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Zirkumzision

11.807 Bytes hinzugefügt, 20:08, 19. Mär. 2014
Kapitel 5 des Zirkumpendiums hinzugefügt
''Der nachfolgende Text stammt aus dem [[Zirkumpendium]].''
 
== Nicht-medizinische Motive für die Zirkumzision ==
 
Neben der medizinischen Indikation bei pathologischer Phimose gibt es auch andere Beweggründe für eine Vorhautbeschneidung.
 
=== Ästhetische Gründe ===
 
Das optische Erscheinungsbild des Penis wird durch eine Beschneidung gravierend verändert. Hierbei entscheidet jeweils der persönliche Geschmack, ob ein beschnittener oder natürlicher Penis ansprechender aussieht. Da eine Beschneidung nicht rückgängig gemacht werden kann, sollte man sich vor einer ästhetisch motivierten Zirkumzision genauestens über die Risiken und möglichen Spätfolgen informieren, um abwägen zu können, ob der erzielte optische Gewinn die körperlichen Veränderungen rechtfertigt.
 
Da diese Veränderungen und ihre möglichen Folgen vom demjenigen lebenslang zu tragen sind, der aus ästhetischen Gründen beschnitten werden soll, und darüber hinaus auch seinem persönlichen Geschmack entsprechen müssen, kann eine rechtmäßige Entscheidung zur ästhetisch motivierten Zirkumzision nur vom zu Beschneidenden selber getroffen werden, wenn er aufgrund seines Alters und seiner geistigen Reife dazu in der Lage ist. In der Regel sollte dies mit erreichen der Volljährigkeit der Fall sein.
 
=== Moralische Gründe ===
 
Die Zirkumzision entfernt mit der Vorhaut rund 70 % des gefühlsempfindlichen Gewebes des Penis, was das sexuelle Empfindungsvermögen entsprechend stark verringert. Durch den Wegfall von rund 50 % der gesamten Haut des Penis verliert dieser die Reservehaut, die bei erigiertem Penis die Verschiebbarkeit und somit den Gleitlager-Effekt sicherstellt.
 
In der Vergangenheit wurde dieser Umstand genutzt, um Kindern die Masturbation zu erschweren, die man aus moralischen Gründen als verwerflich ansah und die als Ursache für verschiedene Krankheiten verdächtigt wurde. Näheres dazu im Kapitel "Geschichtliche Hintergründe". Heute weiß man, dass Masturbation keine negativen gesundheitlichen Folgen hat, sondern sich durchaus positiv auf die sexuelle Entwicklung des Heranwachsenden auswirken kann. In Folge der Aufklärung wird das Thema Sexualität heute nicht mehr als Tabu angesehen und auch die Selbstbefriedigung wird als natürlicher Teil der menschlichen Sexualität, und nicht mehr als unmoralisch betrachtet. Eine Zirkumzision aus moralischen Gründen – die nur minderjährige Jungen beträfe – ist in der heutigen Zeit somit nicht mehr zu rechtfertigen.
 
=== Hygienische Gründe ===
 
Ein oft angeführter Grund, für eine Beschneidung ist die Annahme, es würden sich hieraus hygienische Vorteile ergeben. Man muss dieses Argument im Kontext der Umfeldes sehen, in dem der betroffene Mensch aufwächst. Dass schlechte hygienische Verhältnisse, insbesondere mangelnder Zugang zu sauberem Trinkwasser, ein ernstzunehmendes Problem darstellen, ist allgemein bekannt. Grade die Situationen in Katastrophengebieten oder Flüchtlingscamps in der sogenannten dritten Welt führen uns das immer wieder vor Augen.
 
In den westlichen Industrienationen besteht dieses Problem nicht. Die Möglichkeit zur täglichen Körperpflege ist gegeben und sie wird in diesen Ländern deshalb auch als Selbstverständlichkeit angesehen. Findet die Reinigung der Geschlechtsteile – und davon ist auszugehen – auf einer täglichen Basis statt, so können sich unter der Vorhaut auch keine Ansammlungen an Keimen bilden. Die Säuberung der Eichel und des Bereiches unter der Vorhaut ist simpel – man wäscht sie einfach mit, so wie auch die Zwischenräume der Zehen.
 
Bei kleinen Kindern, bei denen sich die Vorhaut noch nicht zurückziehen lässt, ist eine Reinigung nicht erforderlich, da die Membran, die Eichel und Vorhaut in diesem Entwicklungsstadium verbindet, eine Ansammlung von Keimen verhindert. Auch das so genannte "Ballooning", also das Aufblähen der Vorhaut beim Wasserlassen, stellt keinen Grund zu Besorgnis dar.
 
