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→Rechtliche und ethische Fragen: 'Kapitel 7' verlinkt
Beginnen wir mit dem offensichtlichsten Eingriff — den in die körperliche Unversehrtheit. Im deutschen Recht genießen Kinder weitreichenden Schutz, der das Erziehungsrecht der Eltern und die Befugnisse von mit der Erziehung beauftragten Dritten (z.B. Kindergartenpersonal und Lehrkräfte) beschränkt. So sind Erziehungsmaßnahmen untersagt, die körperlichen oder psychischen Schaden zur Folge haben können. Dies ist nicht nur die früher in Familien, Schulen und auch Ausbildungsbetrieben übliche Prügelstrafe, welche (teils erhebliche) direkte körperliche Verletzungen zur Folge haben kann. Auch ein leichter, körperlich unbedenklicher Klaps auf den Po ist hiervon erfasst. Er fällt in den Bereich entwürdigender Maßnahmen. Man geht davon aus, dass nicht nur die unmittelbare Verletzung das Kind schädigt, sondern auch das Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins im Moment der Bestrafung durch Bezugspersonen. Dies gilt ebenso für andere Praktiken, die die Würde des Kindes verletzen – so zum Beispiel der Zwang, seine Kleidung öffentlich vor der Kindergartengruppe wechseln zu müssen, wenn man sich in die Hose gemacht hat.
Wenn man nun die in Kapitel 7 im Abschnitt [[Zirkumzision#Risiken_und_Sp.C3.A4tfolgen|"Risiken und Spätfolgen"]] aufgezählten möglichen körperlichen und psychischen Direkt- und Spätfolgen einer Kindesbeschneidung betrachtet, so fällt die Unverhältnismäßigkeit ins Auge. Ein Klaps auf den Po ist bereits verboten, die irreversible Amputation eines wichtigen, gesunden Teils des Geschlechtsapparates hingegen nicht. Hier werden die unvermeidlichen und möglichen Folgen dieser Operation in einem Maße außer Acht gelassen, das im krassen Gegensatz zum etablierten Kinderschutz steht. Eine Legalisierung stellt somit eine deutliche Einschränkung des Rechts des männlichen Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Schutz vor potentiell schädlichen Erziehungsmethoden dar.
Auch ethisch offenbaren sich hier Probleme. Kann man einem Kind zumuten, nicht selber über das Erscheinungsbild und den Funktionsumfang seines Körpers entscheiden zu dürfen? Sollte der beschnittene Junge im späteren Leben zu der Ansicht kommen, ein intakter Penis wäre ihm lieber, so hat er keine Möglichkeit, die gegenteilige Entscheidung der Eltern rückgängig zu machen. Es wird ihm die Vorstellung anderer, wie sein Körper auszusehen und zu funktionieren hat, unwiderruflich aufgezwungen. Die Möglichkeit, selber nach seinem persönlichen Befinden darüber zu entscheiden, wird ihm vorenthalten, was zu Minderwertigkeitskomplexen und Depressionen führen kann – ungeachtet der Motivation der Eltern oder ihrer Vorstellung, was für ihr Kind das Beste sei. Eine so gravierende Bevormundung bezüglich eines so schweren Eingriffs, noch dazu im intimsten Bereich des Kindes, ist mit dem elterlichen Willen nicht zu rechtfertigen.