis entwickelt sich natürlich im Laufe der Kindheit. Es gibt keinen Anlass für Eltern oder Ärzte den Penis des Kindes zu manipulieren. Die einzige Person, die die Vorhaut eines Kindes zurückstreifen soll, ist das Kind selbst, wenn es entdeckt hat, dass seine Vorhaut bereit dazu ist.
Industrielle Bedeutung der Zirkumzision
In den USA besteht große Nachfrage an Vorhäuten seitens einer Reihe von privatwirtschaftlichen Unternehmen, und das Marketing um die Vorhäuten von Kindern und Säuglingen ist zu einem einträglichen Wirtschaftszweig erwachsen mit einem jährlichen Umsatz in mehrstelliger Millionen-Höhe. So nutzen Pharmazie- und Kosmetikunternehmen die menschliche Vorhaut von Kindern als Forschungsmaterial. Unternehmen wie Tissue Sciences, Organogenesis und BioSurface Technology nutzen die Kindervorhaut als Rohmaterial für eine Art atmungsfähige Bandage.[31]
Verluste durch die Zirkumzision
Die Vorhaut besitzt vielfältige, schützende, sensorische und sexuelle Funktionen, welche durch die Zirkumzision irreversibel verloren gehen.
Schutzfunktion
So wie die Augenlieder die Augen schützen, schützt die Vorhaut die Eichel und hält ihre Oberfläche weich, feucht und empfindlich. Sie erhält außerdem die optimale Wärme und den optimaln PH-Wert aufrecht. Die Eichel selbst besitzt keine Talgdrüsen, also Drüsen, die das Sebum, eine Art natürliches Öl, produzieren, das der Haut Feuchtigkeit spendet.[32]
Immunabwehr
Die Schleimhäute, die sich an allen Körperöffnungen befinden, bilden die vorderste Front der körpereigenen Immunabwehr. Drüsen in der Vorhaut produzieren antibakterielle und antivirale Proteine wie Lysozyme.[33] Lysozyme finden sich auch in Tränen und der Muttermilch. Spezialisierte epitheliale Langerhanssche Zellen, Bestandteile der körpereigenen Immunabwehr, sind in der äußeren Oberfläche der Vorhaut reichhaltig vorhanden.[34] Plasmazellen in der Schleimhaut der Vorhaut sondern Antikörper ab, die vor Infektionen schützen.[35]
Erogene Empfindlichkeit
Die menschliche Vorhaut ist so empfindlich wie die Fingerspitzen, oder die Lippen des Mundes. Sie enthält eine reichhaltigere Vielfalt und eine größere Konzentration von spezialisierten Nervenrezeptoren als jeder andere Teil des Penis.[36] Diese spezialisierten Nervenenden können Bewegung feinste Temperaturveränderungen, und feinste Texturabstufungen wahrnehmen.[37][38][39][40][41][42][43][44] Die Nervenendingungen konzentrieren sich besonders entlang des äußeren Saumes der Vorhaut, dem sogenannten Gefurchten Band, welches selbst bei einer sparsamen oder partiellen Beschneidung entfernt wird, das vom Frenulum aus entspringt und die Spitze der Vorhaut an der Stelle, wo sich die innere und äußere Vorhautblatt verbinden, umkreist. Dieses äußere Ende ist besonders erogen, d.h. sexuell empfindsam.
Bedeckung während der Erektion
Während der Erektion wird der Schaft des Penis dicker und länger. Die doppelschichtige Vorhaut bietet die zusätzlich Haut die nötig ist um dem nun vergrößerten Organ genügend Raum zu bieten, sodass die ganze Haut des Penis frei, sanft und angenehm über den Penisschaft gleiten kann. Die Bedeckung der Eichel durch die Vorhaut reicht von fast keiner bis zur völligen Bedeckungen. Alle diese Variationen sind normal.
Selbst-stimulierende sexuelle Funktion
Die doppelschichtige Vorhaut ermöglicht es der Schafthaut des Penis vor und zurück über den Penisschaft zu gleiten. Die Vorhaut kann normalerweise ganz oder beinahe ganz zurück bis zum Schaftanfang zurückgestreift und genauso über die Eichelspitze vorgestreift werden. Durch diesen großen Bewegungsspielraum wird der Penis und die Orgasmus auslösenden Nervenrezeptoren in der Vorhaut, dem Frenulum und der Eichel stimuliert.
Sexuelle Funktionen während des Geschlechtsakts
Eine der Funktionen der Vorhaut ist es, die reibungslose und sanfte Bewegung zwischen den Schleimhäuten der Partner zu einfachen. Die Vorhaut ermöglicht es dem Penis reibungslos in die Vagina hinein und wider heraus zu gleiten, in seiner eigenen Hülle aus beweglicher Haut. Der weibliche Partner wird so eher durch den Druck der Bewegung, als wie nach der Zirkumzision, durch bloße Reibung stimuliert.
Sonstige Funktionen
Die Vorhaut erfüllt Funktionen, die bis jetzt noch wenig Beachtung gefunden haben oder noch nicht ganz nachvollzogen werden. Forscher an der Universität von Manchester fanden heraus, dass die Vorhaut apokrine Drüsen besitzt.[45] Diese spezialisierten Drüsen produzieren Pheromone, natürliche sexuelle Botenstoffe. Weitere Studien sind erforderlich und die Eigenschaften der Vorhaut und ihre Funktion in Gänze zu verstehen.
Pflege der Vorhaut
Der natürliche Penis bedarf keiner besonderen Pflege. Die kindliche Vorhaut ist, wie die Augenlider, selbst reinigend. So wie es schädlich ist die Augenlider anzuheben und die Augäpfel zu reinigen, ist es schädlich, die Vorhaut des Kindes zurückzustreifen und die Eichel zu reinigen. Ein Bad in gewöhnlichen, seifenfreien Wasser genügt vollkommen um den Penis zu rein zu halten.[46] Der weiße Weichmacher unter der Vorhaut wird Smegma genannt. Smegma, entgegen dem landläufigen Vorurteil, ist sauber, heilsam und notwendig. Es befeuchtet die Eichel und hält sie weich und geschmeidig. Seine antibakteriellen und antiviralen Bestandteile erhalten den Penis gesund und rein. Sämtliche Säugetiere produzieren Smegma.
Meidung von Seife und des vorzeitigen Zurückziehens der Vorhaut
Studien haben gezeigt, dass man keine Seife auf der Eichel oder dem inneren Vorhautblatt anwenden soll. Das gewaltsame Zurückziehen und Waschen der kindlichen Vorhaut zerstört die nützliche bakterielle Flora, die den Penis vor schädlichen Keimen schützt, und kann zu Irritationen und Infektionen führen. Die beste Pflege für den Penis des Kindes ist, ihn in Ruhe zu lassen. Nach der Pubertät können Männer ihre Eichel und Vorhaut sanft mit warmen, klaren Wasser abspülen, nach ihrem eigenen, selbst-bestimmten Bedarf.