Die bei Kindern oft enge Öffnung der Vorhaut wirkt hier wie ein Einweg-Ventil, das sich öffnet, um dem Urin abfluss zu gestatten, und verhindert ansonsten das Eindringen von Keimen, z.B. aus der verschmutzten Windel. Solange das Kind normal Wasser lassen kann, funktioniert alles wie von der Natur vorgesehen.
 
Aber auch in Gebieten, in denen schlechtere hygienische Verhältnisse und eine mangelnde medizinische Versorgung herrschen, ist der Vorteil der leichteren Reinigung eines beschnittenen Penis kritisch zu betrachten. Zwar können sich auch bei länger ausbleibender Körperpflege keine Keime unter der Vorhaut ansammeln, dem gegenüber steht jedoch das Initialrisiko der Beschneidung selbst. Wird diese Operation ohne ausreichende Sterilität durchgeführt, so besteht ein hohes Risiko für Infektionen der Wunde. Dies gilt auch für die Behandlung von gängigen Komplikationen wie Nachblutungen.
 
Dem Vorteil der einfacheren Hygiene steht somit die Gefahr gegenüber, bei der Operation bereits schwerwiegende Infektionen – darunter auch HIV – zu begünstigen. In einigen Teilen Afrikas sterben jährlich dutzende Kinder eines Stammes an den Folgen ihrer Beschneidung.
 
=== Prophylaktische Gründe ===
 
Der Zirkumzision werden von einigen Seiten auch gesundheitlich vorbeugende Effekte zugeschrieben. Besonders in den USA halten sich diese Argumente seit über 100 Jahren, mit stetig wechselnden Krankheiten, denen eine Beschneidung vorbeugen soll. Anfangs waren es noch Krankheiten, für die man die Selbstbefriedigung als Auslöser zu kennen glaubte. Nach der Entdeckung von Bakterien und Viren änderten sich die Argumente, und es wurden nach und nach verschiedenste Krankheiten angeführt.
 
