Beschneidungsgesetz: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter dem Schlagwort "Beschneidungsgesetz" wird in aller Regel (zumindest in Deutschland) der vom Deutschen Bundestag am [[12.12.2012|12. Dezember 2012]] verabschiedete Zusatzparagraph 1631d BGB verstanden, mit dem die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von minderjährigen Jungen in Deutschland vorerst unter bestimmten Auflagen legalisiert wurde.
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|(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche [[Beschneidung]] des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die [[Beschneidung]] auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
 
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|(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.
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|(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen [[Beschneidung]]en gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der [[Beschneidung]] vergleichbar befähigt sind.<ref>Siehe dazu: [[Mohel-Klausel]]</ref>
 
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Diese Umformulierung nimmt dem Gesetz die juristische Problematik, nachzuweisen, dass tatsächlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert wurde. Es reicht dem Gesetz nach nunmehr aus, wenn der Arzt oder Beschneider seine Absicht nachweisbar kundgetan hat, die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchführen zu wollen.
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Diese Umformulierung nimmt dem Gesetz die juristische Problematik, nachzuweisen, dass tatsächlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert wurde. Es reicht dem Gesetz nach nunmehr aus, wenn der Arzt oder Beschneider seine Absicht nachweisbar kundgetan hat, die [[Beschneidung]] nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchführen zu wollen.
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Die namentliche Abstimmung zum Beschneidungsgesetz ist abrufbar auf der Website des Deutschen Bundestags.<ref>{{REFweb
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Durch die Formulierung ''"wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die [[Beschneidung]] auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird"'' hebt sich das Gesetz durch sich selbst auf. Die Regeln der ärztlichen Kunst besagen, dass ohne medizinische Indikation kein gesundes Körperteil irreversibel entfernt werden darf, zumal ohne wirksame Schmerzunterdrückung. Beides trifft bei Neugeborenen und Babys bis zum 6. Monat (Absatz 2 - Mohelklausel) ohne weiteres zu. Das Kindeswohl ist überdies hinaus in jedem Fall gefährdet, da der Verlust der Vorhaut irreversibel und somit in allen Fällen ein Schaden für das Kind ist.
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== Verfassungswidrig ==
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Nach Ansicht von immer mehr Verfassungsrechtlern und anderer Juristen (siehe [[Literatur]]) verstößt das Beschneidungsgesetz gleich in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz, siehe hier:
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* [[Art. 1 GG]]
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* [[Art. 2 GG]]
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* [[Art. 3 GG]]
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* [[Art. 4 GG]]
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* [[Art. 6 GG]]
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* [[Art. 33 GG]]
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* [[Art. 140 GG]]
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== Juristische Stimmen ==
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* [[Andreas Manok]], '''Die medizinisch nicht indizierte [[Beschneidung]] des männlichen Kindes – Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des § 1631d BGB unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte''', Berlin: Duncker & Humblot, 2015 (Schriften zum Gesundheitsrecht [SGR], Band 34). 217 Seiten. ISBN 978-3-428-14584-3. 69,90 €.<ref>http://www.duncker-humblot.de/index.php/die-medizinisch-nicht-indizierte-beschneidung-des-mannlichen-kindes.html</ref>
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| Text=Der Autor untersucht die Frage der rechtlichen Zulässigkeit medizinisch nicht indizierter [[Beschneidung]]en männlicher Minderjähriger auf Veranlassung ihrer Eltern. Nach einem kulturhistorischen Abriss und der Betrachtung medizinischer Aspekte prüft er umfassend, ob der vom Bundesgesetzgeber als Reaktion auf das sog. [[Kölner Beschneidungsurteil]] in das BGB eingefügte § 1631d verfassungsgemäß ist. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass § 1631d BGB in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig ist. Denn zum einen überwiegt angesichts der Tragweite und der Irreversibilität des Eingriffs das Grundrecht der Minderjährigen auf körperliche Unversehrtheit das elterliche Erziehungsrecht und deren Grundrecht auf Religionsfreiheit. Zum anderen liegt eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung männlicher Minderjähriger wegen des Geschlechts vor, da der Eingriff bei ihnen zulässig sein soll, während selbst milde Formen [[FGM|weiblicher Beschneidung]] durch § 226a StGB als Verbrechen unter Strafandrohung stehen.
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| Autor=Dr. Georg Neureither
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* [[Matthias Franz]] (Hg.), '''Die [[Beschneidung]] von Jungen - Ein trauriges Vermächtnis''', Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 448 Seiten mit 11 Abb. kartoniert. ISBN 978-3-525-40455-3. 29,99 €.<ref>http://www.v-r.de/de/die_beschneidung_von_jungen/t-0/1011073/</ref>
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[[en:German Circumcision Act]]

Aktuelle Version vom 24. August 2021, 13:04 Uhr

§ 1631d BGB

Unter dem Schlagwort "Beschneidungsgesetz" wird in aller Regel (zumindest in Deutschland) der vom Deutschen Bundestag am 12. Dezember 2012 verabschiedete Zusatzparagraph 1631d BGB verstanden, mit dem die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von minderjährigen Jungen in Deutschland vorerst unter bestimmten Auflagen legalisiert wurde.