Verbreitung der Zirkumzision
Die Zirkumzision wird in Europa, Südamerika, und im nicht-muslimischen Teilen Afrika selten ausgeführt. Tatsächlich sind nur 15% -25% der männlichen Bevölkerung beschnitten, die große Mehrheit davon ist muslimisch.[47]
Nachteile der Zirkumzision
Körperliche Nachteile
Entblößung
Abhängig von der Menge an Vorhaut, die abgeschnitten wird, beraubt die Zirkumzision den Mann um mehr als 50 % seiner Penishaut. Anhängig von der Länge der Vorhaut macht die Zirkumzision den Penis um mehr als 25 % kürzer. Sorgfältige klinische Forschungen haben belegt, dass durch die Zirkumzision mehr als 1 Meter an Venen, Arterien und Kapillaren, mehr als 70 Meter an Nerven, und mehr als 20.000 Nervenenden irreversibel entfernt werden.[39] Das Muskelgewebe, die Drüsen, die Schleimhäutchen und das epitheliale Gewebe der Vorhaut werden auch komplett zerstört.
Desensibilisierung, Verlust an sexueller Empfindsamkeit
Die Zirkumzision desensibilisiert den Penis. Die Amputation der Vorhaut bedeutet, dass das reichhaltige Netzwerk an Nerven und alle Nervenemdigungen in der Vorhaut abgeschnitten und für immer verloren gehen. Die Zirkumzision, schädigt oder zerstört fasst immer auch das Frenulum. Zusätzlich zum Verlust der Nervenenden, desensibilisiert der Verlust der Vorhaut auch die Eichel und macht deren Nervenzellen zunehmend unbrauchbar. Da die Haut der nun permanent entblößten Eichel nun ständiger Reibung und Reizung ausgesetzt ist, keratinisiert (verhornt) sie und wird dadurch hart und trocken. Die Nervenenden in der Eichel, welche sich beim intakten Penis geradeunter Schleimhaut des inneren Vorhautblattes befinden, werden nun untereiner stetig wachsenden Hornhaut schichten begraben. Die entblößte Eichel nimmt eine matte, gräuliche, lederhautartige Erscheinung an.
Behinderung der sexuellen Funktion
Die Amputation von zu viel Penishaut macht die verbleibende Haut bewegungsunfähig, und hindert sie daran frei über den Schaft und die Eichel zu gleiten. Dieser Verlust an Beweglichkeit zerstört den Mechanismus, durch den die Eichel normalerweise stimuliert wird. Wenn ein beschnittener Penis erigiert, wird die restliche unbewegliche Haut gedehnt, manchmal so straff, dass nicht genug Haut übrig ist um den Schaft zu bedecken. Behaarte Haut vom der Leistengegend oder dem Hodensack wird so oft den Schaft heraufgezogen, wo normalerweise keine Haare zu finden sind. Die chirurgisch entblößte Schleimhaut der Eichel besitzt keine schützenden, antiviralen oder antibakterielle Enzyme produzierenden Drüsen. Ohne den mechanischen und immunologischen Schutz und die Emollientia (Weichmacher) der Vorhaut, trocknet die aus und wird anfällig für Risse und Blutungen.
Äußerliche Veränderung des Penis durch Zirkumzision
Die Zirkumzision ändert die Erscheinung des Penis auf drastische Weise. Sie entblößt permanent die Eichel des Penis, die normalerweise ein inneres Organ ist. Die Zirkumzision hinterlässt ein große zirkumferenzielle Operationsnarbe auf dem Penisschaft. Da die Zirkumzision, insbesondere bei Kindern, es nötig macht die Vorhaut von der Eichel gewaltsam zu lösen, können Teile der Eichel mit abgerissen werden, wodurch diese schartig und vernarbt wird. Andererseits können Fetzen der Vorhaut an der wunden Eichel anhaften, sodass lose Hautfetzen oder Hautbrücken entstehen können.[48] Abhängig davon, wie viel Haut entfernt wird und wie sich die Narbe formt, kann der beschnittene Penis permanent verdreht sein oder sich bei der Erektion biegen oder krümmen.[49] Die Kontraktion durch das Narbengewebe kann den Penisschaft in den unteren Bauchraum gezogen werde. Dadurch wird der Penis faktisch verkürzt oder völlig im Bauchraum begraben.[50][51]
Unterbrechung der Blutzirkulation
Die Zirkumzision unterbricht die normale Blutzirkulation durch das Blutgefäßnetzwerk sowohl der Penishaut als auch der Eichel. Das Blut, welches in die Hauptarterien des Penis fließen sollte, wird von dem Narbengewebe entlang der Einschnittstelle behindert, sodass die arteriellen Verästelungen und das Kapillarnetzwerk nicht versorgt werden, sondern sich ein Rückfluss bildet. So von Blut unterversorgt kann sich die Harnröhrenöffnung zusammenziehen und vernarben, sodass eine Meatusstenose enstehen kann.[52] Diese Krankheit, Meatusstenose genannt, bedarf fast immer einer korrektiven Operation. Meatusstenose wird beinahe ausschließlich bei Jungen gefunden, die beschnitten wurden.[53]
Die Zirkumzision trennt darüber hinaus die Lymphgefäße auf, unterbricht die Lymphzirkulation und kann in seltenen Fällen ein Lymphödem zur Folge haben, ein äußerst schmerzhaftes, entstellendes Leiden, bei dem die verbleibende Penishaut mit eingeschlossener Lymphflüssigkeit anschwellt.
Hygienische und gesundheitliche Nachteile
Einer der am weitesten verbreiteten Irrtümer ist, die Zirkumzision mache den Penis sauberer oder vereinfache die Intimpflege. Diese Behauptungen gelten als widerlegt. Die künstlich entblößte Eichel und die Harnröhren Öffnung, des beschnittenen Penis sind ständig Reibung und Schmutz ausgesetzt, was den beschnitten Penis unsauberer werden lässt. Der Verlust der schützenden Vorhaut, macht den Harntrakt empfindlich gegenüber eindringenden bakteriellen und viralen Krankheitserregern.