* Phimose: Wie bereits oben erwähnt, ist die echte Phimose selten und auch ohne operative Eingriffe gut behandelbar. Nach einer Studie von Blalock et al. (2003)<ref>Blalock HJ, Vemulakonda V, Ritchey ML, Ribbeck M. Outpatient management of phimosis Following newborn circumcision. J Urol 2003;169(6):2332-4.</ref> kommt es bei 2,9 % der Beschnittenen zu einer postoperativen Phimose, bei der sich die Beschneidungsnarbe zusammenzieht. Bei unbeschnittenen Patienten beträgt die Häufigkeit lediglich 1 % (siehe Studie von Jakob Øster weiter oben). Somit scheidet eine Beschneidung als Phimose-Prophylaxe aus.
* Geschlechtskrankheiten: Grade im Bereich der Übertragung von Geschlechtskrankheiten hat es im Laufe der Zeit mannigfaltige Studien gegeben.
* Vorab muss hierzu gesagt werden, dass jede Form von Schutz gegenüber diesen Krankheiten nur Personen betrifft, die auch sexuell aktiv sind. Eine Beschneidung im Kindesalter ist hierdurch nicht zu rechtfertigen, da alle vermuteten Schutzeffekte erst in einem Alter zum Tragen kämen, in dem der Junge die Entscheidung zur Zirkumzision bereits selber treffen kann.
* Die Vorhaut hält, wie oben bereits erwähnt, die Eichel feucht. Diese subpräputiale Feuchtigkeit enthält unter anderem das Enzym Lysozym, das die Zellwände von Bakterien zerstört und somit einen natürlichen antibakteriellen Schutzmantel bildet. Dies erklärt die Ergebnisse einiger Studien, so z.B. Laumann et al.<ref>Laumann EO, Masi CM, Zuckerman EW. Circumcision in the United States: prevalence, prophylactic effects, and
sexual practice. JAMA 1997;277:1052-7.</ref>, die bei bakteriellen Geschlechtskrankheiten eine höhere Infektionsrate unter beschnittenen Männern feststellte als unter unbeschnittenen.
* Auch die Untersuchungen von Fleiss et al.<ref>Fleiss PM, Hodges FM, Van Howe RS. Immunological functions of the human prepuce. Sex Transm Inf
1998;74:364-7.</ref> untermauern dies. Das generelle Sexualverhalten des Mannes – also Faktoren wie häufiger Partnerwechsel oder der Gebrauch von Kondomen – hat nach Ansicht der AAP einen erheblich bedeutenderen Einfluss auf sexuell übertragbare Krankheiten als der Beschneidungsstatus.<ref>Task Force on Circumcision. Circumcision policy statement. Pediatrics 1999;103(3):686-93.</ref>
* HIV/AIDS: In jüngster Zeit wurde immer wieder das Argument vorgebracht, eine Beschneidung könne die Ausbreitung von HIV eindämmen.
* Hierzu vorab zwei Anmerkungen: Zum einen ist der Gebrauch von Kondomen nach wie vor der mit Abstand beste Schutz vor einer Ansteckung. Bei so geschütztem Geschlechtsverkehr spielt der Beschneidungsstatus keine Rolle mehr.
* Zum anderen beträfe der vermutete Schutz beim ungeschützten Verkehr nur gesunde Männer, die mit einer infizierten Frau verkehren. Ein infizierter Mann kann eine Frau durch Übertragung seiner Körperflüssigkeiten anstecken, wobei der Beschneidungsstatus keine Rolle spielt. Somit bleibt der Gebrauch von Kondomen für eine Eindämmung der Verbreitung von HIV unerlässlich, was eine Beschneidung wiederum unnötig macht.
* Durch den unumgänglichen Verlust von Empfindungsfähigkeit in Folge einer Beschneidung ist zudem die Versuchung gegeben, auf Kondome zu verzichten, um nicht noch mehr Empfindung einzubüßen.<ref>Hooykaas C, van der Velde FW, van der Linden MM. et al. The importance of ethnicity as a risk factor for STDs and sexual behaviour among heterosexuals. Genitourin Med 1991; 67(5): 378-83.</ref><ref>Michael RT, Wadsworth J, Feinleib J, et al. Private sexual behavior, public opinion, and public health policy related to sexually transmitted diseases: a US-British comparison. Am J Public Health 1998;88(5):749-54.</ref><ref>Laumann EO, Masi CM, Zuckerman EW. Circumcision in the United States: prevalence, prophylactic effects, and sexual practice. JAMA 1997;277:1052-7.</ref>
* Zwei Anfang 2007 veröffentlichte Studien<ref>Gray RH and colleagues. Male circumcision for HIV prevention in men in Rakai, Uganda: a randomised trial. Lancet.
2007:369;657-666.</ref><ref>Bailey RC and colleagues. Male circumcision for HIV prevention in men in Rakai, Uganda: a randomised trial. Lancet. 2007:369;643-656.</ref>, die die Wirksamkeit einer Beschneidung zur Vermeidung der Übertragung von HIV von infizierten Frauen auf heterosexuelle Männer in afrikanischen Hochrisikogebieten untersuchten, wurden mehrfach heftig kritisiert. Beide Studien wurden vorzeitig abgebrochen, was die Ergebnisse verzerrt. Die zum Zwecke der Studien beschnittenen Männer mussten während der Wundheilung einige Zeit auf Sex verzichten, was der unbeschnittenen Kontrollgruppe mehr relative Gelegenheit zu einer Ansteckung gab. Auch der Umstand, dass in den USA gleichzeitig die höchste Beschneidungsrate in der westlichen Welt und die höchste Infektionsrate mit HIV herrschen, lässt die Ergebnisse dieser Studien zweifelhaft erscheinen. Zahlreiche andere Studien kamen im übrigen zu dem Schluss, dass eine Beschneidung keinen signifikanten Unterschied beim HIV-Infektionsrisiko mit sich bringt.<ref>Grosskurth H, Mosha F, Todd J, et al. A community trial of the impact of improved sexually transmitted disease
treatment on the HIV epidemic in rural Tanzania: 2. Baseline survey results. AIDS 1995;9(8):927-34.</ref><ref>Barongo LR, Borgdorff MW, Mosha FF, et al. The epidemiology of HIV-1 infection in urban areas, roadside settlements and rural villages in Mwanza Region, Tanzania. AIDS 1992;6(12):1521-8.</ref><ref>Changedia SM, Gilada IS. Role of male circumcision in HIV transmission insignificant in conjugal relationship
(abstract no. ThPeC7420). Presented at the Fourteenth International AIDS Conference, Barcelona, Spain, July 7-12, 2002.</ref><ref>Connolly CA, Shishana O, Simbayi L, Colvin M. HIV and circumcision in South Africa (Abstract No. MoPeC3491). Presented at the 15th International AIDS Conference, Bangkok, Thailand, July 11-16, 2004.</ref><ref>Thomas AG, Bakhireva LN, Brodine SK, Shaffer RA. Prevalence of male circumcision and its association with HIV and sexually transmitted infections in a U.S. navy population (Abstract no. TuPeC4861). Presented at the 15th International AIDS Conference, Bangkok, Thailand, July 11-16, 2004.</ref>
== Die Zirkumzision im Detail: Stile, Techniken und Gerätschaften ==

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