Doppelmoral und Vergleich MGM und FGM: Unterschied zwischen den Seiten

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== "MGM und FGM kann man nicht miteinander vergleichen." ==
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Als '''Doppelmoral''' wird ein Normensystem bezeichnet, das gleiches Verhalten ethisch unterschiedlich bewertet, je nachdem, welcher Personengruppe die ausführende Person oder die betroffenen Personen angehören, oder je nachdem, ob diese sich in einer öffentlichen oder privaten Situation innerhalb oder außerhalb einer Sozialgemeinschaft befinden, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorhanden wäre. Die Doppelmoral kann sich dabei explizit in einem moralischen Code niederschlagen, der eine unterschiedliche Wertordnung abbildet, oder implizit im moralischen Empfinden, im Verhalten und in den Werturteilen Einzelner. Entscheidendes Merkmal ist, dass "mit zweierlei Maß" gemessen wird.
 
  
Von einer Doppelmoral kann immer dann gesprochen werden, wenn unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe verwendet werden, obwohl die der Bewertung zugrunde liegenden Sachverhalte (strukturell) gleichartig sind. Der Begriff geht also über die unterschiedliche Bewertung von eigenem Verhalten und Fremdverhalten oder von einem Verhalten, das eine Person von anderen einfordert, und demjenigen, das sie selbst zeigt (Heuchelei), hinaus. Geht es um einen Widerspruch zwischen tatsächlich befolgter und nach außen hin vertretener Moral, wird stattdessen eher von Bigotterie gesprochen.
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[[MGM]] steht für ''Male Genital Mutilation'' (männliche Genitalverstümmelung). [[FGM]] steht für ''Female Genital Mutilation'' (weibliche Genitalverstümmelung).
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== Beispiele für Doppelmoral im Zusammenhang mit [[HGM]] ==
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Vielfach hört man, dass man [[MGM]] und [[FGM]] nicht miteinander vergleichen könne; FGM würde einen viel intensiveren Eingriff darstellen, so dass sich ein Vergleich von selbst verbieten würde.
  
Der Grünen-Politiker und Bundestagsabgeordnete [[Volker Beck]] setzt sich seit Jahrzehnten für die rechtliche Gleichstellung Homosexueller ein. Im Zusammenhang mit der Verfolgung und Tötung Homosexueller in anderen Ländern z.B. sprach er sich klar gegen Übergriffe von Religionen in die Rechte anderer aus (wobei es beim Verbot der Tötung eines anderen Menschen in einem Rechtsstaat keiner Einschränkung "im Namen der Religion" bedarf):
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Dieses Scheinargument ist in ein sogenanntes Totschlagargument<ref>https://de.wikipedia.org/wiki/Totschlagargument</ref>, das dadurch funktioniert, dass viele Menschen erschütternde Bilder und Berichte über verstümmelte Frauen-Genitalien im Kopf haben, die durch dieses Argument abgerufen werden. Da in den Medien erschütternde Bilder und Berichte über verstümmelte Knaben-[[Penis]]se und die Folgen für die Betroffenen bislang nur selten geboten werden, ist bei uns nur selten eine vergleichbare Assoziation abrufbar, die sich auf [[MGM]] bezieht. So ist es leicht, dem Scheinargument nach oberflächlichem Vergleich mit unseren gespeicherten Assoziationen zuzustimmen.
{{Zitat
 
| Text=Die Tötung eines anderen Menschen im Namen der Religion ist im Rechts­staat ein Verbrechen. '''Religion rechtfertigt keine Übergriffe in die Rechte anderer.'''
 
| Autor=Volker Beck
 
| Quelle=bildungsbasar.de
 
| ref=<ref>http://www.bildungsbasar.de/2012/10/gesucht-argumente-gegen-ein-beschneidungsverbot/</ref>
 
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In der [[Beschneidungsdebatte]] leugnet er allerdings nach wie vor, dass Religionen hier in die Rechte Dritter eingreifen und dass Kinder überhaupt Träger von Menschenrechten sind:
 
{{Zitat
 
| Text='''Die Religionsfreiheit rechtfertigt keine Eingriffe in die Rechte Dritter.''' Dies ist auch bei der Be­schneidung nicht der Fall.
 