Die Zirkumzisionswunde ist groß. Sie besteht nicht nur aus der kreisförmigen Verbindungsstelle zwischen dem inneren und äußeren Vorhautblatt. Bevor ein Kind beschnitten wird, muss seine Vorhaut von der Eichel gerissen werden, wobei die wortwörtlich Eichel bei lebendigen Leib gehäutet wird. Dies verursacht eine große offene Stelle aus wundem blutenden Fleisch, welches bestenfalls noch mit einer unterentwickelten Schleimhautschicht bedeckt ist. Schädliche Keime können so einfach durch die wunde Eichel, oder noch einfacher durch die Einschnitts stelle selbst in das geschädigte Gewebe und den Blutkreislauf eindringen. Selbst nach der Abheilung der Wunde, sind die entblößte Eichel und die Harnröhrenöffnung dem ständigen widernatürlichen Kontakt mit Urin, Fäkalien, chemisch-behandelten Windeln, und anderen Schad und Schutzstoffen ausgesetzt.
Weibliche Partner von beschnittenen Männern weisen keine niedrigere Rate an Gebärmutterhalskrebs auf.[54] klinischen In den USA ist die Peniskrebsrate signifikant höher ist als in Dänemark - einem Land, in dem die Zirkumzisionsrate, mit Ausnahme unter Einwanderern aus dem Mittleren Osten, sehr unbewöhnlich niedrig ist.[55]
Auch verhindert die Zirkumzision weder die Ansteckung noch die Übertragung von Geschlechtskrankheiten. Die USA hat sowohl den größten Prozentanteil von sexuell aktiven, beschnitten Männern in der westlichen Welt wie auch die höchsten Raten von sämtlicher sexuell übertragbaren Krankheiten einschließlich AIDS. Studien belegen, dass beschnittene Amerikanische Männer ein höheres Risiko für bakterielle und virale sexuell übertragene Krankheiten haben, insbesondere Tripper,[56] Harnröhrenentzündung,[57] dem humanen Papillomavirus (HPV),[58] Herpes-Simplex-Virus (HSV),[56] und Chlamydien-Infektionen.[14]
Neue Studien zeigen auf, dass der unbeschnittene Penis einen gewissen Schutz vor diversen sexuell übertragbaren Infektionen bietet.[57][59][58][60][61][56][62][63]
Psychische und neurologische Schäden durch die Beschneidung
Psychische Schäden
Die Beschneidung birgt ebenfalls ein Risiko für bewusste oder unbewusste Operationstraumata. So erklärt Menage, dass Behandlungen im Genitalbereich bei Kindern beiderlei Geschlechts zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS bzw. PTSD, im ICD-10 als F43.1 codiert) führen können. Entscheidende Faktoren für die Ausprägung einer PTBS sind nach Menage:
- (i) Gefühle der Machtlosigkeit und des Kontrollverlusts,
- (ii) fehlende Zustimmung,
- (iii) fehlende Information darüber, was während der Untersuchung geschehen soll,
- (iv) fehlendes Einfühlungsvermögen des untersuchenden Arztes und
- (v) die Erfahrung von physischem Schmerz.[64] Die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen Beschneidung und dem Auftreten einer PTBS besteht, wird von Boyle et al. (2002) in ihrer Studie bestätigt.[65][66] In der besagten Studie wurden 1577 philippinische Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren vor und nach einer Beschneidung (die entweder mit oder ohne Lokalanästhetikum durchgeführt wurde) beobachtet. Vor dem Eingriff wurde sichergestellt, dass nur Jungen in die Studie aufgenommen wurden, die keine PTBS (nach DSM-IV) aufwiesen. Nach dem Eingriff wurde bei 50 %, der medizinisch (mit Betäubung) und 69 % der rituell (ohne Betäubung) beschnittenen Jungen eine PTBS nach DSM-IV Kriterien festegestellt.[65]
Neurologische Auswirkungen der Beschneidung
Die Zirkumzision insbesondere in jungen Jahren beeinflusst die Entwicklung des Gehirns. Studien belegten, dass die Zirkumzision langfristige negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns hat,[67] und die Wahrnehmungszentren des Gehirn nachteilig verändert werden. Beschnittene Jungen haben eine geringere Schmerzhemmschwelle als Mädchen oder intakte Jungen.[24] Der Neuropsychologe Dr. James Prescott legt nahe, dass die Zirkumzision desweiteren weit tiefergehende neurologischen Schaden in einem viel verstörenderen Ausmaß verursache.[68]
Risiken und Komplikationen
→ Hauptartikel: Komplikationen der Beschneidung
Die Zirkumzision ist mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet.[69] Diese Komplikationen umfassen unkontrollierbare Blutungen und tödliche Infektionen.[70] Für die Rate der perioperativen und postoperativen Komplikationen der Zirkumzision werden in der Literatur Werte zwischen 1 aus 50 bis 1 aus 10 Beschneidungem (2-10 %) angegeben.[3] Es gibt viele veröffentliche Fallberichte von Gangrän (Wundbrand) infolge von Zirkumzisionen.[71] Krankheitserregende Bakterien wie Staphylokokken, Proteus, Pseudomonas, coliforme Bakterien können Infektionen verursachen, die zum Tode führen können.[72][73] Diese Organismen dringen in die Beschneidungswunde nur deshalb ein, weil diese ihnen ein leichtes Eindringen ermöglicht, und nicht etwa, weil das Kind besonders infektionsgefährdet wäre.
In der medizinischen Literatur sind zahlreiche Fälle von Säuglingen und Kindern beschrieben, denen während ihrer Zirkumzision die Eichel ganz oder teilweise abgeschnitten wurde.[74][75][76]
Anderen Kindern wurde der Penis durch den zwecks Blutstillung verwendeten Elektrokauter weggebrannt.[76][77][78] 1989 wurden in der September-Ausgabe des Journal of Urology 4 solcher Fälle veröffentlicht.[79] Der Artikel beschrieb die Sexumwandlungsoperation als "feminisierende Genitoplastik". Diese wurde an diesen Babys mit dem Ziel durchgeführt, sie in Mädchen umzuoperieren. Das Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine vom März 1997 beschrieb das Entsetzen, welches ein junge Person überkam, als sie erfahren musste, dass "sie" als Junge geboren wurde, aber ein Beschneider seinen Penis im Säuglingsalter während einer medizinisch unnötigen, falsch-indizierten therapeutischen Beschneidung wegbrannte.[80] Später wurde die Identität dieser Person bekannt: Bruce Reimer. Viele ähnliche Fälle sind dokumentiert.[81]
Die Zirkumzision hat eine geschätzte Todesrate von 1 aus 20.000.[82]
Hygienische und gesundheitlich-präventive Motive
Jenseits medizinischer Indikationen werden von Beschneidungsberfürwortern eine Reihe gesundheitlich-präventiver Vorwände vorgebracht, die von medizinischen Studien mehrheitlich widerlegt werden.
