Rechtslage zu Genitalverstümmelung

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Die medizinisch nicht indizierte Zirkumzision von Kindern gehört nicht nur zu den verbreitetsten chirurgischen Eingriffen weltweit, sondern auch zu den ältesten. Wahrscheinlich liegt es in dieser langen Tradition begründet, dass sie zwar den gängigen westlichen Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und auch ärztlicher Ethik zuwiderläuft, aber dennoch weitestgehend geduldet wird, obwohl so gut wie nirgends gesetzliche Ausnahmeregelungen existieren. Die wenigen Regelungen, die teils erst in jüngster Vergangenheit in Kraft traten, befassen sich in der Regel nur mit den Rahmenbedingungen. Es wird festgelegt, wie und unter welchen Voraussetzungen die Operation vorgenommen werden muss, die generelle Vereinbarkeit mit den Grund- und Menschenrechten hingegen wird nur selten hinterfragt, geschweige denn berücksichtigt.

Beispiele für gesetzliche Regelungen bei männlicher Genitalverstümmelung

Die nachfolgenden Informationen wurden zum Teil aus der deutschen Wikipedia übernommen:[1]

Belgien

Der Ausschuss für Bioethik der belgischen Bundesregierung hat gegen die Beschneidung von Säuglingen aus anderen Gründen als der medizinischen Notwendigkeit entschieden. Sein Urteil besagt, dass körperliche Unversehrtheit wichtiger ist als religiöser Glaube.[2]

Deutschland

Generell erfüllte bis Dezember 2012 die Beschneidung eines Minderjährigen den Tatbestand der Körperverletzung. In der Praxis wurde die Beschneidung jedoch nicht rechtlich geahndet, da Unklarheit darüber herrschte, ob die Eltern berechtigt sind, an Stelle des Kindes die Einwilligung zur Operation zu geben (vgl. § 228 StGB).

Im Jahr 2004 fällte das Landgericht Frankenthal ein Urteil zur Beschneidung durch Nicht-Mediziner, wobei eine rechtlich wirksame Einwilligung der Eltern verneint wurde.

Im August 2007 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main fest, dass die Entscheidung über eine Beschneidung wegen der "körperlichen Veränderung, die nicht rückgängig gemacht werden kann, [...] in den Kernbereich des Rechtes einer Person [fällt], über sich und ihr Leben zu bestimmen."

Das Landgericht Köln sprach am 7. Mai 2012 in zweiter Instanz ein Urteil[3], das die Zirkumzision als Körperverletzung einstuft, welche durch eine religiöse Motivation und den Wunsch der Eltern nicht gerechtfertigt werde und die nicht im Wohle des Kindes sei.

Das Urteil vom Mai 2012 löste heftige Proteste von Vertretern religiöser Gruppen aus, woraufhin von Seiten der Politik umgehend mit der Zusage reagiert wurde, dass die religiös motivierte Beschneidung von minderjährigen muslimischen und jüdischen Jungen in Deutschland erlaubt bleiben würde.

Am 23. August 2012 einigte man sich in einer öffentlich Plenarsitzung des Deutschen Ethikrates "ungeachtet tiefgreifender Differenzen" (!) auf vier Mindestanforderungen für eine gesetzliche Regelung:

  • umfassende Aufklärung und Einwilligung der Sorgeberechtigten
  • qualifizierte Schmerzbehandlung
  • fachgerechte Durchführung des Eingriffs sowie
  • Anerkennung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts des betroffenen Jungen.

Die explizite Erwähnung tiefgreifender Differenzen verdeutlicht die Schwierigkeit, eine Beschneidung minderjähriger Jungen gesetzlich zu Regeln. Das Gesetzgebungsverfahren führte innerhalb der deutschen Gesellschaft zu einer breiten öffentlichen Debatte über Legitimität und Legalität der Beschneidung Minderjähriger. Trotz heftigen Widerstands von Ärzteverbänden, Juristen, Verfassungs-, Kinder- und Menschenrechtlern sowie rund 100 Abgeordneten trat im Dezember 2012 folgendes Gesetz in Kraft:

§ 1631d BGB

Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Somit ist eine nicht-therapeutische Zirkumzision an nicht einsichts- und urteilsfähigen Jungen generell mit jedem beliebigen Motiv legal. Ein Vetorecht für die betroffenen Kinder wurde im Bundestag abgelehnt, ebenso ein Änderungsantrag, der eine 5-jährige Evaluierung der Regelungen vorsah. Die Ermächtigung für das Bundesministerium für Gesundheit, nähere Anforderungen und Modalitäten — unter anderem bezüglich Schmerzbehandlung und Qualifikation nichtärztlicher Beschneider — durch zusätzliche Rechtsverordnungen zu regeln, wurde ebenfalls abgelehnt. Auch einer Forderung nach einer Dokumentationspflicht für nicht-therapeutische Beschneidungen kam man nicht nach. Die bloße Absichtserklärung, dass nach den Regeln der ärztlichen Kunst gearbeitet werden soll, reicht aus.

Im Dezember 2012 ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap, dass nur 24 Prozent der befragten Bürger/innen dieses Gesetz befürworten. 70 Prozent lehnen es explizit ab.[4][5]

Anweisungen an Staatsanwaltschaften

Der Professor für Staatsrecht Martin Hochhuth behauptete in einem Interview in der Jüdischen Allgemeinen, dass in mindestens drei Bundesländern Deutschlands die Staatsanwaltschaften angewiesen wurden, "bei kunstgerechten, religiös begründeten Beschneidungen nicht anzuklagen".[6]

Finnland

Ende 1999 hat das Parlament in Finnland eine Erklärung bezüglich ritueller Beschneidung abgegeben. Ombudsfrau Riitta-Leena Paunio bemerkte, dass diese Operation ohne medizinische Begründung nicht zu empfehlen sei, die betroffenen Kinder sollten vorher befragt werden und ihre Zustimmung dazu geben. Sie sagte, das finnische Parlament müsse die religiösen Rechte der Eltern abwägen gegen die Verpflichtung der Gesellschaft, ihre Kinder vor rituellen Operationen ohne unmittelbaren Vorteil für sie zu schützen. Dort ist seither die schriftliche Zustimmung beider Elternteile erforderlich.

Frankreich

In Frankreich liegt keine explizite Regelung der Beschneidung vor. Die Frage der elterlichen Einwilligung wird weder unter religiösen Aspekten noch vom Erziehungsrecht diskutiert. Artikel 16.3 des Zivilgesetzbuches bringt zum Ausdruck, dass "die Integrität des menschlichen Körpers nicht verletzt werden darf, außer in Fällen medizinischer Notwendigkeit für den Betroffenen". Es findet jedoch eine stillschweigende Duldung der Beschneidung Minderjähriger statt.

Italien

In Italien besteht eine Grundlagenvereinbarung zwischen dem Staat und der Vereinigung der Israelitischen Gemeinden, die 1987 verfasst und 1989 im Gesetz verankert wurde. Darin ist implizit enthalten, dass die jüdische Beschneidungspraxis mit den Prinzipien der italienischen Rechtsordnung in Einklang steht. Nach Artikel 19 der Italienischen Verfassung ist die Religionsfreiheit zu respektieren, solange keine Handlungen vorgenommen werden, die gegen die guten Sitten verstoßen.

In einem Urteil des obersten Kassationsgerichtshofs vom 24. November 2011 wurde eine Mutter freigesprochen, deren Säugling fast verblutete, nachdem er von einem medizinisch nicht qualifizierten Laien beschnitten wurde.

Österreich

In Österreich ist Körperverletzung wie in Deutschland strafbar, ohne dass es eine Sonderregelung für Beschneidungen gibt. Dagegen gibt es — anders als in Deutschland — in den österreichischen Verfassungsgesetzen kein ausdrückliches Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, jedoch ist nach § 146a ABGB "die Anwendung von Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides" durch die Eltern unzulässig. Laut § 90 (3) StGB kann "in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen," nicht einmal von Erwachsenen eingewilligt werden. Andererseits berechtigt das „Israelitengesetz“ die Israelitische Religionsgesellschaft und ihre Mitglieder, "Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Schule durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen". Die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen wird vom österreichischen Justizministerium nicht für strafbar gehalten, begründet wird dies durch das Elternrecht.

