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Erfahrungsberichte

36 Bytes hinzugefügt, 15:24, 1. Apr. 2015
Mein Weg vom Befürworter zum Gegner der [[Zirkumzision|Beschneidung]] war lang.
Als vor etwa 5 Jahren bei meinem Sohn eine beschwerdefreie (eine sogenannte physiologische) [[Phimose ]] festgestellt wurde, hätte ich aufgrund meines Glaubens um die angeblichen Vorteile sofort einer [[Zirkumzision|Beschneidung]] zugestimmt.
Ich hätte ihm die "bessere Ästhetik" und die "größere Ausdauer" gerne gegönnt. So konnte ich zunächst gar nicht verstehen, warum meine Frau sich dagegen wehrte und sich weigerte, der [[Zirkumzision|Beschneidung]] zuzustimmen. Bisher hatte ich immer gedacht, sie wäre von meinem "verbessertem" [[Penis]] ebenso überzeugt, wie ich - doch dem war nicht so.
Sie ging stattdessen zu einer Kinderurologin. Als diese meinen Sohn und seine harmlose [[Phimose ]] sah, war sie regelrecht erschrocken über die Leichtfertigkeit, mit der unser Kinderarzt unseren Sohn hätte beschneiden wollen.
Ein wirkliches Schlüsselerlebnis hatte ich ca. zwei Jahre später. Ich hatte inzwischen in diversen Internetforen gelesen, dass die Haut einer beschnittenen Eichel mit der Zeit immer dicker wird und dadurch das Empfindungsvermögen abstumpft. Also versuchte ich, mit Gesichtspeeling der überflüssigen Hornhaut zu Leibe zu rücken. Dabei verspürte ich keineswegs Schmerz, nicht einmal unangenehme Gefühle.
Ich wurde beschnitten im Alter von 10 Jahren. Da meine Eltern türkischer Herkunft sind, erübrigt sich die Frage nach dem „warum“, obwohl ich im Nachhinein auch erfuhr, dass ein deutscher Kinderarzt dies anordnete da meine [[Vorhaut]] nicht beweglich war.
Doch wir alle wissen heute, dass eine [[Phimose ]] im Kindesalter normal ist und noch lange kein Grund ist für eine [[Zirkumzision|Beschneidung]]. Ich denke wenn ich Schmerzen gehabt hätte VOR dieser Prozedur, dann würde ich mich heute noch daran erinnern. Aber die Schmerzen kamen NACH dem Ritual. Der Beschneider war ein türkischer Arzt. Ich weiß bis heute nicht, ob meine Eltern diesen Menschen vorher auch schon kannten. Alles was ich weiß, ist dass er viele Jungs in unserem Bekanntenkreis beschnitt.
Ich erinnere mich daran, dass meine Eltern auf mich einredeten. Es sei wichtig und würde mir Vorteile bringen. Es wurde mir nahegebracht als etwas Selbstverständliches. Der erste Zahnarztbesuch, die erste Schultag...
== Martin Wolper, 39 ==
Ich bin in den 70ern geboren, mein älterer Bruder war bereits wegen sogenannter [[Phimose ]] beschnitten worden, und ich kann mich erinnern, dass es seit ich denken kann hieß, ich hätte ebenfalls eine [[Phimose|Vorhautverengung]] und wenn ich zur Schule käme, müsste "das gemacht werden". Meine Eltern glaubten dies wirklich im Bewusstsein, das beste für mich zu tun. Schließlich wurden damals schon im Untersuchungsheft für Kinder bei 2-Jährigen Phimosen [[Phimose]]n diagnostiziert! In einem Alter also, wo dieser Zustand anatomisch völlig normal wäre.
Ich habe die Untersuchungen an meiner [[Vorhaut]] als sehr unangenehm und schmerzhaft in Erinnerung, ich erinnere auch, mich bis zum Vorschulalter dagegen gewehrt zu haben. Dann hatte ich den Erklärungen meiner Eltern Glauben geschenkt, es sei eben nötig und auch alles völlig problemlos.
Ein mit meinen Eltern befreundeter Chirurg sollte die OP ausführen.Einmal, als ich ca. 4 Jahre alt wahr, kamen er und sein Frau zu uns zum Abendessen und nachher vorm Schlafengehen sollte "Onkel X mich noch untersuchen": Ich weiß noch ganz genau, wie ich beim essen ganz hibbelig war, weil ich das nicht wollte. Nachher kamen alle, meine Eltern, "Onkel X" und sein Frau und mein Bruder, der von ihm ja schon beschnitten worden war, in mein Kinderzimmer. Ich lag schon im Bett und strampelte und wehrte mich, man hielt meine Beine fest, zog mir die Pyjamahose runter und ich schrie und erinnere mich genau an diesen Schmerz, wenn die enge [[Vorhaut]] mit Gewalt zurückgezogen wurde bzw. das versucht wurde, denn man konnte nur eine winzige Öffnung sehen, mein Bruder lachte dabei und alle anderen Zuschauenden sagten, es sei doch nicht so schlimm und gleich vorbei. Und das Urteil wurde auch gleich verkündet: Wenn ich zur Schule käme, würde "es gemacht".
