Doppelmoral

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(Der nachfolgende Text oder ein Teil davon stammt aus der freien Wikipedia:)

Als Doppelmoral wird ein Normensystem bezeichnet, das gleiches Verhalten ethisch unterschiedlich bewertet, je nachdem, welcher Personengruppe die ausführende Person oder die betroffenen Personen angehören, oder je nachdem, ob diese sich in einer öffentlichen oder privaten Situation innerhalb oder außerhalb einer Sozialgemeinschaft befinden, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorhanden wäre. Die Doppelmoral kann sich dabei explizit in einem moralischen Code niederschlagen, der eine unterschiedliche Wertordnung abbildet, oder implizit im moralischen Empfinden, im Verhalten und in den Werturteilen Einzelner. Entscheidendes Merkmal ist, dass "mit zweierlei Maß" gemessen wird.

Von einer Doppelmoral kann immer dann gesprochen werden, wenn unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe verwendet werden, obwohl die der Bewertung zugrunde liegenden Sachverhalte (strukturell) gleichartig sind. Der Begriff geht also über die unterschiedliche Bewertung von eigenem Verhalten und Fremdverhalten oder von einem Verhalten, das eine Person von anderen einfordert, und demjenigen, das sie selbst zeigt (Heuchelei), hinaus. Geht es um einen Widerspruch zwischen tatsächlich befolgter und nach außen hin vertretener Moral, wird stattdessen eher von Bigotterie gesprochen.

Beispiele für Doppelmoral im Zusammenhang mit HGM

Bündnis 90/Die Grünen

GRÜNE-Bundestagsfraktion

2020 brachte die GRÜNE-Bundestagsfraktion unter Federführung von MdB Sven Lehmann einen Gesetzesentwurf für ein sog. Selbstbestimmungsgesetz[1] ein, dass die Rechte von Inter- Transsexuellen stärken soll. Darin wird u.a. in einem § 3 (Verbot genitalverändernder chirurgischer Eingriffe) formuliert: "Eltern können nicht in einen genitalverändernden chirurgischen Eingriff an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen des Kindes einwilligen. [...]" Der letzte Satz dieses Paragraphen hat es in sich: "§ 1631d BGB bleibt unberührt." Damit bleibt nicht nur das diskriminierende und offensichtlich verfassungswidrige Beschneidungsgesetz unangetastet, sondern der Schutz Inter- und Transsexueller in eine Absurdität geführt, deren juristischer Konflikt so kaum lösbar ist. Wie ist z.B. eine Genitalverstümmlung bei einem Jungen juristisch zu werten, wenn die betroffene Person später entscheidet, dass die Zuordnung "männlich" nicht ihrem Empfinden entsprach? Nach dem Beschneidungsgesetz wäre sie eventuell legal passiert, nach dem Selbstbestimmungsgesetz-Entwurf der GRÜNEN nicht.

Eine Kommentatorin auf der Facebook-Seite von Sven Lehmann kommentierte dazu passend: "Gerade Inter- und Transsexuelle Kinder sind auf ihre Vorhaut angewiesen, da diese bei späteren selbstbestimmt gewählten Operationen dringend gebraucht wird. [...] Wer wie die Grünen Geschlecht als frei wählbares Kontinuum ansieht, dann aber gleichzeitig vollkomnen binär und unabhängig von der konkreten Ausprägung der Geschlechtsorgane die Genitalverstümmelung legalisiert, macht sich völlig unglaubwürdig."[2]

Volker Beck

Beck 2010

Der Grünen-Politiker und Bundestagsabgeordnete Volker Beck setzt sich seit Jahrzehnten für die rechtliche Gleichstellung Homosexueller ein. Im Zusammenhang mit der Verfolgung und Tötung Homosexueller in anderen Ländern z.B. sprach er sich klar gegen Übergriffe von Religionen in die Rechte anderer aus (wobei es beim Verbot der Tötung eines anderen Menschen in einem Rechtsstaat keiner Einschränkung "im Namen der Religion" bedarf):

Die Tötung eines anderen Menschen im Namen der Religion ist im Rechts­staat ein Verbrechen. Religion rechtfertigt keine Übergriffe in die Rechte anderer.
Volker Beck (bildungsbasar.de)[3]

In der Beschneidungsdebatte leugnet er allerdings nach wie vor, dass Religionen hier in die Rechte Dritter eingreifen und dass Kinder überhaupt Träger von Menschenrechten sind:

Die Religionsfreiheit rechtfertigt keine Eingriffe in die Rechte Dritter. Dies ist auch bei der Be­schneidung nicht der Fall.
Volker Beck (bildungsbasar.de)[3]

Auch 2015 warb er z.B. vehement für die Öffnung der Ehe für alle. Dabei stellte er, wenig selbstkritisch, am 12.06.2015 auf Facebook fest:

Wer gleiche Rechte verweigert, der verweigert auch gleiche Würde.
Volker Beck (Facebook)[4]

2017 setzt er sich weiterhin für die "Ehe für alle" ein. Auf seinem Twitter-Profil unterstreicht er diese Forderung mit dem Satz (der überhaupt nicht zu seinem Abstimmungsverhalten am 12.12.2012 passt):

Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung!
Volker Beck (twitter.com)[5]

2019 formuliert er ziemlich klar, dass es keinen "Rabatt" für "sexuellen Missbrauch von Kindern" geben darf (was aus seiner Sichtweise nicht für MGM zutrifft, da MGM für ihn keine Misshandlung von Jungen darstellt):

Sexueller Missbrauch von Kindern und/oder Abhängigen muss geahndet werden. Da darf es für niemanden Rabatt geben. Die Ausnutzung der Vertrauensstellung & Autorität eines Geistlichen ist besonders verwerflich. [...]
Volker Beck, 20.04.2019 (twitter.com)[5]

Auf einer Podiumsdiskussion mit Michael Schmidt-Salomon im Mai 2019 in der Universität Kiel zum Thema "Toleranz für Religion, Toleranz der Religion" stellt er fest, was er selbst mit seinem Befürworten des Beschneidungsgesetzes 2012 völlig ignoriert hat:

Der Staat verhalte sich nur dann wirklich weltanschaulich neutral, wenn er die Religionsgemeinschaften nicht privilegiere oder einschränke. (HPD)[6]

Am Rande dieser Podiumsdiskussion bestätigte er einem Teilnehmer, "dass er auch beschnitten sei und das kein Problem ist. Außerdem möchte er nicht in der Situation von jüdischen Männern sein, die irgendwann feststellen, dass der Bund mit Gott nicht vollzogen wurde."[7] Dabei ignoriert er abertausende Männer, die als Erwachsene nach Israel einreisten und sich dort freiwillig beschneiden ließen, um den "Bund mit Gott" doch noch zu schließen.

Claudia Roth

Claudia Roth (2014)

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Claudia Roth hat sich in der Beschneidungsdebatte 2012 sehr früh sehr eindeutig gegen den Schutz von Knaben vor Genitalverstümmelung gestellt:

Das Urteil des Landgerichts Köln zum Beschneidungsverbot bei Jungen ist einseitig und realitätsfremd. Denn es wirkt ausgrenzend gegenüber der langen kulturellen und religiösen Tradition jüdischen und muslimischen Lebens. Bei Beschneidungen von Jungen geht es um eine Debatte im Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit, Selbstbestimmungsrecht, kulturellen Riten, medizinischer Indizierung und elterlicher Sorge. Diese Debatte kann nur mit den Religionsgemeinschaften und nicht per Gerichtsbeschluss gegen sie geführt werden. Wenn die Frage Beschneidung, ein tatsächlich irreversibler Eingriff, allein auf den Willen der Kinder abgestellt würde, müsste das gesamte System der elterlichen Sorge fundamental neu geregelt werden. Als erste Schritte könnten erwägt werden, begleitende Maßnahmen wie breit angelegte Aufklärungsarbeit oder die Durchführung der Beschneidung nur von Ärzten vorzuschreiben, um mögliche negative Folgen von Beschneidungen zu reduzieren.
Claudia Roth (Facebook)[8]

Schon 2006 hat sie mit Parteikolleginnen und -Kollegen einen Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht, der "Mädchen und Frauen vor Genitalverstümmelung schützen" sollte.[9] Sämtliche Argumente des damaligen Antrags würden auch gelten, um Jungen den gleichen Schutz zu geben. Das sieht Frau Roth anscheinend bis heute (2021) nicht so.

Britta Haßelmann

Britta Haßelmann (2020)

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann hat am 10. Dezember 2019 zum Internationalen Tag der Menschenrechte auf Facebook eine Bildbotschaft gepostet:

Heute ist der Tag der Menschenrechte.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz.
Britta Haßelmann (Facebook)[10]

Diese selbstverständlich und löbliche Botschaft steht in krassem Gegensatz zu ihrem Abstimmungsverhalten zum Beschneidungsgesetz vom 12.12.2012, wo ihr der Anspruch auf Schutz durch das Gesetz für minderjährige Jungen in Deutschland egal war. Kritik an dieser Doppelmoral beantwortet ihr "Team Britta" auf Facebook durch Löschen entsprechender Kommentare.

