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Zirkumzision

8.790 Bytes hinzugefügt, 13:18, 19. Mär. 2014
Kapitel 9 des Zirkumpendiums eingefügt
* Angst vor Ärzten, Krankenhäusern und auch geschlossenen Räumen.
* Rückfall in die Phase den Bettnässens, auch wenn das Kind bereits trocken war.
 
== Geschichtlicher Hintergrund ==
 
Die Amputation der Penisvorhaut ist ein sehr alter Ritus, dessen genauer Ursprung nicht mehr zweifelsfrei nachzuweisen ist. Medizinhistoriker vermuten, dass die Zirkumzision bereits im Altertum dazu dienen sollte, das Geschlechtsleben von Sklaven und Angehörigen der Unterschicht zu kontrollieren, ohne die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. In der religiösen Geschichte kann die Zirkumzision als eine Ersatzhandlung für das Menschenopfer betrachtet werden. So war es in vorgeschichtlicher Zeit nicht unüblich, Götter mit Hilfe von Menschenopfern milde zu stimmen. Auch die Kastration von Sklaven oder unterworfenen Feinden war üblich. In Folge religiöser Umbrüche wurde dieses Opfer abgewandelt, und es wurde nur noch ein Teil desjenigen Organs geopfert, das für die Erzeugung neuen Lebens zuständig ist.
 
Bei den Aborigines, den australischen Ureinwohnern, soll die Tradition der Zirkumzision bis ins Jahr 10000 vor unserer Zeitrechnung zurückreichen. Auf dem afrikanischen Kontinent werden erste Zirkumzisionen im Bereich des Jahres 6000 v. Chr. vermutet. Aus dem antiken Ägypten existieren Hinweise auf verschiedene Formen der Zirkumzision aus der Zeit um 3000–2000 v. Chr. Die älteste bekannte Darstellung ist ein ägyptisches Grabrelief aus der 6. Dynastie, ca. 2300–2000 v. Chr. Es ist nicht zweifelsfrei bekannt, aus welchem Grund und welche Männer damals beschnitten wurden. In vielen Kulturen gilt die Zirkumzision in der Pubertät als Initiationsritus, der den Heranwachsenden in die Gemeinschaft einführt. Wie auch bei anderen schmerzhaften oder demütigenden Initiationsriten stehen hier der Beweis von Mut und die Bewältigung von Krisensituationen im Vordergrund. Auch die Amputation der Vorhaut als Entfernung des angeborenen Stückes Weiblichkeit vom männlichen Körper, wodurch der Knabe zum Mann wird, ist bei einigen afrikanischen Stämmen bekannt.
 
In der jüdischen Religion geht die Tradition der Zirkumzision auf eine Passage im Buch Genesis zurück (17, 10-14). Sie wird als ein Bund mit Gott angesehen, der auf den Stammvater Abraham zurückgeht.
 
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"Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. [...] Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat." – Gen 17,10–14 LUT
</blockquote>
 
Nach Ansicht des Anthropologen und Soziologen Nissan Rubin enthielt die jüdische Form der Zirkumzision, Brit Mila genannt, in den ersten beiden Jahrtausenden noch nicht die später übliche Periah, also das restlose Abschaben des inneren Vorhautblattes von der Eichel. Dieses sei erst in der Zeit um 135 n. Chr. eingeführt worden, um die im Zuge hellenistischen Einflusses häufigen Wiederherstellungen der Vorhaut durch Strecken unmöglich zu machen. Während ursprünglich nur das vordere Ende der Vorhaut abgeschnitten wurde, wird bei der Periah die gesamte Vorhaut entfernt. In der griechischen Gesellschaft galt seinerzeit eine entblößte Eichel als obszön und lächerlich. In ultra-orthodoxen Gemeinden wird nach Abschluss der Zirkumzision vom Mohel, den rituellen Beschneider, mit dem Mund Blut aus der Wunde gesaugt. Diese Praxis ist höchst umstritten, da es dabei zu Infektionen mit Herpes simplex Typ 1 kommen kann. In New York City wurden zwischen 2000 und 2011 elf Kinder mit Herpes infiziert — zehn davon mussten im Krankenhaus behandelt werden. Zwei von ihnen erlitten bleibende Hirnschäden, zwei weitere starben. Der jüdische Philosoph und Arzt Maimonides betonte im 12. Jahrhundert die Notwendigkeit der Zirkumzision, da sie die sexuellen Triebe dämpfe und die Lust auf das zur reinen Fortpflanzung erforderliche Maß senke.
 
Im Islam ist die Zirkumzision ebenfalls religiös begründet, auch wenn hierzu keine Erwähnung im Koran selber existiert. Der Überlieferung zufolge wurde der Prophet Mohammed ohne Vorhaut geboren. Es gilt als Zeichen des Prophetentums, dass die Propheten bereits ohne Vorhaut geboren werden. Es gilt als Ehre, "dem Vorbild der Propheten zu entsprechen", also beschnitten zu sein. Im Islam gibt es, anders als im Judentum, kein festgelegtes Alter, in dem die Zirkumzision durchgeführt werden soll. Eine Vielzahl von Zirkumzisionen findet im Alter zwischen 6 und 10 Jahren statt, aber die Spanne reicht von der Geburt bis zum Erwachsenenalter.
 
