Beschneidungsgesetz: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 9. April 2015, 17:55 Uhr

Unter dem Schlagwort "Beschneidungsgesetz" wird in aller Regel (zumindest in Deutschland) der vom Deutschen Bundestag am 12. Dezember 2012 verabschiedete Zusatzparagraph 1631d BGB verstanden, mit dem die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von minderjährigen Jungen in Deutschland vorerst unter bestimmten Auflagen legalisiert wurde.

Gegen dieses "Beschneidungsgesetz" wurde vor der Verabschiedung und wird auch weiterhin von Intaktivisten gekämpft, da es aus Sicht vieler Rechtsexperten gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und andere Rechtsnormen verstößt.


Der Wortlaut des Beschneidungsgesetzes

Das Gesetz wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch im Buch 4 (Familienrecht), im Abschnitt 2 (Verwandtschaft) und dort im Titel 5 (Elterliche Sorge) platziert.


§ 1631d

Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Beachtenswert

Der Entwurf des Bundesjustizministeriums wurde vom Regierungskabinett weitgehend als Gesetzesvorlage übernommen. Es wurde im Gesetzestext exakt eine Stelle geändert:

Im Entwurf hieß es in Absatz 1, Satz 1 noch

"[...] wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird."

Die verabschiedete Gesetzesvorlage hingegen lautet dort

"[...] wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll."

Diese Umformulierung nimmt dem Gesetz die juristische Problematik, nachzuweisen, dass tatsächlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert wurde. Es reicht dem Gesetz nach nunmehr aus, wenn der Arzt oder Beschneider seine Absicht nachweisbar kundgetan hat, die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchführen zu wollen.

Juristische Stimmen

  • Andreas Manok, Die medizinisch nicht indizierte Beschneidung des männlichen Kindes – Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des § 1631d BGB unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, Berlin: Duncker & Humblot, 2015 (Schriften zum Gesundheitsrecht [SGR], Band 34). 217 Seiten. ISBN 978-3-428-14584-3. 69,90 €.[1]
Der Autor untersucht die Frage der rechtlichen Zulässigkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidungen männlicher Minderjähriger auf Veranlassung ihrer Eltern. Nach einem kulturhistorischen Abriss und der Betrachtung medizinischer Aspekte prüft er umfassend, ob der vom Bundesgesetzgeber als Reaktion auf das sog. Kölner Beschneidungsurteil in das BGB eingefügte § 1631d verfassungsgemäß ist. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass § 1631d BGB in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig ist. Denn zum einen überwiegt angesichts der Tragweite und der Irreversibilität des Eingriffs das Grundrecht der Minderjährigen auf körperliche Unversehrtheit das elterliche Erziehungsrecht und deren Grundrecht auf Religionsfreiheit. Zum anderen liegt eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung männlicher Minderjähriger wegen des Geschlechts vor, da der Eingriff bei ihnen zulässig sein soll, während selbst milde Formen weiblicher Beschneidung durch § 226a StGB als Verbrechen unter Strafandrohung stehen.
Dr. Georg Neureither (religion-weltanschauung-recht.net)[2]
  • Matthias Franz (Hg.), Die Beschneidung von Jungen - Ein trauriges Vermächtnis, Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 448 Seiten mit 11 Abb. kartoniert. ISBN 978-3-525-40455-3. 29,99 €.[3]
Die Auseinandersetzung um die rituelle, medizinisch nicht begründete Genitalbeschneidung kleiner, nicht einwilligungsfähiger Jungen findet seit dem Urteil des Kölner Landgerichts vom Mai 2012 nun auch in Deutschland statt. Sie bewegt sich im Spannungsfeld der Grundrechte auf Religionsfreiheit einerseits und auf körperliche Unversehrtheit andererseits. Die Heftigkeit der Debatte lässt auf tiefgreifende Ängste und Konflikte schließen. Es geht um die Frage, ob es heute in einer säkularen Demokratie noch angemessen ist, kleinen Jungen zur Absicherung der gruppalen und religiösen Identität von Erwachsenen Schmerzen und Ängste zuzufügen, sie erheblichen Gesundheitsrisiken und irreversibler Verletzung der Intimzone auszusetzen. Leidvolle körperliche, sexuelle und seelische Langzeitfolgen der Beschneidung sind möglich und belegt. In diesem Buch äußern sich Betroffene, Ärzte, Juristen, Psychoanalytiker, Politiker und andere Fachleute kritisch zur Jungenbeschneidung und engagieren sich für den Kinderschutzgedanken. Sie werben für eine Debatte auf wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage.
Verlagstext (Vandenhoeck & Ruprecht)[4]

Einzelnachweise