Übertragung von Geschlechtskrankheiten
Die Zirkumzision verhindert weder die Ansteckung noch die Übertragung sexuell übertragbarer Erkrankungen.
Die USA hat sowohl den größten Prozentsatz an sexuell aktiven beschnittenen Männern in der westlichen Welt als auch die höchsten Raten sämtlicher sexuell übertragbarer Erkrankungen, einschließlich AIDS. Zahlreiche Studien belegen, dass beschnittene Männer ein signifikant höheres Risiko haben, an sexuell übertragbaren Krankheiten zu erkanken.[83][14] Beschnittene Männer in den USA weisen höhere Raten an sexuell übertragenen Krankheiten auf als nicht-beschnittene Männer.[14] Michael et al. stellte fest, dass die überwiegend beschnittene Männer in den USA eine größere Variabilität hinsichtlich ihres sexuellen Verhaltens aufzeigten, seltener Kondome benutzten und häufiger an sexuell übertragenen Krankheiten litten als die überwiegend nicht-beschnittene männliche Bevölkerung des Vereinten Königreichs.[63]
Die Vorhaut schützt auf vielfätige Weise gegen Krankheiten und Infektionen[84] Diese Schutzmechanismen liefern eine mögliche Erklärung dafür, warum chirurgisch veränderte, beschnittene Männer eine größere Häufigkeit an so vielen unterschiedlichen Geschlechtskrankheiten aufweisen. Ausgetrocknete Schleimhäute sind eher anfällig für Infektionen als natürliche, feuchte Schleimhäute. Aus diesem Gründe neigen viele Menschen im Winter bei trockener Heizungsluft an einer Erkältung zu erkranken.
Die Vorhaut hält die Eichel des Penis auf natürliche Weise feucht, und hält so den optimale Gesuindheitszustand aufrecht um Infektionen abzuwehren. Die subpräputiale Flüssigkeit enthält unter anderen Lysosyme, Enzyme, welche die Zellwände sämtlicher Bakterien angreift und zerstören.[85][84]
Tanne et al. führen an, dass in den USA – trotz der höchsten Beschneidungsrate in der westlichen Welt – eine "Epidemie" von Geschlechtskrankheiten einschließlich Herpes, HPV-Infektionen, Hepatitis B, und HIV Infektionen herrscht.[62] Die Häufigkeit von sexuell übertragbaren Krankheiten in den USA ist mit die höchste in der industrialisierten Welt. Einen möglichen Erklärungsversuch bietet die hohe Häufigkeit der Zirkumzision. Die Daten des National Health and Social Life Survey deuten an, dass 1992 von 1.511 untersuchten Männern im Alter zwischen 18 und 59 Jahren 77 Prozent der in den USA geborenen Männern beschnitten waren.[14]
Natürlicher Schutz
Neuere Studien deuten darauf, dass der natürliche Penis einen gewissen Schutz gegen Infektionen mit vielen Geschlechtskrankheiten bietet[57][86][58][60][61][56][62][63]
Auch zeigen Studien, dass beschnittene Männer ein erhöhtes Risiko haben, an Uretritis (Harnleiterentzündungen), Gonorrhoe,[87] Syphilis,[14][87] Genitalwarzen,[58] und Chlamydia-Infektionen[14] zu erkranken. Wenn Genitalwarzen beim nicht-beschnittenen Mann auftreten, dann überwiegend an der Penisspitze - also der Region, die durch die Vorhaut am wenigsten geschützt ist.[58]
Übertragung von HIV
Neue Forschungsarbeiten aus Afrika unter der Leitung der Beschneidungsbefürworter Robert C. Bailey und Ronald H. Gray behaupten, Beweise zu liefern, dass die Beschneidung von Männern gegen HIV-Infektionen und AIDS schütze.[88][89] Unvoreingenommenheit der Studien infragestellt.
Von den Verantwortlichen der Studien wird ein um 60 % reduziertes Risiko für HIV-Infektion angepriesen. Die absolute Risikoreduktion laut den Befunden ihrer Studien, beträgt lediglich 1,3 %. Da jedoch bereits während der Durchführung der Teststudien so viele Manipulationen und Maßnahmen, welche die Studienbefunde verfälschen, durchgeführt wurden, ist selbst dieser geringe Wert von 1,3 % fragwürdig. Studienteilnehmer, die beschnitten wurden, hatten eine Komplikationsrate von bis zu 3 %. Ob diejenigen Teilnehmer der Studie, die beschnitten wurden, ihr restliches Leben ein vermindertes Risiko für HIV-Infektionen haben, ist fragwürdig. Von Kritikern werden eine Reihe Kritikpunkte an den Studien angeführt.
Bioethische Einwände
Vorausgesetzt, die Annahme die Studienbefunde von Gray et al. und Bailey et al. wären glaubhaft, gibt es vorrangige ethische Gründe, warum die Beschneidung von Männern als HIV-Prophylaxe unangebracht ist:
- Die Beschneidung stellt keine angemessene Maßnahme dar, da sie selbst die normale Erscheinung und Funktion des Körpers schädigt.[90]
- Eine Maßnahme, die weit weniger invasiv ist, der Gebrauch von Kondomen, ist bewiesenermaßen weit effektiver.[91][92]
- Die Beschneidung von Männern vermindert nicht[93][94][95][96] und erhöht vielleicht das Risiko der Übertragung von Mann zu Frau.[97]
- Die männliche Beschneidung in einem realen afrikanischen Setting ist ein Vektor für die Verbreitung des Virus und kann die Pandemie sogar noch verschlimmern.[98][99][100][101][102][103]
Einwände bezüglich der Anwendbarkeit
Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Befunde der Studien, selbst wenn sie richtig wären, nicht in eine nennenswerte Reduktion der HIV-Infektionen in der realen Welt umsetzen lassen:
- Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Belege über die Beziehung zwischen Zirkumzision und HIV in Afrika sind widersprüchlich und zeigen insgesamt keine Reduktion des HIV-Infektionsrisikos durch die die Beschneidung.[104]
- Die USA ist die einzige Industrienation, in der noch die Mehrheit der männlichen Neugeborenen aus nicht-religiösen Gründen beschnitten werden und die höchste Rate an sexuell aktiven beschnittenen Männern hat, aber gleichzeitig die Industrienation mit der höchsten HIV-Rate.[105]
- Generell weisen Länder mit einer hohen Beschneidungsrate eine besonders hohe Häufigkeit an HIV-Infektionen auf, insbesondere im Vergleich mit europäischen Ländern, die eine geringe Beschneidungsrate haben.
- Eine britische Studie über homosexuelle Männer stellte eine höhere Rate an HIV-Infektionen bei beschnittenen Männern fest.[106]
- Eine Zunahme der HIV-Übertragung von Mann zu Frau infolge der männlichen Beschneidung könnte die angebliche Schutzwirkung aufheben.