Im Christentum ist eine Zirkumzision nur in einigen wenigen orthodoxen Kirchen üblich. Dennoch hatten christliche Moralvorstellungen entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung dieser Praxis. In den puritanisch geprägten USA wurde die Kindesbeschneidung im 19. Jahrhundert als Mittel gegen die Masturbation populär. Damals galt die sogenannte "Selbstbefleckung" nicht nur als moralisch verwerflich – ihr wurde auch die Urheberschaft verschiedenster Krankheiten angelastet. Auch das bloße Vorhandensein einer Vorhaut wurde mit vielen Krankheiten in Verbindung gebracht. Unter ihnen fanden sich Syphilis, Epilepsie, Rückgratslähmung, Bettnässen, Rückratsverkrümmung, Blasenlähmung, Klumpfuß, Nervenschmerzen im Unterbauch, Tuberkulose und Schielen. Einer der bekanntesten Befürworter der Kindeszirkumzision ist John Harvey Kellogg, Miterfinder der gleichnamigen Corn Flakes. Er schrieb 1888:
 
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"Ein Mittel gegen Masturbation, welches bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung. Die Operation sollte von einem Arzt ohne Betäubung durchgeführt werden, weil der kurze Schmerz einen heilsamen Effekt hat, besonders, wenn er mit Gedanken an Strafe in Verbindung gebracht wird. Bei Mädchen, so hat der Autor herausgefunden, ist die Behandlung der Klitoris mit unverdünnter Karbolsäure (Phenol) hervorragend geeignet, die unnatürliche Erregung zu mindern."
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Nach der Entdeckung von Bakterien als Auslöser vieler Krankheiten – wie zum Beispiel der Tuberkulose – suchte man nach anderen Krankheiten, denen man mit einer Zirkumzision vorbeugen könne.
 
In den 1920er Jahren war dies der Peniskrebs, in den 1940ern Prostata- und Zungenkrebs sowie Geschlechtskrankheiten, in den 1950ern Gebärmutterhalskrebs, in den späten 1960ern Nervosität, in den 1970ern Blasen- und Rektumkrebs, in den 1980ern folgten dann Harntraktinfektionen und AIDS. Rückblickend betrachtet wurde eine Zirkumzision immer als Heilmittel für eben die Krankheiten angepriesen, die grade im Licht der Öffentlichkeit standen.
 
Die schiere Menge an Studien und Veröffentlichungen, die im Laufe von fast 180 Jahren zu diesem Thema erschienen, sind der Grund dafür, dass sich auch mehrfach widerlegte Argumente für eine Zirkumzision, insbesondere für eine im Säuglings- und Kindesalter, bis heute hartnäckig halten.
 
Ein immer wiederkehrendes Element bei Initiationsriten unterschiedlichster Kulturen ist die Fixierung auf die Geschlechtsteile.
 
Hier spiegelt sich die enorme Faszination für die Fähigkeit, neues Leben zu erschaffen, wieder. Die Fruchtbarkeit gilt in den meisten Kulturen als wichtigstes Gut, und die daran beteiligten Körperteile rücken immer wieder in den Fokus kultischer Handlungen. Vielerorts finden diese Rituale zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Jungen die Pubertät erreichen, und sollen den Übergang vom Kind zum Mann symbolisieren. Die Entfernung der männlichen Vorhaut ist nur eines der vielen Phänomene, die sich in diesem Zusammenhang entwickelt haben. Diese reichen bei Jungen und Männern von der Durchtrennung des Frenulums über die teilweise und vollständige Entfernung der Vorhaut bis hin zu radikalen Operationen. Bei den australischen Aborigines wird, wie oben erwähnt, die Vorhaut entfernt. Zudem ist es üblich, einige Wochen nach der Zirkumzision den jungen Männern den Penis aufzuschlitzen, was eine teilweise bis vollständige Spaltung der Harnröhre bewirkt.
 
Ein ebenfalls bekannter, besonders massiver Eingriff ist das Abschälen der gesamten Penishaut. In Indonesien werden Jungen zu Beginn der Pubertät kleine Bambus- oder Metallkugeln in den Penisschaft oder die Eichel eingesetzt, die dann "Höcker" bilden.
 
Bei vielen Völkern ist es auch üblich, derartige Rituale an Mädchen durchzuführen. Dies kann von verhältnismäßig kleinen Eingriffen wie dem Durchstechen oder Einritzen der Klitorisvorhaut über ihre komplette Entfernung bis hin zu einer radikalen Entfernung von Klitorisvorhaut, Klitoris, inneren und äußeren Schamlippen und einem abschließenden Zunähen der Vagina reichen.
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