Gegen dieses "Beschneidungsgesetz" wurde vor der Verabschiedung und wird auch weiterhin von Intaktivisten gekämpft, da es aus Sicht vieler Rechtsexperten gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und andere Rechtsnormen verstößt.

Der Wortlaut des Beschneidungsgesetzes

Das Gesetz wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch im Buch 4 (Familienrecht), im Abschnitt 2 (Verwandtschaft) und dort im Titel 5 (Elterliche Sorge) platziert.


§ 1631d Beschneidung des männlichen Kindes
(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.[1]

Beachtenswert

Der Entwurf des Bundesjustizministeriums wurde vom Regierungskabinett weitgehend als Gesetzesvorlage übernommen. Es wurde im Gesetzestext exakt eine Stelle geändert:

Im Entwurf hieß es in Absatz 1, Satz 1 noch

"[...] wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird."

Die verabschiedete Gesetzesvorlage hingegen lautet dort

"[...] wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll."

Diese Umformulierung nimmt dem Gesetz die juristische Problematik, nachzuweisen, dass tatsächlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert wurde. Es reicht dem Gesetz nach nunmehr aus, wenn der Arzt oder Beschneider seine Absicht nachweisbar kundgetan hat, die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchführen zu wollen.

Namentliche Abstimmung

Die namentliche Abstimmung zum Beschneidungsgesetz ist abrufbar auf der Website des Deutschen Bundestags.[2] Die Daten sind im Unterartikel hier im IntactiWiki hinterlegt (auf den Abschnittstitel klicken).

Gesetz hebt sich selbst auf

Durch die Formulierung "wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird" hebt sich das Gesetz durch sich selbst auf. Die Regeln der ärztlichen Kunst besagen, dass ohne medizinische Indikation kein gesundes Körperteil irreversibel entfernt werden darf, zumal ohne wirksame Schmerzunterdrückung. Beides trifft bei Neugeborenen und Babys bis zum 6. Monat (Absatz 2 - Mohelklausel) ohne weiteres zu. Das Kindeswohl ist überdies hinaus in jedem Fall gefährdet, da der Verlust der Vorhaut irreversibel und somit in allen Fällen ein Schaden für das Kind ist.

Verfassungswidrig

Nach Ansicht von immer mehr Verfassungsrechtlern und anderer Juristen (siehe Literatur) verstößt das Beschneidungsgesetz gleich in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz, siehe hier:

Juristische Stimmen

  • Andreas Manok, Die medizinisch nicht indizierte Beschneidung des männlichen Kindes – Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des § 1631d BGB unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, Berlin: Duncker & Humblot, 2015 (Schriften zum Gesundheitsrecht [SGR], Band 34). 217 Seiten. ISBN 978-3-428-14584-3. 69,90 €.[3]
Der Autor untersucht die Frage der rechtlichen Zulässigkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidungen männlicher Minderjähriger auf Veranlassung ihrer Eltern. Nach einem kulturhistorischen Abriss und der Betrachtung medizinischer Aspekte prüft er umfassend, ob der vom Bundesgesetzgeber als Reaktion auf das sog. Kölner Beschneidungsurteil in das BGB eingefügte § 1631d verfassungsgemäß ist. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass § 1631d BGB in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig ist. Denn zum einen überwiegt angesichts der Tragweite und der Irreversibilität des Eingriffs das Grundrecht der Minderjährigen auf körperliche Unversehrtheit das elterliche Erziehungsrecht und deren Grundrecht auf Religionsfreiheit. Zum anderen liegt eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung männlicher Minderjähriger wegen des Geschlechts vor, da der Eingriff bei ihnen zulässig sein soll, während selbst milde Formen weiblicher Beschneidung durch § 226a StGB als Verbrechen unter Strafandrohung stehen.
Dr. Georg Neureither (religion-weltanschauung-recht.net)[4]
  • Matthias Franz (Hg.), Die Beschneidung von Jungen - Ein trauriges Vermächtnis, Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 448 Seiten mit 11 Abb. kartoniert. ISBN 978-3-525-40455-3. 29,99 €.[5]
Die Auseinandersetzung um die rituelle, medizinisch nicht begründete Genitalbeschneidung kleiner, nicht einwilligungsfähiger Jungen findet seit dem Urteil des Kölner Landgerichts vom Mai 2012 nun auch in Deutschland statt. Sie bewegt sich im Spannungsfeld der Grundrechte auf Religionsfreiheit einerseits und auf körperliche Unversehrtheit andererseits. Die Heftigkeit der Debatte lässt auf tiefgreifende Ängste und Konflikte schließen. Es geht um die Frage, ob es heute in einer säkularen Demokratie noch angemessen ist, kleinen Jungen zur Absicherung der gruppalen und religiösen Identität von Erwachsenen Schmerzen und Ängste zuzufügen, sie erheblichen Gesundheitsrisiken und irreversibler Verletzung der Intimzone auszusetzen. Leidvolle körperliche, sexuelle und seelische Langzeitfolgen der Beschneidung sind möglich und belegt. In diesem Buch äußern sich Betroffene, Ärzte, Juristen, Psychoanalytiker, Politiker und andere Fachleute kritisch zur Jungenbeschneidung und engagieren sich für den Kinderschutzgedanken. Sie werben für eine Debatte auf wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage.
Verlagstext (Vandenhoeck & Ruprecht)[6]

Einzelnachweise