- Beschneidungen in Afrika werden fast immer unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt. Medizinische Instrumente und rituelle Instrumente können selbst zur Verbreitung des HI-Virus beitragen, sodass die Propagierung der männlichen Beschneidung in Afrika das HIV-Problem noch verschlimmern kann.
Kritik an der Durchführung der Teststudien
Die afrikanischen HIV-Studien unterschreiten sämtliche wissenschaftliche Mindeststandards für einen Nachweis einer medizinischen Wirksamkeit. Da es sich bei den Studien nicht um Blindstudien handelte, sind diese anfällig für die Voreingenommenheit der Forscher, den sorgannenten "Researcher Bias". Es ist bekannt, dass die Verantwortlichen der afrikanischen HIV-Studien voreingenommen waren, da sie bereits vorher Artikel veröffentlichten, in denen sie Beschneidung zur Prävention von HIV-Infektion in Afrika befürworteten.
Für die Studien wurden Männer rekrutiert, die "beschnitten werden wollten", da die Teilnehmer glaubten, die Beschneidung schütze sie vor HIV-Infektionen. Diejenigen der Testpersonen, die beschnitten wurden, hatten weniger Geschlechtsverkehr als die unbeschnittenen Testpersonen, da alleine die beschnittenen Testpersonen dazu ermahnt wurden, Enthaltsamkeit zu üben und ganze sechs Wochen lang gänzlich auf Geschlechtsverkehr zu verzichten. Die Anzahl der Studienteilnehmer, die vor Beginn der Nachuntersuchung verloren gingen, übersteigt bei weitem die Zahl der Teilnehmer, die sich mit dem HI-Virus infizierten. Diese Tatsache wirft ernsthafte Zweifel bezüglich der Beweiskraft der Studien auf.[107]
Die Studien wurden vorzeitig abgebrochen. Forschungsergebnisse beweisen, dass solche Studien, die vorzeitig abgebrochen wurden, konsequent die Vorteile der Behandlung überbewerten.[108][109] In zwei dokumentierten Fällen empfahl ein Datenüberwachungskomitee, die Studien vorzeitig zu beenden, da keine Möglichkeit bestünde, dass sich die Abhandlung noch als ineffektiv erweisen könnte. Aber die Studien wurden trotzdem zu Ende geführt.[110][111] Das Ergebnis dieser Studien war, dass die Behandlung nicht effektiv war. Es ist daher anzunehmen, dass Befunde von Studien, die vorzeitig abgebrochen wurden, nur das vorherrschende Vorurteil der Forscher(gemeinschaft) widerspiegeln.
Die Studien wurden von einer massiven Medien-Kampagne begleitet, die diese Schlussfolgerung nahelegt. Verstärkend kommt hinzu, dass die Verantwortlichen der Studien die Verminderung des relativen Risikos von "60 %" betonen, während die tatsächlichen Ergebnisse der fragwürdigen Studie lediglich eine absolute Reduzierung des Risikos um nur 1,3 % belegen, welches unwesentlich ist.
Gebärmutterhalskrebs
Die These, die Beschneidung senke das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist wiederholt widerlegt worden.[112][113][54][114]
Weibliche Partner von beschnittenen Männern weisen keine niedrigere Rate an Gebärmutterhalskrebs auf.[54] Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2007 fand nach der Auswertung der verfügbaren Literatur keine Unterstützung für die These, dass die Zirkumzision das Risiko für HPV-Infektionen reduziert.[112]
Peniskrebs
Die Behauptung, die Beschneidung senke das Risiko, an Peniskrebs zu erkranken, gilt als widerlegt. Peniskrebs betrifft weniger als 1 aus 100.000 Männern und ist daher eine der seltensten Krebserkrankungen überhaupt. Peniskrebs betrifft fast ausschließlich Männer im Greisenalter mit schlechter Intimhygiene. Folglich müssten mehr als 100.000 Jungen beschnitten werden, um einen einzigen Fall von Peniskrebs zu vermeiden. Die Konsequenz ist, dass in den USA jährlich mehr Babys und Jungen an den Folgen der Beschneidung sterben als an Peniskrebs.[115]
Die Peniskrebsrate in den USA ist höher als in Dänemark, wo die Zirkumzision, mit Ausnahme unter den Immigranten aus dem Mittleren Osten, sehr selten angewandt wird.[55]
Harnwegsinfekte
Die Behauptung, die Beschneidung senke die Wahrscheinlichkeit, an Harnwegsinfektionen zu erkranken, ist widerlegt.[116][117][118]
Harnwegsinfekte sind eine schmerzhafte, aber leicht behandelbare Erkrankung. Harnwegsinfekte können meist innerhalb weniger Tage durch Einnahme von Antibiotika therapiert werden.[119][120] Das ist bei weitem kürzer als die Wundheilungszeit nach einer Beschneidung, welche in der Regel mehrere Wochen beträgt. Selbst wenn die Behauptung, die Beschneidung mindere das Risiko, an Harnwegsinfekten zu erkranken, stimmte, bedeutete das, dass ein relativ harmloses Leiden mit einer Operation vorbeugend behandelt werden soll, die weit risikoreicher, schmerzhafter und gefährlicher ist als die Krankheit selbst. Von den 603 japanischen Jungen zwischen 0 und 15 Jahren, die von Dr. Hiroyuki Kayaba in einer Studie über die natürliche Entwicklung der Vorhaut untersucht wurden, hatte kein einziger jemals einen Harnwegsinfekt, weder zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Studie noch laut Krankenberichten davor.[118]
E.R. Mueller et al. kamen in ihrer US-amerikanischen Studie zu dem Schluss:
"Ungeachtet des Beschneidungszustands haben Jungen, welche eine Harnwegsinfektion im Alter von 6 Monaten oder früher aufweisen, mit Wahrscheinlichkeit eine zugrundeliegende Anomalität des Harn- und Geschlechtsapparates. Unter den restlichen Patienten mit normaler zugrundeliegender Anatomie und Harnwegsinfektionen fanden wir genauso viele beschnittene Kinder wie solche, die ihre Vorhaut behalten hatten."[116]
Eine Risiko-Nutzen-Analyse von über 36.000 Fällen bezüglich des Risikos, an Harnwegsinfektionen zu erkranken, kam zu dem Ergebnis, dass selbst wenn davon ausgegangen werde, dass keine Säuglinge Komplikationen in Folge der Beschneidung hätten, keine Beschneidung durchzuführen den größten gesundheitlichen Nutzen habe.[117] Harnwegsinfekte bei Männern sind selten. Aufgrund der geringen Basiswahrscheinlichkeit ist eine Beschneidung zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen selbst unter der Voraussetzung, die Behauptungen über die "Vorbeugung von Harntraktinfektionen durch Beschneidung" würden stimmen, nicht als notwendig anzusehen.[121]