Schweden

In Schweden ist die Zirkumzision ohne medizinische Indikation an Jungen unter 18 Jahren seit 2001 durch das „Lag (2001:499) om omskärelse av pojkar“ (Gesetz betreffend die Beschneidung von Jungen) geregelt. Danach sind solche Zirkumzisionen als chirurgischer Eingriff grundsätzlich von einem approbierten Arzt und unter Anästhesie durchzuführen. Bei einem Jungen bis zu zwei Monaten kann auch eine andere befähigte Person mit staatlicher Zulassung die Zirkumzision vornehmen. Dies gilt namentlich für Personen, die von Glaubensgemeinschaften vorgeschlagen werden, in denen die Beschneidung Teil der religiösen Tradition ist. Personen, die die Zirkumzision ohne die notwendige Qualifikation bzw. Zulassung vornehmen, droht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten an. Die Beschneidung bedarf der Zustimmung der Sorgeberechtigten. Sie darf nicht gegen den Willen des Kindes erfolgen, sofern es das Alter und die notwendige Reife für eine solche Erklärung hat.

USA

Die USA haben unter allen westlichen Staaten die mit Abstand höchste Quote an Beschneidungen. An vielen Entbindungskliniken ist die routinemäßige Beschneidung neugeborener Jungen üblich. Der US-Ärzteverband AAP befürwortet als weltweit einzige namhafte Ärztevereinigung noch die nicht-therapeutische Beschneidung an Säuglingen und Kindern. Im Herbst 2010 haben kalifornische Intaktivisten ein Verbot der Routine-Beschneidung gefordert und damit eine landesweite gesellschaftliche Diskussion des Themas ausgelöst.

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Es fällt auf, dass trotz der weiten Verbreitung der nicht-therapeutischen Kindesbeschneidung und der Tatsache, dass sie vielen nationalen Gesetzen widerspricht, kaum ein Land explizite Ausnahmegesetze erlassen hat. Das Prinzip der stillschweigenden Duldung, ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit, ist gängige Praxis.


Beispiele für gesetzliche Regelungen bei weiblicher Genitalverstümmelung

Deutschland

In Deutschland ist seit 2013 in § 226a StGB die Verstümmelung weiblicher Genitalien verboten, unabhängig vom Alter der weiblichen Person.

Kenia

Das Gesetz zum Schutz vor weiblicher Genitalverstümmelung (#32 von 2011) schützt Frauen und Mädchen in Kenia rechtlich vor Genitalverstümmelung.[7]

Schweiz

In der Schweiz ist seit 2012 die Verstümmelung weiblicher Genitalien in Art. 124 des Schweizerischen Strafgesetzbuches verboten.[8]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. REFweb Regelung der Beschneidung Minderjähriger in einzelnen Staaten, Wikipedia. Abgerufen 12. Oktober 2019.
  2. REFweb Hope, Alan (21. September 2017). Ethics committee rules against infant circumcision, The Bulletin, Flanders Today. Abgerufen 22. September 2019.
  3. REFweb Rechtsprechung: LG Köln, 07.05.2012 - 151 Ns 169/11. Abgerufen 12. Oktober 2019.
  4. REFweb Mehrheit der Bevölkerung lehnt Beschneidungsgesetz ab, MOGiS e.V.. Abgerufen 12. Oktober 2019.
  5. REFweb Bewertung der gesetzlichen Regelung zu Beschneidungen, infratest dimap. Abgerufen 12. Oktober 2019.
  6. REFweb Kauschke, Detlef David (10. Dezember 2012). »Fragen Sie den Staatsanwalt!«, Jüdische Allgemeine. Abgerufen 24. Oktober 2019.
    Zitat: Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin. Dort sind die Staatsanwälte angewiesen, bei kunstgerechten, religiös begründeten Beschneidungen nicht anzuklagen.
  7. REFweb Githinji, George (30. Juli 2019). The Legal Framework For Female Genital Mutilation in Kenya, AfroCave. Abgerufen 24. Oktober 2019.
  8. REFweb (2012). Art. 124: 3. Körperverletzung. / Verstümmelung weiblicher Genitalien, Portal der Schweizer Regierung. Abgerufen 25. September 2019.