Kölner Beschneidungsurteil

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Das sog. Kölner Beschneidungsurteil meint ein Urteil[1], das das Landgericht Köln am 7. Mai 2012 in zweiter Instanz fällte. Das Gericht stuft darin die Zirkumzision als Körperverletzung ein, welche durch eine religiöse Motivation und den Wunsch der Eltern nicht gerechtfertigt werde und nicht im Wohle des Kindes sei.

Zugrunde lag folgender Fall: Am 4. November 2010 beschnitt ein muslimischer Arzt in seiner Praxis in Köln einen zu dem Zeitpunkt vierjährigen Jungen muslimischer Eltern auf deren Wunsch nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Starke Nachblutungen führten dazu, dass die Mutter den Jungen am 6. November 2010 in die Universitätsklinik Köln brachte, wo die Blutungen gestillt werden konnten. Die Süddeutsche Zeitung berichtete dazu, die Nachbehandlung der Beschneidung sei "in Vollnarkose" erfolgt. Der Junge sei für mehrere Tage auf eine Kinderstation gekommen. Drei Verbandswechsel hätten ebenfalls in Narkose stattgefunden. In dem Arztbrief stehe weiter, die freiliegende Penisoberfläche und die Eichel seien "uneben, zerfressen und fibrinös belegt" gewesen. Zehn Tage sei der Junge insgesamt in klinischer Behandlung gewesen.[2]

Obwohl der Tatbestand der Körperverletzung festgestellt wurde, wurde der Arzt aufgrund mangelnder vorliegender Rechtsprechung zum Thema der Beschneidung freigesprochen, da er in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld (§ 17 Satz 1 StGB) gehandelt habe.

Da nachfolgende Fälle von Beschneidung aufgrund dieses Urteils nicht mehr durch "unvermeidbaren Verbotsirrtum" geschützt wären, erregte das Urteil größere Aufmerksamkeit und leitete einen Richtungswechsel in der Rechtsauffassung zum Thema Knabenbeschneidung in Deutschland ein.

Das Landgericht Köln bezog sich vor allem auf frühere Veröffentlichungen[3] von Holm Putzke zum Thema und stellte fest, dass weder das Erziehungsrecht der Eltern noch die Religionsfreiheit der Eltern ausreichende Gründe wären, die irreversible Beschneidung von Genitalien zu rechtfertigen.

"Jedenfalls zieht Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG selbst den Grundrechten der Eltern eine verfassungsimmanente Grenze. Bei der Abstimmung der betroffenen Grundrechte ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist, wenn sie denn erforderlich sein sollte, jedenfalls unangemessen. Das folgt aus der Wertung des § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zudem wird der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider.

Umgekehrt wird das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten sind abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet."[4]

Das Kölner Beschneidungsurteil wurde zum Auslöser der bislang heftigsten und längsten Beschneidungsdebatte in Deutschland. Vor allem Religionsvertreter der beschneidenden Religionen setzten die Politik unter Druck, schnellstmöglich auf gesetzlichem Wege zu verhindern, dass dieses Urteil allgemeingültigen Bestand haben würde. Die öffentliche Debatte wurde nach heutigem Erkenntnisstand vor allem durch Äußerungen aus der Europäischen Rabbiner-Konferenz im Juli 2012 entfacht. Das Urteil hatte sich zwar auf einen Jungen muslimischer Eltern bezogen, doch waren von Seiten der Muslime in Deutschland zu Anfang und auch im Verlauf der Debatte nie so harsche Vorwürfe in der Beschneidungsdebatte zu hören wie von jüdischen Religionsvertretern. Das Kölner Beschneidungsurteil wird seither auch international immer wieder als Richtungswechsel zitiert, wenn Beschneidungsbefürworter, Intaktivisten und Juristen über Beschneidung diskutieren.

Weblinks

Einzelnachweise