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'''NN:''' Also es geht nicht darum, zu erforschen, wie gehen wir damit um, wie können wir Rechtssicherheit herstellen, sondern es geht darum, wie wollen wir am Ende, dass das zulässig ist.
 
'''VS:''' Ja, Rechtssicherheit war schon das Ziel dieser Befürworter, aber eben Rechtssicherheit für die Erwachsenen, nicht für die Kinder. Und interessant ist das mit den unnötigen Schmerzen. Also nötige Schmerzen müssen Jungs eben wohl ertragen, wenn Erwachsene das eben in Kauf nehmen für ihre Vorstellungen, die sie an dem Kind verwirklichen. Und was auch noch wichtig ist zu wissen [ist] das, was da eigentlich passiert: Da steht ja nur "Beschneidung" - sowieso ein merkwürdiges Wort, da können wir auch noch drüber sprechen heute. Was da anatomisch passiert, ist überhaupt gar nicht beschrieben, aus was dieses Organ besteht, was da gemacht wird. Das ist alles so ein bisschen im Nebulösen, davon finden wir nichts. Also: nicht definiert, und dann auch noch das Ende der Debatte eigentlich vorausgenommen.
 
'''NN:''' Wir sehen ja, was damals schon irgendwie für 'ne Art Fahrlässigkeit oder Fehler gemacht wurde. Vielleicht machen wir den ja eben nicht und fangen genau damit an, dass wir mal klären: Worum geht's denn eigentlich? Was ist das, das gemacht wird?
 
== Worum geht's denn eigentlich? ==
Da haben wir auch eine Folie ...
 
<div class="res-img">[[File:Infografik_Vorhaut_Aufbau_Funktion.jpg|Vorhaut - Aufbau und Funktion]]</div>
 
'''VS:''' Ja, da kann man nämlich mal sehen, was da eigentlich anatomisch mit der Vorhaut eigentlich vorliegt. Es ist eben kein Stück Haut, was übersteht, sondern eben eine Doppelhautfalte mit verschiedener Oberflächenstruktur. Es gibt eine Außenhaut, eine innere Vorhaut, es gibt muskulöses Gewebe. Besonders das Vorhautbändchen ist eben mit sehr sensiblen Nerven ausgestattet, sehr stark wichtig für die Sexualempfindung. Man sieht auch, wie groß der Umfang ist. Auf dem zweiten Bild, auf der Hand, ja, und dann auch bei zurückgestreifter Vorhaut in der unteren Zeile in der Mitte, wieviel das eigentlich ausmacht. Es ist ungefähr die Hälfte der am Penis befindlichen Haut, die weggeschnitten wird - und der sensibelste Teil. Das ist auch vielfach nicht bekannt. Aber das ist Stand der Medizin. Das ist auch in den gültigen Leitlinien so festgestellt, das ist Wissensstand.
 
[NN und VS bekommen Kaffee und nehmen einen Schluck.]
 
'''VS:''' Ja, so eine Folie fehlte natürlich total in dem Gesetz. Darüber hat überhaupt niemand gesprochen. Im Bundestag hab ich keine einzige, auch selbst die guten Reden ... Naja, sagen wir mal so: Wer sich da für den Schutz von Kindern ausgesprochen hat, der musste das ja auch nicht, weil damit war ja auch der Wert, die Wertschätzung vor der Intimsphäre auch eben dieser Kinder und späterer Erwachsener ja zum Ausdruck gebracht. Aber diejenigen, die eben ihre eigenen Maßstäbe auf Kinder anwenden wollten, womit man sich eben zufrieden geben muss, was einem dann als Erwachsener an Genitalien bleibt, die sind auf gar keine Details eingegangen. Sicher nicht verwunderlich. Man wollte ja auch gar nicht, dass man da so viel drüber spricht.
 
'''NN:''' Ja, es ist ein Tabuthema, natürlich. Also was auf eine Art und Weise ... geht ja auch niemanden was an, was man in der Hose hat, oder was ... Ding ... das ist jetzt kein, nichts was man notgedrungen so in der Öffentlichkeit darlegt oder drüber spricht. Nur halt jetzt für die Gelegenheit, wenn's eben um so'ne Entscheidung geht vor 'nem Gericht, und dann 'nen Gesetzentwurf, der das korrigieren soll oder was auch immer ... Wenn man jetzt offen rangegangen wäre, einfach 'nen Gesetzentwurf zu machen, wo einfach drauf geachtet wird, dass das Kindeswohl tatsächlich noch besser verankert wird und es nicht nur ein einzelnes Landgericht braucht, das sich da mal anders reinfuchst.
 
'''VS:''' Naja, 'tschuldigung, das ist ja grad' das Problem: Es geht ja um anderer Leute Genitalien. Und deswegen ... Normalerweise interessiert einen nicht, was in anderer Leute Hose ist. Aber das tut man ja, indem man Maßstäbe ansetzt, die auf andere Menschen übertragen werden. Das ist ja genau das Problem. Das können wir eigentlich auch gleich von Anfang an klarstellen. Wir haben heute sehr viel Zeit, auch um sehr viele Mythen aufzuräumen. Oder sagen wir mal so: Was heißt aufzuräumen? Dazu eben Fakten zu bringen, um unter Umständen das etwas zu erhellen. Und da gehört das zum Beispiel auch dazu.
 