Einfluss auf die Sexualität
Allgemein
Die Vorhaut, nicht die Eichel, ist der empfindsamste Teil des Penis.[1] Im Durchschnitt enthält sie über 73 Meter Nervenfasern und über 20.000 Nervenenden. Die Vorhaut ist damit sensibler als die Lippen oder die Fingerspitzen.[122]
Nach der Beschneidung werden die verbliebenen circa 4.000 Nervenenden der nun permanent entblößten Eichel von einer lebenslang wachsenden Hornhaut bedeckt. Die Sensibilität der Eichel wird somit mit zunehmendem Alter geringer. Für viele Männer spielt die Vorhaut aufgrund ihrer Erogenität eine bedeutende Rolle in ihrem Sexualleben (so ist beispielsweise oft durch ihre alleinige Stimulation ein Orgasmus möglich).[123] Auch eine Beschädigung oder Entfernung des Frenulums im Zuge der Beschneidung kann kritisch betrachtet werden. Wie die Vorhaut besitzt dieser Teil des Penis eine größere Nervendichte als die Eichel[122] und ist daher ebenfalls empfindsamer als diese.[122][124] Das Frenulum kann auch bei einigen sexuellen Praktiken wie zum Beispiel Fellatio eine bedeutende Rolle spielen. Dies gilt freilich auch für den besonders dicht mit Nervenenden durchsetzten äußeren Rand der Vorhaut, das sogennante gefurchte Band, das sich am Übergangsbereich von der Haut der äußeren Vorhaut zur Schleimhaut der inneren Vorhaut befindet.[37]
Eine US-Studie aus dem Jahre 1999, in der Frauen befragt wurden, die über Erfahrungen sowohl mit beschnittenen als auch unbeschnittenen Sexualpartnern verfügten, zegte, dass die Teilnehmerinnen mehrheitlich Vaginalverkehr mit einem intakten (unbeschnittenen) Penis bevorzugten.[125] Die Testteilnehmerinnen merkten ferner an, dass ihre intakten männlichen Sexualparter den Geschlechtsverkehr mehr zu genießen schienen als ihre beschnitteten Sexualpartner.[125]
Neue europäische Studienergebnisse 2011
Eine umfangreiche dänische Studie, die die sexuellen Auswirkungen der Beschneidung untersuchte, stellte fest, dass die Beschneidung eine Vielzahl sexueller Probleme sowohl für Männer als auch für deren Partnerinnen verursacht.
Die Studie, bei der über 5.000 Männer und Frauen untersucht wurden, fand heraus, dass die Beschneidung mit häufigen Orgasmus-Schwierigkeiten bei Männern und einer Vielzahl sexueller Schwierigkeiten bei Frauen vergesellschaftet ist, insbesondere Orgasmus-Schwierigkeiten, Schwierigkeiten mit der Penetration, schmerzhafter Geschlechtsverkehr und ein "Gefühl der unvollständigen Erfüllung der sexuellen Bedürfnisse".[126]
Masturbation
Die Masturbation ist auch nach einer Beschneidung noch möglich. Abhängig von Art und Umfang der Beschneidung kann die Masturbation jedoch erschwert werden. Intakte Männer stimulieren sich während der Masturbation häufig durch das Vor- und Zurückschieben der Vorhaut. Diese Möglichkeit der Stimulation bietet sich beschnittenen Männern, je nachdem, wie viel Haut bei der Beschneidung entfernt wurde, jedoch nur noch eingeschränkt. Besonders bei den radikalen Beschneidungsvarianten kann die direkte Stimulation der trockenen Eichel mit der Hand mitunter als unangenehm bis schmerzhaft empfunden werden. Studien zufolge empfinden Männer, die im erwachsenen Alter beschnitten wurden, die Masturbation nach erfolgter Operation mehrheitlich als weniger vergnüglich und lustvoll.[127]
Geschichte der Beschneidung zur Verringerung des sexuellen Vergnügens und der Masturbation
Von Beschneidungsbefürwortern wird die Behauptung vertreten, dass sich die Beschneidung nicht auf die Sexualität auswirke. Die Behauptung, die Beschneidung wirke sich nicht negativ auf die Sexualität aus, ist jedoch relativ neu. Die routinemäßige Beschneidung von Kindern und Säuglingen in der angelsächsischen Welt wurde aus genau diesem Grund eingeführt: als Strafe oder zur Vorbeugung der Masturbation und zur allgemeinen Verminderung der sexuellen Lustempfindung von Jungen und Männern. Die Tatsache, dass die Zirkumzision sehr wohl einen negative Auswirkung auf die Sexualität haben kann, wurde in den medizinischen Literatur bereits 1900 hervorgehoben:
"Schließlich scheint die Zirkumzision die Macht der sexuellen Beherrschung zu erhöhen. Der einzige physiologische Vorteil, den die Vorhaut vielleicht verleiht, ist, dass sie den Penis in einem Zustand erhält, in dem er empfindlicher gegenüber intensiveren Empfindungen ist, als es andernfalls der Fall wäre. Sie steigert vielleicht die Lust beim Geschlechtsverkehr und den Trieb dafür. Aber das sind Vorteile, welche im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft gut entbehrt werden können. Wenn durch ihren Verlust eine Zunahme der sexuellen Beherrschung resultiert, sollte man dankbar sein."[128]
Im gleichen Jahr wurde in der Lancet folgendes veröffentlicht:
"Es wurde als Argument gegen die universelle Übernahme der Zirkumzisionen vorgebracht, dass die Entfernung der schützenden Bedeckung der Eichel dazu neigt, die Sensibilität dieses überaus empfindlichen Struktur abzustumpfen, und dabei das sexuelle Verlangen und die lustbringenden Wirkung des Koitus zu verringern. Zugegeben, das ist wahr, aber meine Antwort ist, was auch immer der Fall in längst vergangenen Tagen gewesen sein mag, Sinnlichkeit braucht in unserer Zeit weder Peitsche noch Sporen, sondern wäre um einiges besser durch einen etwas unsichtigeren Gebrauch der Zügel und des Overcheck."[129]
Im darauffolgenden Jahr bemerkte der Arzt Ernest G. Mark im American Practioner and News:
"Ein weiterer Vorteil der Zirkumzisionen ist die verringerte Anfälligkeit zur Masturbation. Eine lange Vorhaut ist reizend per se, da diese mehr Manipulation des Geschlechtsteils während des Bades notwendig macht. Das verleitet das Kind dazu, mit diesen Teilen zu hantieren, und in aller Regel werden lustvolle Empfindungen durch diese extrem empfindliche Schleimhaut ausgelöst, was zur Manipulation und Masturbation führt. Die Entblößung der Eichel infolge der Zirkumzision verringert die Empfindlichkeit des Organs. Es obliegt daher dem Arzt, dem Familienberater in Fragen der Hygiene und der Medizin, ihre Akzeptanz voranzutreiben."[130]