| Autor=Volker Beck
 
| Quelle=bildungsbasar.de
 
| ref=<ref>http://www.bildungsbasar.de/2012/10/gesucht-argumente-gegen-ein-beschneidungsverbot/</ref>
 
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Auch 2015 warb er z.B. vehement für die Öffnung der Ehe für alle. Dabei stellte er, wenig selbstkritisch, am 12.06.2015 auf Facebook fest:
 
{{Zitat
 
| Text='''Wer gleiche Rechte verweigert, der verweigert auch gleiche Würde.'''
 
| Autor=Volker Beck
 
| Quelle=Facebook
 
| ref=<ref>https://www.facebook.com/VolkerBeckMdB/photos/a.88914877697.81047.46819172697/10153345374177698/</ref>
 
}}
 
2017 setzt er sich weiterhin für die "Ehe für alle" ein. Auf seinem Twitter-Profil unterstreicht er diese Forderung mit dem Satz:
 
{{Zitat
 
| Text='''Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung!'''
 
| Autor=Volker Beck
 
| Quelle=twitter.com
 
| ref=<ref>https://twitter.com/search?q=volker%20beck</ref>
 
}}
 
  
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte in der [[Beschneidungsdebatte]] 2012 vehement gefordert, ein Gesetz zu schaffen, das die rituelle [[Beschneidung]] von Jungen erlaubt. Im Zusammenhang mit Diskussionen zu Kopftuchverboten und der Sprache in Gotteshäusern äußerte sich der derzeitige Präsident des Zentralrats der Juden 2017 so:
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Medien verbreiten oft nur einen Teil der verfügbaren Informationen. Vielen ist heutzutage z.B. gar nicht bewusst, dass man z.B. vor fünfzig Jahren, wenn überhaupt, auch bei Frauen und Mädchen von ''Beschneidung'' sprach. Die Verknüpfung des Begriffs ''Verstümmelung'' wurde durch den aufkommenden Feminismus und die politische Arbeit der Frauenbewegung vollbracht. Heute ist aufgrund der WHO-Klassifizierung der vorgefundenen [[FGM]]-Methoden bekannt, dass es weltweit gesehen die verschiedensten Arten von [[FGM]] gibt, die von geringfügigem Anritzen der Klitorisvorhaut bis zu brutalsten, tatsächlichen Verstümmelungen reichen. Betroffenen-Berichte wie z.B. der autobiografische Roman "Wüstenblume" von Waris Dirie sind, nicht zuletzt durch dessen Verfilmung, vielen als das gängige Assoziationsklischee von [[FGM]] vertraut.
{{Zitat
 
| Text='''Wir sollten davon absehen, für einzelne Religionsgemeinschaften spezielle Gesetze zu schaffen.''' [Allerdings sollte angestrebt werden, dass in allen Gotteshäusern, seien es Moscheen, seien es Kirchen oder Synagogen, in der Landessprache gepredigt wird.]
 
| Autor=Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
 
| Quelle=Interview der Zeitung "Welt am Sonntag", 22.04.2017
 
| ref=<ref>https://www.welt.de/politik/deutschland/article163912435/Ein-Kopftuchverbot-im-oeffentlichen-Dienst-ist-problematisch.html</ref>
 