Auch bei der Vorschuluntersuchung und der Schuluntersuchung in der 1. Klasse erinnere ich mich noch genau, wie ich vor der Schulärztin stand, sie mir die Unterhose vorne herunterzog und sogleich versuchte, meine [[Vorhaut]] zurückzuziehen, was selbst im schlaffen Zustand unmöglich war und stark schmerzte. Dann sagte sie, dies müsse "schleunigst operiert werden". In der 1. Klasse fand diese Untersuchung vor den Augen der Klassenlehrerin statt. Es bleibt also die Feststellung, dass die Schulmedizin zu der Zeit aber auch wirklich keine Gelegenheit ausließ, um Jungen völlig überflüssigen und im Falle von häufig anzutreffenden Verengungen schmerzhaften Untersuchungen an ihrem [[Penis]] auszuliefern – mit dem erklärten Ziel, dass im Grundschulalter allen noch bestehenden Phimosen [[Phimose]]n durch komplette [[Zirkumzision|Vorhautamputationen]] beizukommen sei. Anders ist dieses permanent wiederholte „Durchsieben“ der Schulklassen nicht zu erklären.
Ich selbst hatte übrigens, solange ich noch über einen intakten [[Penis]] verfügte, also bis zum Alter von knapp sieben Jahren, niemals das Bedürfnis, meine enge [[Vorhaut]] zurückzuziehen. Dies war stets nur das besondere Interesse der Ärzte. Nie kamen bei mir Entzündungen vor. Unangenehm war einzig das Balloniren der [[Vorhaut]] beim Urinieren, was auch als dringendes Indiz für eine bald zu erfordernde [[Zirkumzision|Vorhautamputation]] betrachtet wurde. Welch lächerliche Einschätzung! Heute als fast Vierzigjähriger erdehne ich mir mit handelsüblichen Apparaten eine neue [[Vorhaut]] und gewinne pro Monat fast einen halben Zentimeter. Und für einen ungehinderten Harnstrahl wären nur wenige Millimeter mehr Vorhauteröffnung erforderlich gewesen – wie leicht hätte man mir da mit einfachsten Mitteln der vorsichtigen Dehnung helfen können – ohne meine ansonsten weder vernarbte noch entzündete [[Vorhaut]] zu opfern!
Obwohl meine Eltern offen über meine [[Phimose ]] sprachen (auch gegenüber dritten, was mir immer sehr unangenehm war), klärten sie mich nie wirklich darüber auf, wie eine [[Vorhaut]] eigentlich funktionieren müsste. Auch mein Vater, der zu dem Zeitpunkt noch unbeschnitten war, zeigte mir nie an seinem [[Penis]] seine [[Vorhaut]] und wie mein [[Penis|Glied]] nach einer [[Zirkumzision|Beschneidung]] aussehen würde. Ich erinnere mich nur, dass meine Mutter einmal sagte, man könne auch nur einen Einschnitt an der [[Vorhaut]] vornehmen, aber dann "hinge sie wie ein Lappen" und da sei ein Wegschneiden besser und das hätten auch viele andere Jungs. Eine Therapie mit Salbe wurde bei mir nie versucht, es wurde eher darüber gelächelt, dass manche Leute meinten, man könne mit Dehnen eine [[Phimose ]] beheben. Auch der mit meinen Eltern befreundete Arzt, der die Operation dann tatsächlich vornahm, als ich sechs Jahre alt war und mich auch mehrfach "untersucht" hatte (d.h. er hatte versucht, mir die [[Vorhaut]] mit Gewalt zurückzuschieben) war nicht Manns genug, mir z.B. an seinem eigenen [[Penis]] zu demonstrieren, wie eine [[Vorhaut]] zurückzuschieben ist und vor allem, wie ich meinen [[Penis]] nach der Operation vorfinden würde. Also erinnere ich mich noch genau an den Moment, wo ich anschließend das erste Mal meinen [[Penis]] sah, zutiefst erschrocken über die blutrote nackte Eichel, der Arzt sagte aber gleich, alles sei bestens gelaufen und ich müsse mir keine Sorgen machen.
Niemand hatte mir vorher gesagt, dass mein [[Penis]] optisch für immer verändert sein und nie mehr in seiner eigentlichen intendierten Form erlebbar sein würde.
# Das Outing meiner Beschneidungserfahrung im Rahmen der Diskussion um die inzwischen erfolgte völlige Legalisierung der Zwangsbeschneidung aus jeglichem Grund. Die Befürworter haben mich mit ihren unfassbaren Äußerungen derart provoziert und verletzt, dass ich gar nicht anders konnte, als mich öffentlich zu äußern und mich zu engagieren.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich sehr froh bin, dass es heutzutage ja wohl einigermaßen Usus ist, Phimosen [[Phimose]]n erst mal mit Salbentherapie zu behandeln, und somit den Jungs eine [[Zirkumzision|Beschneidung]] häufiger erspart bleibt. Mir wäre sie heute vielleicht auch erspart geblieben... jedenfalls zeigt mein Beispiel, dass man im Grundschulalter einfach zu jung ist, um Spätfolgen einen solchen irreversiblen Eingriffs zu verstehen und selbst bei im Prinzip verständnisvollen Begleitung meiner Eltern Gefühle von Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein bleiben.

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