Im Jahr 1915 riet L.W. Wuesthoff in der Medical World:
"Die Zirkumzision reduziert nicht nur die Irritabilität des Penis, sondern auch die sogenannte Leidenschaft, auf die so viele verheiratete Männer so extrem stolz sind, zum Nachteil ihrer Frauen und ihres Ehelebens. Viele Vergewaltigungen durch Jugendliche könnten vermieden werden, auch viele Trennungen und Scheidungen, und viele unglücklichen Ehen verbessert werden, wenn diese widernatürliche Leidenschaft durch eine rechtzeitige Zirkumzision beseitigt würde."[131]
Sogar noch im Jahr 1935 schrieb R.W. Cockshut:
"Ich empfehle, dass alle männlichen Kinder beschnitten werden. Das ist "wider die Natur", aber das ist genau der Grund, warum es getan werden sollte. Die Natur sieht vor, dass der adoleszente Junge so oft und so proskuitiv wie möglich kopuliert und aus diesem Grund bedeckt sie seine Eichel, sodass sie immer fähig ist, Reize zu empfangen. Die Zivilisation dagegen gebietet Keuschheit, und die Eichel des Beschnittenen nimmt schnell eine lederartige Textur an, die weniger empfindlich als Haut ist."[132]
Kritik an der Beschneidung männlicher Minderjähriger
Die Beschneidung von Jungen ist weiter verbreitet als die Beschneidung von Mädchen. In keiner Kultur findet eine weibliche Beschneidung (die je nach Art der Beschneidung auch als Verstümmelung bezeichnet wird) statt, in der nicht auch die Jungen diesem Ritual unterworfen sind. In vielen Kulturen, welche die männliche Beschneidung praktizieren, gelten der Eingriff und das damit verbundene Ritual als Eintritt in das Erwachsenendasein und zur Heiratsfähigkeit. Die Beschneidung von Jungen stellt objektiv eine körperliche Verletzung dar, die ohne Betäubung starke Schmerzen verursacht und in Ausnahmefällen dauerhafte Schäden oder gar den Tod nach sich ziehen kann.[133] In Ländern der Dritten Welt, etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien wird die Beschneidung jedoch in den seltensten Fällen mit Betäubung und sterilisierten chirurgischen Instrumenten vorgenommen.
2008 wurde als gemeinsame internationale Kampagne der beschneidungskritischen Gruppen NORM-UK (National Organization of Restoring Men) und FORWARD (Foundation for Women's Health, Research and Development), die sich jahrelang getrennt nach Geschlechtern gegen Beschneidung Minderjähriger engagierten, die gemeinsame Initiative "Genital Autonomy" gestartet, die sich gegen jede Art der Genitalbeschneidung von Jungen oder Mädchen richtet, die nicht medizinisch erforderlich ist.[134]</ref>
Vergleich zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung
Die Beschneidung weiblicher Genitalien oder auch Weibliche Genitalverstümmelung wird nach westlichem Verständnis üblicherweise im Kontrast zur Zirkumzision gesehen und klar von dieser unterschieden. Während die Beschneidung des Mannes als kleine, ungefährliche Routineoperation mit vernachlässigbaren Risiken und gesundheitlichen wie sexuellen Vorteilen gesehen wird, wird die Beschneidung der Frau als riskanter sowie Gesundheit und Sexualität einschränkender Eingriff gewertet.[135] Beide Sichtweisen werden zunehmend kritisiert und somit eine klare Abgrenzung beider Eingriffe in Frage gestellt. Entsprechend wird die unterschiedliche politische Positionierung gegenüber beiden Eingriffen kritisiert: Während die männliche Beschneidung in den meisten westlichen Ländern toleriert und mitunter empfohlen wird, findet eine Kriminalisierung der weiblichen Variante statt. Die unterschiedliche Bewertung wird als Ausdruck einer Doppelmoral und westlich-neokolonialen Haltung kritisiert.[135][136]
Rechtslage in Deutschland
Gemäß der herrschenden Meinung deutscher Juristen stellt die Zirkumzision ohne zwingende medizinische Notwendigkeit auch bei ausdrücklicher schriftlicher Einwilligung der Eltern eine vorsätzliche Körperverletzung dar.[137][138][139]
Die Beschneidung als Körperverletzung nach § 223 StGB ist auch dann strafbar, wenn die Personensorgeberechtigten der Beschneidung zugestimmt haben. Denn diese Einwilligung ist unwirksam, da der Eingriff nach der deutschen Rechtsordnung nicht dem „Wohl des Kindes“ § 1627 Satz 1 BGB entspricht, den Personensorgeberechtigten also die Verfügungsgewalt über das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit fehlt.[137][140][141][142]
Dementsprechend entschied das Landgericht Köln im Mai 2012 in einem vielbeachteten Urteil, dass auch die Beschneidung eines minderjährigen Jungen aus religiösen Gründen den Straftatbestand der Körperverletzung erfülle.[143] Nachdem daraufhin eine breite Diskussion der Zirkumzision aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, erfolgte eine gesetzliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die die Zirkumzision Minderjähriger explizit legalisieren soll.[144][145] Seitens Kinderärzteverbänden, Kinderrechtsorganisationen, Humanistenverbänden, Frauenrechtsverbänden und Verbänden von Missbrauchsopfern wurde diese gesetzliche Regelung scharf kritisiert.[145][146][147][148]</ref>[149][150] Eine breite Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnte die gesetzliche Regelung zur Zirkumzision Minderjähriger ebenfalls ab ab.[151]
Situation in anderen Ländern
Großbritannien
In Großbritannien erschien 1949 im British Medical Journal die Abhandlung "The Fate of the Foreskin" von Douglas Gairdner, die zum ersten Mal die Funktionen der Vorhaut beschrieb und die routinemäßige Beschneidung als überflüssig und nachteilig darstellte. Auch das 1948 gegründete staatliche Gesundheitssystem, der National Health Service, übernahm keine Kosten für routinemäßige Zirkumzisionen. In der Folge sanken die Raten der routinemäßigen Beschneidung in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit drastisch von ursprünglich rund 30 % in den 1930ern und noch circa 20 % Ende der 1940er Jahre auf heute unter 0,5 %. Allerdings gelten Gairdners Werte über die Entwicklung der Zurückziehbarkeit der Vorhaut heute als widerlegt.[152]