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== Kritik an Doppelmoral im Zusammenhang mit [[HGM]] ==
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Medial ist [[MGM]] als Verstümmelung noch nicht so sehr im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen, vor allem in der westlichen Welt. In Europa und den USA z.B. wird [[MGM]] regelmäßig mit "ärztlicher Eingriff", "OP", "steril", "kleiner Schnitt", [[Phimose]], "hygienische Vorteile" und eben mit "religiöser Brauch" von Juden und Muslimen in Verbindung gebracht. Weltweit betrachtet gibt es durchaus ebenso viele Varianten von [[MGM]] wie von [[FGM]], von denen viele uns ebenso "den Magen umdrehen" würden wie die Geschichte der "Wüstenblume". Australische Formen von [[MGM]] bei den Aborigines ([[Subinzision]]) oder die [[MGM]]-Initiationsriten in Teilen Afrikas<ref>http://www.ulwaluko.co.za/Photos.html </ref> haben mit unserer überwiegenden Assoziation nichts gemeinsam. Doch bisher hat die WHO eine entsprechende Klassifizierung der vorgefundenen [[MGM]]-Methoden nicht vorgenommen. Die politische Arbeit [[Intaktivisten]]-Bewegung ist seit einigen Jahren dabei, diese Informationsungleichheit anzupassen und die verschiedenen Formen sowie die Auswirkungen von [[MGM]] ebenfalls ins Bewusstsein der Gesellschaft zu tragen.
Der Grünen-Politiker und Intaktivist [[Ulf Dunkel]] hat Doppelmoral seiner Parteikollegen in diesem Zusammenhang in mehreren Veröffentlichungen kritisiert:
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* [https://www.freitag.de/autoren/kanada/fangt-endlich-an-vom-kind-her-zu-denken Fangt endlich an, vom Kind her zu denken!]
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Das alles bedeutet nicht, dass in der [[Beschneidungsdebatte]] ein Konkurrenzkampf zwischen [[FGM]] und [[MGM]] zulässig wäre. Denn auf die Eingriffstiefe kommt es überhaupt nicht an, wenn es um die [[Beschneidung]] von Kindern geht. Jeder Mensch hat von Geburt an gewisse unveräußerliche Rechte. Dazu gehört auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. In dieses Recht kann aufgrund medizinischer Notwendigkeiten eingegriffen werden, indem man z.B. impft oder eine notwendige Operation durchführt, die entweder das Leben des Kindes rettet oder aber die Lebensqualität erheblich verbessert.
* [https://ulfdunkel.wordpress.com/2015/11/24/gruene-doppelmoral/ Grüne Doppelmoral]
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* [https://ulfdunkel.wordpress.com/2015/12/12/noch-mehr-doppelmoral/ Noch mehr Doppelmoral]
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Die [[Beschneidung]] ist jedoch regelmäßig weder medizinisch notwendig, noch führt sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
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Jede weitere Diskussion könnte natürlich geführt werden, aber allein mit diesem Scheinargument der Unvergleichbarkeit sind alle möglichen Gegenargumente wirksam entkräftet, weil es an unsere gesellschaftlich konditionierte Moral appelliert. Dabei ist gerade bei der micht medizinisch begründeten [[Beschneidung]] sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen immens wichtig, die Art der Beschneidung, die Folgen und auch die Begründungen genau zu vergleichen, um überhaupt Gemeinsamkeiten oder Unterschiede feststellen zu können. Auch die Rechtfertigungsgründe für [[FGM]] sind vielfältig und erschreckend ähnlich denen, die für [[MGM]] vorgetragen werden.
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Wer dieses Totschlagargument der Nichtvergleichbarkeit benutzt, will sich einer Debatte über die Sinnhaftigkeit der nicht medizinisch begründeten [[Beschneidung]] nicht stellen.
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Medizinisch nicht begründete, irreversible Körpermodifikationen bei einem Kind liegen nicht im Entscheidungsspielraum der Eltern, sondern nur des Kindes, das im Erwachsenenalter mit seinem Körper machen kann, was es will.
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==Weblinks==
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* [https://www.youtube.com/watch?v=98f3IavuEgQ Difference Between: Male & Female Circumcision]
  
 
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[[en:Comparison MGM and FGM]]

Version vom 8. Oktober 2018, 17:23 Uhr

"MGM und FGM kann man nicht miteinander vergleichen."

MGM steht für Male Genital Mutilation (männliche Genitalverstümmelung). FGM steht für Female Genital Mutilation (weibliche Genitalverstümmelung).

Vielfach hört man, dass man MGM und FGM nicht miteinander vergleichen könne; FGM würde einen viel intensiveren Eingriff darstellen, so dass sich ein Vergleich von selbst verbieten würde.

Dieses Scheinargument ist in ein sogenanntes Totschlagargument[1], das dadurch funktioniert, dass viele Menschen erschütternde Bilder und Berichte über verstümmelte Frauen-Genitalien im Kopf haben, die durch dieses Argument abgerufen werden. Da in den Medien erschütternde Bilder und Berichte über verstümmelte Knaben-Penisse und die Folgen für die Betroffenen bislang nur selten geboten werden, ist bei uns nur selten eine vergleichbare Assoziation abrufbar, die sich auf MGM bezieht. So ist es leicht, dem Scheinargument nach oberflächlichem Vergleich mit unseren gespeicherten Assoziationen zuzustimmen.

