Jungenbeschneidung in Deutschland - eine Bestandsaufnahme

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Jungenbeschneidung in Deutschland - eine Bestandsaufnahme lautete der Titel einer Fachtagung am 8. Mai 2017 in der Heinrich-Heine-Universität.

Die Veranstaltung wurde anlässlich des fünften WWDOGA vom Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie[1] am Universitätsklinikum Düsseldorf, dem Verein MOGiS e.V. und der Sektion Kinder- und Jugendpsychosomatik in der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie[2] (DGPM) organisiert.

Die Vorhaut ist der sexuell sensibelste Anteil des männlichen Gliedes. Ihre Entfernung stellt auch und gerade im Säuglings- und Kindesalter immer eine schwerwiegende Verletzung der genitalen Unversehrtheit dar, die zu andauernden körperlichen, sexuellen oder psychischen Komplikationen und Leidenszuständen führen kann. Allein in Deutschland werden jährlich etwa 400 kleine Jungen auch nach nicht aus medizinischen Gründen vorgenommenen Beschneidungen mit z.T. schweren Komplikationen in Kliniken eingeliefert. Mit unserer Tagung möchten wir hierzu informieren und diesem kontroversen Thema eine Plattform für einen sachlich fundierten und respektvollen Dialog mit allen Interessierten eröffnen.
Prof. Dr. Matthias Franz, Mitinitiator der Tagung (Universität Düsseldorf)[3]

Vortragende

Die Vorträge der einzelnen Referenten sind in ihren entsprechenden IntactiWiki-Artikeln aufgeführt, sofern öffentlich verfügbar. (Hinweis: Die Liste ist noch nicht vollständig.)

Abschlussforderungen

Die Fachtagung endete mit der Verabschiedung von Abschlussforderungen[4], die sich in zwei Bereiche aufteilen, den ärztlichen und den juristischen Bereich. Im wissenschaftlichen Pressespektrum wurden die Abschlussforderungen prompt verbreitet und rezipiert.[5][6][7]

Nachfolgend wird der Text der Abschlussforderungen zu Dokumentationszwecken wiedergegeben:

Ärztlicher Bereich

Ärzte sollten nicht ohne Indikation und immer unabhängig von Herkunft, Religion und sexueller Orientierung behandeln und aus diesem Grund auch keine medizinisch nicht indizierten Beschneidungen durchführen, schon gar nicht an einwilligungsunfähigen Patienten.

Erforderlich sind mehr Sensibilität und mehr Kenntnisse über die psychischen Folgen der Beschneidung von männlichen Kindern, damit wir sie besser diagnostizieren können. Hierzu bedarf es umfassender Forschung.

Die Einrichtung von Therapie- und Beratungsangeboten für direkt und indirekt Betroffene ist zu fördern.

Notwendig sind Aufklärungsinitiativen über anatomische und medizinische Fakten, Risiken und Spätfolgen durch Gesundheitsinstitutionen wie die BZgA[8], sexualwissenschaftliche Institute und ärztliche Fachverbände.

Nötig ist die Finanzierung einer fundierten, flächendeckenden Fachberatung bei Elternwunsch auf Beschneidung ihres Sohnes, die das Wohl des Kindes, dessen sexuelle Selbstbestimmung und dessen spätere psycho-sexuelle Entwicklung im Zentrum der Betrachtung haben.

Vor jeder Beschneidung muss gemäß der geltenden Rechtslage eine umfassende und dokumentierte Aufklärung über alle möglichen Risiken sowie eine objektive Befunddokumentation erfolgen.

Zu fördern ist eine evidenzbasierte Forschung zu den akuten wie langfristigen physischen und psychischen Folgen der Vorhautentfernung, auch im Hinblick auf die Tradierung herkömmlicher Männlichkeit.

Juristischer Bereich

Der folgende Vorstoß des Familienministeriums, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, verdient Zustimmung:

"Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte und das Wohl des Kindes und trägt Sorge für kindgerechte Lebensbedingungen. Bei allem staatlichen Handeln, das Kinder betrifft, ist das Wohl des Kindes maßgeblich zu berücksichtigen. Jedes Kind hat vor einer staatlichen Entscheidung, die seine Rechte betrifft, bei der zuständigen Stelle einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife."

Soll diese Grundgesetzänderung nicht symbolisch bleiben, sondern Wirksamkeit entfalten, muss die umfassende Erlaubnis von Vorhautamputationen im Elternrecht aufgehoben werden.

Politik und Gesetzgebung müssen sich einschränkungslos hinter den Satz stellen: Die genitale Unversehrtheit ist ein Menschenrecht aller Kinder.

Die Klagemöglichkeit der Betroffenen – auch gegen die eigenen Eltern sowie gegen die Beschneider – muss sofort wieder hergestellt werden. Es kann nicht sein, dass Betroffene selbst bei schwersten Folgen keine Entschädigung geltend machen können.

Schon derzeit muss folgende Regelung getroffen werden:

Das Kind soll, auch als Erwachsener – angelehnt an die Regeln des StORMG[9] – das Recht haben, die Einwilligung der Eltern zu widerrufen. Übt der Beschnittene dieses Recht aus, begründet dies eine Schadensersatzpflicht der Sorgeberechtigten. Der oder die Beschneidende haften für Fahrlässigkeit, auch bei der Aufklärung der Sorgeberechtigten und des Kindes.

Dies gilt auch, wenn keine vollumfängliche und am Kindeswohl orientierte Aufklärung dokumentiert ist.

Siehe auch

Einzelnachweise