1996 ist in den Richtlinien der British Medical Association unter „Beschneidung männlicher Neugeborener“ zu lesen:
„Aus therapeutischen Gründen zu beschneiden, obwohl die medizinische Forschung bewiesen hat, dass andere Methoden zumindest genauso effektiv und weniger invasiv sind, wäre unethisch und unangemessen.“
„In der Vergangenheit wurde die Zirkumzision von Jungen als entweder medizinisch oder sozial vorteilhaft angesehen, oder zumindest als neutral. Die allgemeine Ansicht war, das dem Kind kein signifikanter Schaden zugefügt werde und deshalb die Beschneidung mit angemessener Zustimmung durchgeführt werden könnte. Die medizinischen Vorteile, die ehemals vorgebracht wurden, wurden nie auf überzeugende Weise nachgewiesen, und es ist nun weithin anerkannt, einschließlich von der BMA, dass dieses chirurgische Verfahren medizinische und psychologischen Risiken mit sich bringt. Es ist essentiell, dass Ärzte männliche Zirkumzisionen ausschließlich in Fällen durchführen, wo es nachgewiesenermaßen im besten Interesse des Kindes ist. Die Verantwortung, nachzuweisen, dass nicht-therapeutische Zirkumzision im besonderen Interesse des Kindes ist, fällt an die Eltern. Die BMA vertritt die Auffassung, dass das Beweismaterial bezüglich gesundheitlicher Vorteile der nicht-therapeutischen Zirkumzision unzureichend ist, um alleine eine Rechtfertigung für diesen Eingriff darzustellen.“
Schweden
Am 1. Oktober 2001 trat in Schweden – nach einer längeren öffentlichen Debatte wegen Todesfällen von mehreren Babys durch Beschneidungen – ein neues Gesetz in Kraft, dass Beschneidungen ohne medizinische Begründung bei Jungen, die älter als 2 Monate sind, generell verbietet. Beschneidungen an jüngeren Babys dürfen nur noch unter Betäubung und in Anwesenheit eines Arztes vorgenommen werden. Schweden ist damit das erste Land der Welt, das rituelle Beschneidungen, die ohne Zustimmung der Betroffenen vorgenommen werden, durch Gesetz explizit eingeschränkt hat.
Niederlande
In den Niederlanden, erklärte 2010 die Royal Dutch Medical Association (KNMG) (dt. etwa Königlich Niederländischer Ärzteverband), dass die nicht-therapeutische Beschneidung von Jungen das "Recht des Kindes auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit verletzt". Sie riefen Ärzte dazu auf, Sorgeberechtigten, die den Eingriff verlangten, über die medizinischen und psychologischen Risiken des Eingriffs und das Fehlen von medizinischen Vorteilen zu informieren. Sie erklärten ferner, dass es gute Gründe für ein Verbot der männlichen Beschneidung gebe, wie bereits für die Beschneidung weiblicher Genitalien besteht.[153]
- Es gibt keine überzeugenden Beweise, dass die Zirkumzision nutzbringend oder notwendig sei, was die Hygiene oder Prävention von Krankheiten betrifft.
- Teilweise in Anbetracht der Komplikationen, welche während oder nach der Zirkumzision entstehen können, ist die Zirkumzision nicht zu rechtfertigen, außer aus medizinischen oder therapeutischen Gründen. Insofern, dass medizinische Vorteile bestehen, so wie ein behauptetes reduziertes Risiko der HIV-Infektion, ist es vernünftig, die Zirkumzision auf ein Alter zu verschieben, in dem ein solches Risiko relevant ist und der Junge/Mann sich selbst für diesen Eingriff entscheiden oder geeignete Alternativen wählen kann.
- Im Gegensatz zu dem, was gemeinhin angenommen wird, bringt die Zirkumzision das Risiko von medizinischen und psychologischen Komplikationen mit sich.
- Die häufigsten Komplikationen sind Blutungen, Infektionen, Meatusstenosen und Herzattacken. Partielle oder komplette Penisamputationen als Folge von Komplikationen der Zirkumzisionen wurden auch dokumentiert, genauso wie psychologische Probleme infolge der Zirkumzision.
- Die nicht-therapeutische Zirkumzision von männlichen Minderjährigen steht im Gegensatz zum Grundsatz, dass Minderjährige nur medizinischen Behandlungen unterzogen werden dürfen, wenn Krankheiten oder Anomalien vorhanden sind, oder wenn überzeugend nachgewiesen werden kann, das der medizinische Eingriff im Interesse des Kindes ist, wie im Falle von Schutzimpfungen.
- Die nicht-therapeutische Zirkumzision verletzt das Recht männlicher Minderjähriger auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit.
- Die KNMG ruft die Ärzte dazu auf, die Eltern/Sorgeberechtigten, die erwägen, ihre minderjährigen Kinder ohne medizinische Begründung beschneiden zu lassen, explizit über das Risiko für Komplikationen und das Fehlen von überzeugenden medizinischen Vorteilen zu informieren. Die Tatsache, dass die Beschneidung ein medizinisch nicht notwendiger Eingriff mit einem realen Risiko von Komplikationen ist, macht die Qualität dieser Beratung besonders wichtig. Der Arzt muss die informierte Zustimmung in den medizinischen Unterlagen vermerken.
- Die KNMG respektiert die tiefen religiösen, symbolischen und kulturellen Gefühle, welche die Praktik der nicht-therapeutischen Zirkumzision umgeben.
- Die KNMG ruft zu einem Dialog zwischen Ärzteorganisationen, Experten und religiösen Gruppen auf, um das Problem der nicht-therapeutischen Zirkumzision auf die Agenda zu setzen und es schließlich so stark wie möglich einzuschränken.
- Es gibt gute Gründe für ein rechtliches Verbot der nicht-therapeutischen Zirkumzision von männlichen Minderjährigen, wie es bereits für die weibliche Genitalverstümmelung existiert.
Weblinks
Medizinische Informationen
- Informationen für Eltern zum Thema Beschneidung
- www.beschneidung-von-jungen.de Gesundheitsportal speziell zur Beschneidung. Bietet ausführliche und evidenzbasierte Informationen über die Beschneidung und ihre gesundheitlichen, psychischen und sexuellen Auswirkungen.
- Stellungnahme zum Urteil des Kölner Landgerichts bezüglich medizinisch nicht-notwendigen Beschneidungenn an minderjährigen Jungen
Videos
- Neugeborenenbeschneidung (Beschneidung mit einer Gomco-Klemme)
Hinweise
- Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
- Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Rechtsthemen!
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