== Mythos Massenphänomen ==
Es wurde oft gesagt, dass das ja ein Massenphänomen sei und das sei ja so doll verbreitet. Das stimmt auch und das ist nicht ... überhaupt kein Thema von Minderheiten in Deutschland alleine, sondern das geht quer durch alle Gesellschaftsschichten, also zum Beispiel Betroffene wie ich ... gehören eigentlich zur größten Gruppe von Betroffenen in Deutschland, die aus medizinisch eben meist sehr fragwürdiger Indikation diesen Teil des Genitals verloren haben, der ihnen abgeschnitten worden ist. Das ist auch ganz wichtig. Das ist ein großer Mythos, dass es hier irgendwie um Mehrheiten und Minderheiten geht. Das geben die Zahlen einfach gar nicht her.
 
Und ein weiterer Mythos ist eben, dass es eben ein Massenphänomen ist, in der Hinsicht, dass dieses Massenphänomen eben ausschließlich dadurch zustande kommt, dass Menschen um ihre Selbstbestimmung gebracht werden, dass man es an Kindern ausführt. In allen Gesellschaften, wo Genitalverstümmelungen - egal, an wem - nicht zu den gängigen Riten gehören, die man an Kindern vollführt, sind das totale Randphänomene, wie andere kosmetische Operationen auch. Ein Massenphänomen entsteht immer nur dadurch, dass die physische Überlegenheit letztlich ausgenutzt wird. Das ist auch ein Fakt. Also das Argument, was gebraucht wird, um die angebliche Gewöhnlichkeit des Ganzen darzustellen, ist in Wirklichkeit ein trauriges Zeichen für massenhaften Zwang. Das ist die erste Voraussetzung, dass es [ein] Massenphänomen ist.
 
'''NN:''' Ja, man würde davon ausgehen, dass, wenn das alles auf 'ner Freiwilligkeit beruhte, dass halt wesentlich weniger vorkommen würde.
 
'''VS:''' Das ist Fakt. Das ist in allen Gesellschaften so, das ist gar keine Frage. Das kann man ja ablesen.
 
'''NN:''' Es ist ja auch 'ne komische Frage: "Möchtest du mündiger Bürger, dass ich an deinem Genital rumschneide, was medizinisch nicht indiziert ist?"
 
'''VS:''' Ja gut, das macht man dann halt selber, wie andere kosmetische Operationen auch, in mündiger Eigenentscheidung. Und da gibt's ja alle möglichen Sachen. Und da wären wir wieder bei dem, was du gesagt hast: Natürlich, da geht mich nämlich überhaupt nichts an, was in anderer Leute Hosen ist. Das stimmt.
 
== Mythos kontra oder pro Beschneidung ==
Da sind wir schon beim nächsten Mythos, wo ich jetzt grad dran denke, sag ich jetzt, dass es etwas mit kontra oder pro Beschneidung zu tun hat, was wir als Verein zu tun haben. Das hat es natürlich auch nicht. Ich bin weder pro noch kontra Vorhautamputation, oder wie man das auch immer nennen will - Vorhautamputation ist der neutrale Begriff, weil da etwas irreversibel abgeschnitten wird; ''amputare'' heißt ''ringsherum abschneiden''. Ich könnte auch "Vorhautentfernung" sagen, "Vorhaut abschneiden" gibt's nicht so richtig in Deutsch. In Englisch dieses "cutting" zeigt das deutlicher. Medizinisch sagt man Zirkumzision. Das kann jeder machen, wie man will. Das geht mich überhaupt gar nichts an. Das wär' kein Thema, [und] wir würden diese Sendung heut' nicht machen, wenn das wie andere kosmetische Operationen nur in mündiger Eigenentscheidung passieren würde. Die Sendung müssen wir nur machen, weil eben diese mündige Selbstbestimmung übergangen wird. Es ist also ... Das Thema ist nicht "Pro - Kontra", wie gesagt. Ich darf es nicht beurteilen, wenn das jemand an sich gerne machen will, an sich schön findet, geht mich das nichts an. Es wäre übergriffig, zu sagen, ich bin jetzt dagegen oder das ist schlecht. Das musst du selber beurteilen.
 
Was mich aber was angeht - was wir mit Kindern machen, und was mit unseren Grundrechten passiert. Und die Reaktion, die auf dieses Kölner Urteil dann letztlich politisch umgesetzt wurde am 12. Dezember, heute vor neun Jahren, war ja eben grade eine Rechtlosstellung, eine Grundrechtseinschränkung für Kinder ab Geburt, je nachdem, wie sie zwischen den Beinen aussehen.
 
'''NN:''' Das noch dazu! Also nicht nur, dass an den Kindern was gemacht werden darf, oder dass diese Beschneidung durchgeführt werden darf, obwohl man zum Beispiel wahrscheinlich seine Kinder nicht piercen lassen kann, ja? ...
 
'''VS:''' Nein, natürlich nicht, darf man alles nicht.

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