Lamya Kaddor

Lamya Kaddor (2018)

Die Islamwissenschaftlerin und Grüne Bundestagskandidatin 2021 Lamya Kaddor schrieb zur Debatte um die explizite Verankerung von Kinderrechten im Deutschen Grundgesetz im Januar 2021 einen Artikel auf T-Online, in dem sie die Kinderrechte hervorheben will, aber mit ihren Bemerkungen zur männlichen Genitalverstümmelung bei Kindern ihren Einsatz für Kinderrechte gleich wieder ad absurdum führt:

Um die Rechte unserer Kinder ist es schlecht bestellt
Es wird darauf zu achten sein, dass der Bau eines Spielplatzes nicht automatisch den Vorzug erhält, Eltern weiterhin die Entwicklung ihrer Kinder bestimmen dürfen und die Religionsfreiheit gewahrt bleibt. Bei Letzterem wird insbesondere die rituelle Beschneidung von Jungen im Judentum und im Islam wieder ins Zentrum rücken. Deren Gegner spitzen bereits die Federn. Da die Praxis jedoch, wenn sie medizinisch professionell und früh genug durchgeführt wird, kein erniedrigendes oder gar traumatisierendes Moment hat, seit jeher Bestandteil zweier großer Weltreligionen ist, keine besonderen Nachteile mit sich bringt und vor allem von keiner signifikanten Gegenbewegung unter den Betroffenen selbst, also unter männlichen Juden und Muslimen, angefochten wird, werden ihre Verteidiger nach wie vor gute Karten haben.
Lamya Kaddor (T-Online)[11]

FDP

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 2013

Die frühere FDP-Justizministerin (1992-1996 und 2009-2013) war federführend für das Beschneidungsgesetz verantwortlich. In einem Deutschlandfunk-Beitrag fordert sie im Mai 2019, die Doppelmoral zwischen ihrer Forderung und ihren Taten 2012 ignorierend:

Die Verfassung müsse eindeutig klarstellen: „Kinder und Jugendliche sind ab Geburt Träger aller Grundrechte“, sagt die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Deutschlandfunk)[12]

Zentralrat der Juden

Josef Schuster, 2017

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte in der Beschneidungsdebatte 2012 vehement gefordert, ein Gesetz zu schaffen, das die rituelle Beschneidung von Jungen erlaubt. Im Zusammenhang mit Diskussionen zu Kopftuchverboten und der Sprache in Gotteshäusern äußerte sich der derzeitige Präsident des Zentralrats der Juden 2017 so:

Wir sollten davon absehen, für einzelne Religionsgemeinschaften spezielle Gesetze zu schaffen. [Allerdings sollte angestrebt werden, dass in allen Gotteshäusern, seien es Moscheen, seien es Kirchen oder Synagogen, in der Landessprache gepredigt wird.]
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland (Interview der Zeitung "Welt am Sonntag", 22.04.2017)[13]

Waris Dirie

Waris Dirie

Waris Dirie (* 1965 in der Region von Gaalkacyo, Somalia) ist ein österreichisches Model, eine Bestseller-Autorin und Menschenrechtsaktivistin im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM). Sie war von 1997 bis 2003 UN-Sonderbotschafterin gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien. 2002 gründete sie ihre eigene Organisation, die Desert Flower Foundation.[14]

Anders als die weibliche Genitalverstümmelung bewertet sie die Zirkumzision. Zur Beschneidung ihres Sohnes äußerte sich Waris Dirie folgendermaßen:

We had Aleeke circumcised in the hospital a day after he was born. This is very different from female genital mutilation; that should never even be called circumcision – it’s not. In males it’s done for medical reasons – to ensure cleanliness. I could hear Aleeke crying when they did it, but he stopped as soon as I held him. Despite my strong feelings about FGM, I knew it was the right thing to do. My son has a beautiful penis. It looks so good and so clean.
Übersetzung: "Wir ließen Aleeke im Krankenhaus einen Tag nach seiner Geburt beschneiden. Das ist etwas ganz anderes als weibliche Genitalverstümmelung; es sollte niemals Verstümmelung genannt werden, denn es ist keine. Bei Männern wird es aus medizinischen Gründen gemacht, um Sauberkeit sicherzustellen. Ich hörte Aleeke schreien, als sie es taten, aber er hörte sofort auf, als ich ihn in den Arm nahm. Trotz meiner heftigen Gefühle die FGM betreffend, weiß ich, dass es das Richtige war, was wir taten. Mein Sohn hat einen wunderschönen Penis. Es sieht so gut und so sauber aus." (Zit. nach: Chantal J. Zabus: Between Rites and Rights. Excision in Women’s Experiential Texts and Human Contexts, S. 197)[14]

Kritik an Doppelmoral im Zusammenhang mit HGM

Der Grünen-Politiker und Intaktivist Ulf Dunkel hat Doppelmoral seiner Parteikollegen in diesem Zusammenhang in mehreren Veröffentlichungen kritisiert:

Einzelnachweise