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Christoph Kupferschmid

5.822 Bytes hinzugefügt, 07:58, 31. Mai 2016
WWDOGA-Rede: Transskript hinzugefügt
Beim [[Wissenschaftliches Symposium|Wissenschaftlichen Symposium]] am Tag vor dem [[WWDOGA]] 2014 hielt er einen Vortrag zum Thema: "Prävalenz von Komplikationen bei Vorhautentfernungen"<ref>http://genitale-autonomie.de/videos-der-vortraege/kupferschmid/</ref>.
 
Transskript seiner Rede vom WWDOGA 2016 (mit Dank an [[Stefan Schritt]]):
<blockquote>
Schönen Dank für die Einladung, dass ich heute zu Ihnen sprechen kann. Sehen Sie mir nach, dass ich das nicht so frei machen kann, sondern doch ein bisschen meine Noten brauche zum Singen.
 
Ich spreche zu Ihnen als Kinder- und Jugendarzt, als Repräsentant des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland, der seinen Sitz hier in Köln hat und der fast alle niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte und einen ganz großen Teil der Kinder- und Jugendärzte die in den Kliniken arbeiten vertritt.
Alle Kinder- und Jugendärztlichen Fachgesellschaften in Deutschland lehnen Beschneidungen bei kleinen Jungen ab, wenn für diese Operation keine wichtige medizinische Indikation, wenn keine wichtigen medizinischen Gründe dafür bestehen. Die große Mehrheit der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland ist anderer Meinung als die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Eltern sollen nicht ohne zwingende medizinische Gründe darüber entscheiden dürfen, ob ihre Söhne beschnitten werden oder nicht.
 
Die Beschneidung ist eine Verletzung des Körpers der Kinder, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Es bleibt eben nicht nur eine kleine Narbe wie nach einer Operation; nach der Beschneidung fehlt dem Jungen etwas. Es fehlt Schutz, es fehlt Empfindsamkeit an seinem Penis. Aber nicht nur der Körper wird verletzt, sondern auch die Seele des Kindes wird durch die Beschneidung verletzt.
An intimster, an sensibelster Stelle werden ihm Schmerzen zugeführt, die über Tage anhalten. Die Erwachsenen bestimmen das so, sie halten ihn fest, sie machen ihn willenlos, er muss es über sich ergehen lassen, er versteht es nicht, und es tut noch so lange so weh.
 
Wir Kinder- und Jugendärzte sind überzeugt, dass die Menschenrechte an oberster Stelle unserer Werteskala stehen. Kinderrechte sind Menschenrechte. Das Recht eines Kindes auf einen unversehrten Körper zählt mehr als das Recht der Eltern auf die Erziehung. Das Selbstbestimmungsrecht des Kindes steht bei uns weit höher als das Bestimmungsrecht der Religionen. Niemand akzeptiert eine Prügelstrafe, nur weil manche Menschen es aus der Bibel lesen, dass Prügel notwendig sind für die Erziehung von Kindern.
Wir Kinder- und Jugendärzte wollen, dass Jungen in unserer Gesellschaft die gleichen Schutzrechte genießen wie die Mädchen. Wir wenden uns entschieden gegen Überlegungen sogenannter Medizinethiker in Amerika, eine - wie sie sagen - kleine Mädchenbeschneidung zu erlauben, und dass diese kleine Beschneidung bei den Mädchen ein Schutz sei vor der späteren, großen Beschneidung. Das sind völlig unbewiesene Behauptungen, das sind abstruse Überlegungen, die dort in großen Ethical Journals in der amerikanischen Medizinwelt jetzt wieder, 2016 veröffentlicht wurden.
Ob groß ob klein, ob Jungen ob Mädchen, wer schlagen will, schlägt, wer beschneiden will, beschneidet. Das ist keine ethische Situation, das ist keine ethische Haltung, das ist keine ärztliche Haltung - wir dürfen das nicht erlauben.
 
Wir Ärzte dürfen aber auch nicht übersehen, dass eine riesige Anzahl von Jungen ohne jeglichen religiösen und ohne jeglichen medizinischen Grund in Deutschland beschnitten werden. Sie werden beschnitten, weil Ärzte schlecht ausgebildet sind. Medizinstudenten und Ärzte lernen in ihrer Ausbildung und ihrer Weiterbildung Dinge über die Vorhaut, die noch aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammen. Sie lernen, dass die Vorhaut überflüssig sei, dass man sie abschneiden kann, und viele glauben noch, dass die Jungen im Schulalter ihre Vorhaut leicht und zwanglos zurückziehen können müssen, sonst müssten wir Ärzte eingreifen. Vor wenigen Jahren konnten wir nachweisen, dass jedes Jahr in Deutschland beinahe 30.000 Jungen ohne religiöse Motivation und gleichzeitig ohne medizinische Begründung beschnitten werden. Beinahe 30.000 Opfer, Jungen, von Verstümmelung durch Ärzte. Verstümmelung aus Unwissen, Verstümmelung aus Gleichgültigkeit, und eine Verstümmelung, an der Einzelne gut verdienen.
 
Wenn wir als Kinder- und Jugendärzte Kinderrechte ernst nehmen, wenn wir unseren ärztlichen Auftrag ernst nehmen, dann haben wir beim Thema Beschneidung eine riesige Verantwortung, und wir haben noch viel zu tun. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen damit aufhören, jedes Jahr zigtausende Kinder, Jungen, grundlos zu verletzen. Wir müssen sie besser ausbilden, wir müssen sie besser über die Risiken und Nebenwirkungen und den Unsinn ihres Tuns informieren.
 
Und manchmal müssen wir ihnen in den Arm fallen und ihnen das Messer wegnehmen.
Es muss ein Ende haben damit, dass kleinen Jungen grundlos Schmerzen zugefügt werden.
Es muss ein Ende haben damit, dass kleinen Jungen ein Organ angeschnitten wird, das sie später vermissen.
Es muss ein Ende haben, dass kleinen Jungen seelische Verletzungen zugeführt werden, die manchen viele Jahre oder ein ganzes Leben etwas von ihrer Lebensfreude nehmen.
Es muss ein Ende damit haben, dass Erwachsene Kindern bleibende körperliche und seelische Schäden zuführen dürfen, wenn es hierfür keinen Grund gibt in der größtmöglichen gesundheitlichen Entwicklung später.
Wir müssen den Beschneidern in den Arm fallen, wir müssen rituellen Beschneidern das Messer wegnehmen, wenn wir sie nicht überzeugen können. Wir müssen den Ärzten das Beschneidungsmesser wegnehmen, wenn sie es fahrlässig und ohne ausreichende Kenntnisse handhaben.
 
Ich danke Ihnen, dass Sie hier für diese Arbeit stehen, und dass Sie mir Gelegenheit geben, als Kinder- und Jugendarzt unsere Verantwortung und unsere Aufgabe hier noch einmal zu formulieren und zu verdeutlichen.
 
Schönen Dank!
</blockquote>
 
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