Medien verbreiten oft nur einen Teil der verfügbaren Informationen. Vielen ist heutzutage z.B. gar nicht bewusst, dass man z.B. vor fünfzig Jahren, wenn überhaupt, auch bei Frauen und Mädchen von Beschneidung sprach. Die Verknüpfung des Begriffs Verstümmelung wurde durch den aufkommenden Feminismus und die politische Arbeit der Frauenbewegung vollbracht. Heute ist aufgrund der WHO-Klassifizierung der vorgefundenen FGM-Methoden bekannt, dass es weltweit gesehen die verschiedensten Arten von FGM gibt, die von geringfügigem Anritzen der Klitorisvorhaut bis zu brutalsten, tatsächlichen Verstümmelungen reichen. Betroffenen-Berichte wie z.B. der autobiografische Roman "Wüstenblume" von Waris Dirie sind, nicht zuletzt durch dessen Verfilmung, vielen als das gängige Assoziationsklischee von FGM vertraut.

Medial ist MGM als Verstümmelung noch nicht so sehr im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen, vor allem in der westlichen Welt. In Europa und den USA z.B. wird MGM regelmäßig mit "ärztlicher Eingriff", "OP", "steril", "kleiner Schnitt", Phimose, "hygienische Vorteile" und eben mit "religiöser Brauch" von Juden und Muslimen in Verbindung gebracht. Weltweit betrachtet gibt es durchaus ebenso viele Varianten von MGM wie von FGM, von denen viele uns ebenso "den Magen umdrehen" würden wie die Geschichte der "Wüstenblume". Australische Formen von MGM bei den Aborigines (Subinzision) oder die MGM-Initiationsriten in Teilen Afrikas[2] haben mit unserer überwiegenden Assoziation nichts gemeinsam. Doch bisher hat die WHO eine entsprechende Klassifizierung der vorgefundenen MGM-Methoden nicht vorgenommen. Die politische Arbeit Intaktivisten-Bewegung ist seit einigen Jahren dabei, diese Informationsungleichheit anzupassen und die verschiedenen Formen sowie die Auswirkungen von MGM ebenfalls ins Bewusstsein der Gesellschaft zu tragen.

Das alles bedeutet nicht, dass in der Beschneidungsdebatte ein Konkurrenzkampf zwischen FGM und MGM zulässig wäre. Denn auf die Eingriffstiefe kommt es überhaupt nicht an, wenn es um die Beschneidung von Kindern geht. Jeder Mensch hat von Geburt an gewisse unveräußerliche Rechte. Dazu gehört auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. In dieses Recht kann aufgrund medizinischer Notwendigkeiten eingegriffen werden, indem man z.B. impft oder eine notwendige Operation durchführt, die entweder das Leben des Kindes rettet oder aber die Lebensqualität erheblich verbessert.

Die Beschneidung ist jedoch regelmäßig weder medizinisch notwendig, noch führt sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität.

Jede weitere Diskussion könnte natürlich geführt werden, aber allein mit diesem Scheinargument der Unvergleichbarkeit sind alle möglichen Gegenargumente wirksam entkräftet, weil es an unsere gesellschaftlich konditionierte Moral appelliert. Dabei ist gerade bei der micht medizinisch begründeten Beschneidung sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen immens wichtig, die Art der Beschneidung, die Folgen und auch die Begründungen genau zu vergleichen, um überhaupt Gemeinsamkeiten oder Unterschiede feststellen zu können. Auch die Rechtfertigungsgründe für FGM sind vielfältig und erschreckend ähnlich denen, die für MGM vorgetragen werden.

Wer dieses Totschlagargument der Nichtvergleichbarkeit benutzt, will sich einer Debatte über die Sinnhaftigkeit der nicht medizinisch begründeten Beschneidung nicht stellen.

Medizinisch nicht begründete, irreversible Körpermodifikationen bei einem Kind liegen nicht im Entscheidungsspielraum der Eltern, sondern nur des Kindes, das im Erwachsenenalter mit seinem Körper machen kann, was es will.

Weblinks

Einzelnachweise